salto.music | Pedron & Muscolino

Was wäre wenn ...

Am 10. Mai 1933 wurden in deutschen Städten Bücher von AutorInnen verbrannt, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. In Margreid wurde daran erinnert.
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Foto: rhd
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Führte durch den Abend, für den sie die Texte und die Lieder ausgewählt hatte: Die gebürtige Margreiderin Angelika Pedron (Stimme) und Gabriele Muscolino (Gitarre) ergänzten sich blendend. Foto: rhd

 

Der Abend hat ein wenig mehr als eine Stunde gedauert, der Gehalt beträchtlich und die Performance von Angelika Pedron und Gabriele Muscolino dank ihrer Zurückhaltung ganz besonders einnehmend. Dabei war das Thema des Abends der Blick auf ein äußerst bitteres Kapitel der europäischen Geistesgeschichte: Das Verbrennen unliebsamer Bücher seitens der Nationalsozialisten am 10. Mai 1933.

Der Abend, initiiert durch die Bibliothek Margreid, war bereits seit 2019 in Planung, konnte aber erst jetzt umgesetzt werden. Die Auswahl der Texte und Lieder an diesem Abend war von Angelika Pederon getroffen worden, und damit hat sie einen sehr spannenden, informativen und anregenden Blick zurück in eine sehr finstere Zeit gewährt.

Texte und Lieder von AutorInnen wie Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Irmgard Kuen und anderen wurden entweder gelesen oder gesungen, und Pedron lieferte immer wieder historischen Kontext.

Begonnen – und beendet – wurde der Abend aber mit einem jiddischen Lied, „S'brennt” von Mordechaj Gebirtig, das Pedron und Muscolino – wie die restlichen Lieder auch – mit dem Minimalismus wirklicher Folksongs vorgetragen haben und damit – wenn man das so sagen möchte – die emotionale Interpretation dem zahlreichen Publikum überlassen hat. Und das Publikum bedankte sich mit herzhaftem Applaus.

 

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Ohne Zugabe konnten Pedron und Muscolino die Bühne nicht verlassen: Die präsentierten Texte und Lieder waren packend von Anfang an. Foto: rhd

 

Die Veranstaltung trug den zweisprachigen Titel „Feuerfest – A prova di fuoco”, und so kamen auch beide Sprachen zum Zuge. Während Pedron ihre Texte und Lieder in deutscher Sprache sprach und sang, lieferte Gabriele Muscolino einige italienische Übersetzungen: „Das Lied vom Anstreicher Hitler” von Brecht zum Beispiel, oder, besonders wirksam, Erich Kästners Schilderung, als er selbst Zeuge der Verbrennung der eigenen Bücher wurde und dabei in der Menge am Berliner Opernplatz sogar erkannt wurde.

Beunruhigend auch die Information, dass es ein junger Bibliothekar war, der in seinem streberhaften, vorauseilendem Eifer „Schwarze Liste” zusammengestellt hatte, auf die dann zurückgegriffen wurde um jene Autoren und Autorinnen auszuwählen, deren Bücher am 10. Mai 1933 dann in verschiedenen deutschen Universitätsstädten verbrannt werden sollten. Das zeigt, wie wesentlich einzelne Personen sein können für den Verlauf der Geschichte. Darüberhinaus: Die ganze Aktion hatte ihren Ursprung nicht etwa in der Parteizentrale der NSDAP, sondern in der StudentInnenschaft. Daraus folgt ganz klar, dass kein Diktator ohne die Unterstützung von „unten” zu seiner Machtfülle kommen kann. Und damit zusammenhängend die Verantwortung jeder einzelnen Person.

Unweigerlich stellt sich hier auch die Frage: Was wäre, wenn sich eine derartige Situation erneut einstellen würde? Würde man sich verhalten? Hätte man den Mut eines Kästner, eines Brecht, sich gegen die Bedrohung zu stellen? Oder würde man sich einschüchtern lassen, sich zurückziehen oder sich gar mitreißen lassen?

 

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 Ob es jiddische Lieder waren oder Songs von Brecht, ihre Stimme passte perfekt: Angelika Pedron hatte das Konzept zu diesem Abend erarbeitet. Foto: rhd

 

Eine der Lektionen, die wir an diesem Abend mitgenommen haben, ist die ungebrochene Wichtigkeit, sich für die Offenheit der Gesellschaft zu engagieren, für die Vielfalt zu stehen, für Frieden, Menschenrechte und Freiheit, aber auch für Respekt und Achtsamkeit all jenen gegenüber, die diesen Planeten bewohnen.

1933 mag weit in der Vergangenheit zurückliegen, aber der Bezug zur Gegenwart war an diesem Abend klar spürbar. Und wären da nicht die schönen jiddischen Lieder gewesen, die trotz mitunter bitterer Texte, lebensbejahend und auch lebensfroh strahlten, wir hätten den Abend nicht nur nachdenklich, sondern vielleicht sogar tief beunruhigt verlassen.

 

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Überraschend großes Interesse für den Text- und Lieder-Abend der Bibliothek Margreid: Angedacht bereits 2019, fand die Veranstaltung „Feuerfest – A prova di fuoco” vergangenen Freitag, 6. Mai 2022, im Karl Anrather Haus von Margreid endlich statt. Foto: rhd
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Hartmuth Staffler So., 08.05.2022 - 15:56

Das Verbrennen von Büchern (und manchmal auch von Menschen) war ursprünglich eine Spezialität der katholischen Kirche. Die Faschisten haben bei uns Bücher nicht verbrannt, sondern, z. B. die Bücher des Brixner Stadtmuseums, in den Eisack geworfen.

So., 08.05.2022 - 15:56 Permalink