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Großmacht im Palazzo Madama

Durch die neue Geschäftsordnung erhält die Autonomiefraktion eine zentrale Rolle im Senat. Deshalb wird auch Gianclaudio Bressa Fraktionssprecher werden.
Senat
Foto: senato.it
In Südtirol hat es kaum jemand mitbekommen.
Kurz vor Weihnachten, genauer gesagt am 20. Dezember 2017 hat der Senat eine neue Geschäftsordnung verabschiedet. Im Amtsblatt publiziert am 19. Jänner 2018, tritt die neue Regelung mit der anbrechenden Legislatur am 23. März in Kraft.
Diese neue Geschäftsordnung lässt die SVP indirekt zur Großmacht im Palazzo Madama werden. Unabhängig davon, wer an der Regierung sitzt.
Es war einer der letzten Streiche von Karl Zeller. Der SVP-Senator und Vizeobmann hat eine Regelung durchgebracht, die für seine Partei mehr als nur ein Glücksgriff ist.
 

Die Autonomiefraktion

 
Es war Helga Thaler Außerhofer, die 2001 die Idee zur Gründung einer Autonomiefraktion im Senat hatte. Weil die Geschäftsordnung des Senates aber eine Mindestanzahl von 10 Senatoren für eine Fraktion vorsieht, mussten sich die SVP Senatoren, nicht nur mit den Trentiner Autonomisten und der Union Valdotaine zusammentun, sondern man holte auch ein halbes Dutzend hochkarätige Senatoren auf Lebenszeit in die Fraktion.
Neben den Südtiroler Volksparteivertretern saßen plötzlich Giulio Andreotti, Francesco Cossiga, Carlo Azeglio Ciampi und verschiedene Nobelpreisträger in der Autonomiefraktion. War diese Zusammensetzung vom Prestige her kaum zu überbieten, so war es gleichzeitig im parlamentarischen Alltag eine fast unmögliche Aufgabe, diesen politisch bunt zusammengewürfelten Haufen auf eine gemeinsame Linie einzuschwören
 
Als Fraktionssprecher übernahm Karl Zeller in den vergangenen fünf Jahren diese undankbare Aufgabe. Geprägt von dieser Erfahrung, setzte der Meraner Politstratege im vergangenen Dezember bei der Reform der Geschäftsordnung des Senates eine entscheidende Änderung durch.
 

Die Änderung

 
Mit der neuen Geschäftsordnung werden die Abläufe im Senat noch viel strenger geregelt. Die Mindestgröße von zehn Senatoren zur Bildung einer Fraktion wurde beibehalten. Es dürfen aber nur Fraktionen von Bündnissen oder Parteien gebildet werde, die bei den Wahlen zum Senat angetreten sind. Das heißt: Man kann zwar Fraktionen zusammenlegen, die Neugründung einer Fraktion während einer Legislatur ist aber nicht mehr möglich.
Vor allem kann ein Senator während der Legislatur nicht mehr die Fraktion wechselt. Wer aus seiner Fraktion austritt, landet automatisch in der gemischten Fraktion.
Auf Antrag der SVP wurde aber für die Autonomiefraktion eine Ausnahme gewährt. Laut neuer Geschäftsordnung braucht es zur Gründung der Autonomiefraktion nur fünf Senatoren.
Diese Regelung hat für die SVP im wahrsten Sinn des Wortes politischen Goldwert.
 

Die Geburtswehen

 
Am Mittwoch schlug das Tagblatt der Südtiroler Alarm: Die Bildung der Autonomiefraktion sei in Gefahr. Der Grund: Es sitzen mit Julia Unterberger, Meinhard Durnwalder und Dieter Steger zwar drei SVP-Vertreter im Senat, doch das überraschende Durchfallen des Trentiner PATT-Politikers Franco Panizza bringe den ursprünglichen Plan durcheinander. Nimmt man den Aostaner Senator Albert Laniece dazu, fehlt immer noch ein Senator zur Gründung der Autonomiegruppe.
Weil die Geschäftsordnung vorschreibt, dass bei der Gründung der Autonomiefraktion nur Senatoren zählen, die in Provinzen oder Regionen mit Sonderstatut gewählt wurden, nützt ab sofort auch eine Anleihe der hochkarätigen Senatoren auf Lebenszeiten nicht mehr.
 
Bressa als Rettungsanker für Autonomiegruppe“, titeln deshalb die Dolomiten. Gianclaudio Bressa wird das fünfte Mitglied der Autonomiefraktion sein. „Es ist der natürliche Abschluss eines Weges, den wir gemeinsam zurückgelegt haben“, lässt sich der SVP-PD-Senator zitieren.
 

Der neue Fraktionssprecher

 
Aber es ist noch nicht ganz das Ende. Obwohl Dieter Steger offiziell auf das Amt des Fraktionssprechers der Autonomiegruppe hofft, wird am Ende Gianclaudio Bressa diese Rolle einnehmen.
Der Grund dafür: Man wird in den nächsten Wochen jemand an der Spitze der Autonomiegruppe brauchen, der den römischen Politbetrieb bestens kennt. Einen Strategen, der verhandeln kann und vor allem weiß, wie man Posten und Ämter vorteilhaft verteilt.
Verständlich wird das an der neuen Rolle, die der Autonomiegruppe und ihrem Sprecher zufallen werden. Mit der neuen Geschäftsordnung wird die parlamentarische Arbeit zusehends in die Kommissionen des Senates verlagert. Bereits vorher waren diese Ämter besonders begehrt.
 
Im Senat gibt es 14 ständige Kommissionen, dazu noch Sonderkommissionen und sogenannte Bicamerale-Kommissionen, zusammen mit der Abgeordnetenkammer. Jede Fraktion kann diese Kommissionen, die zumeist aus 28 Mitgliedern bestehen, im Verhältnis zu ihrer Stärke im Senat bestücken. Doch jeder Fraktion steht mindestens ein Vertreter in jeder Kommission zu. Damit sind die SVP und die Autonomiefraktion weit überproportional in den Kommissionen vertreten. Vor allem aber schaffen es die fünf Autonomisten unmöglich, alle ihnen zugewiesenen Kommissionen zu besetzen.
 

Massiver Zuzug

 
Es gibt eine einfache Lösung für diese Dilemma. Die Geschäftsordnung des Senates lässt zu, dass Senatoren, die aus Parteien kommen, die mit der SVP bei diesen Wahlen angetreten sind, zu Beginn der Legislatur in die Autonomiefraktion eintreten. Etwa Senatoren des PD.
Genau das wird passieren. Die Autonomiefraktion wird schon bald nach ihrer Gründung auf zehn oder fünfzehn Mitglieder anwachsen. Denn damit kann der PD seine Präsenz in vielen Kommissionen steigern. Man übernimmt so Ämter und Posten in Kommissionen und Ausschüssen, die die SVP nicht interessieren oder die sie nicht besetzen kann. Damit kann der PD seine Mandatare auszeichnen und die eigene politische Durchschlagkraft deutlich erhöhen.
Die SVP und die Autonomiefraktion haben deshalb eine privilegierte Verhandlungsposition, die es in den nächsten vier Wochen auszunützen gilt. Einem Neuling im Senat wird diese wichtige Rolle des Strippenziehers aber kaum zugetraut.
Deshalb wird Gianclaudio Bressa weit mehr als nur das fünfte Mitglied der Autonomiefraktion werden.