Politik | Bürgerbeteiligung

Franzensfeste – ein Ort der Begegnung?

Das Ex-ANAS-Haus in Franzensfeste stand jahrelang leer. Nun wird das Gebäude zu einem Haus der Begegnung. Was genau das bedeutet, entschied die Bevölkerung.
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Die Bevölkerung der Gemeinde ist unterschiedlichen Ursprungs, mit über 25 Prozent hat Franzensfeste den höchsten Anteil an ausländischen Staatsbürgern und –bürgerinnen in Südtirol. Im Rahmen eines partizipativen Prozesses wurden zwischen Juli 2016 und März 2017 in Arbeitsgruppen und Workshops Ideen zur Umwandlung des Hauses im Zentrum von Franzensfeste gesammelt, darunter eine Bibliothek, ein Tanzsaal sowie ein Garten.

So unterschiedlich die Wünsche auch sein mögen, das Ziel ist dennoch ein gemeinsames: Nach dem Umbau soll das Haus dem Zusammenleben der Dorfgemeinschaft dienen und den Austausch zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen fördern. In Franzensfeste ist dies besonders wichtig, denn das Dorf war seit jeher ein Ort der Zuwanderung als Folge der großen Bauprojekte. Man denke dabei einerseits an die Brennerbahn und andererseits an die Festung Franzensfeste. Es sind derzeit noch kaum öffentliche Räume vorhanden, die zur Begegnung einladen. Daher war der Prozess der Bürgerbeteiligung für Franzensfeste ein wichtiges Signal.

 

Partizipative Demokratie sorgt für mehr Bürgerbeteiligung an öffentlichen Entscheidungen – Wer macht mit?

Der partizipative Prozess umfasste verschiedene Schritte: Zunächst übernahm eine Arbeitsgruppe die Aufgabe, den Prozess zu organisieren. Paolo Bellenzier, Architekt und Mitarbeiter im Amt für Hochbau der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol, und Beate Weyland, Professorin an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Bozen, übernahmen dabei die Moderation. Im Oktober 2016 fand schließlich ein an die gesamte Bevölkerung gerichteter Workshop statt. Diese Initiative diente dazu, konkrete Ideen und Interessen der Bevölkerung zum Haus der Begegnung zu sammeln. Die Teilnahme am Prozess stand der gesamten Bevölkerung offen und dementsprechend vielschichtig war die Zusammensetzung der Teilnehmer und –innen: Einerseits war der Gemeinderat vertreten, andererseits auch Personen, die sich beruflich mit dem Thema Integration beschäftigen – weiters nahmen auch Migranten und –innen sowie andere interessierte Bürger und –innen teil.

Bürgerbeteiligung kann in der Praxis sehr unterschiedlich aussehen, wichtig ist jedenfalls, dass Personen mit besonderen Bedürfnissen und Personen mit Migrationshintergrund im Hinblick auf Sprachbarrieren und andere Hindernisse besonders gefördert werden. Konkret könnten diese Hindernisse durch einen anonymen Briefkasten sowie durch kleinere Gruppen überwunden werden.

Die Notwendigkeit, Migranten und –innen besonders an partizipativen Prozessen teilhaben zu lassen, basiert in erster Linie auf der Tatsache, dass diese in Italien kein Wahlrecht haben (außer als EU-Bürger und –innen). Damit können sie nur eingeschränkt am politischen Leben teilnehmen. Die Prozesse zur Bürgerbeteiligung sind eine der Möglichkeiten um dieser Situation entgegenzuwirken. Allerdings müssen noch weitere Hindernisse überwunden werden, insbesondere Sprachbarrieren. Diesen Hindernissen kann durch verschiedene Methoden entgegengewirkt werden, etwa durch den Einsatz von Kulturmediatoren und –innen sowie von Übersetzern und Übersetzerinnen. Im konkreten Beispiel Franzensfeste haben zahlreiche Kinder und Jugendliche teilgenommen. Daher wurden im Rahmen des Workshops mit Bastelmaterialien erste Sprachbarrieren überbrückt. Dennoch war die Kenntnis der italienischen Sprache eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am Prozess.

 

Fazit

Am Prozess waren einzelne Vertreter und –innen aller relevanten Interessengruppen der Gemeinde beteiligt. Dabei wurde keine feste Zielgruppe angesprochen, sondern die Veranstaltungen waren an die gesamte Gemeindebevölkerung gerichtet. Die externe Moderation hat dabei für einen klaren Zeitrahmen und klare Ziele gesorgt. Diese Ziele gilt es nun im Dorf umzusetzen und die interessierten Bürger und –innen in den anstehenden Planungsprozess des Hauses Franzensfeste einzubeziehen. Möglich ist beispielsweise, das Haus Franzensfeste schon vor der Fertigstellung im Jahre 2019/2020 zu einem Treffpunkt zu machen. Dabei gilt es, die Ressourcen der Menschen mit Migrationshintergrund in den Vordergrund zu rücken.

Allgemein ist bei jedem Prozess der Bürgerbeteiligung eine wichtige Frage, wie die Hürden für Partizipation überwunden werden können. Dabei sind Kulturmediatoren und –innen sowie Übersetzer und –innen mit Sicherheit ein Teil der Lösung. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Prozesse ein möglichst umfangreiches Angebot schaffen um Teilhabe zu ermöglichen: Beispielsweise kann es nützlich sein, eine Teilnahme mittels E-Mail oder auch online einzurichten. Häufig ist es nämlich aufgrund der Arbeitszeit oder anderer Hindernisse für Interessierte schwierig an einem partizipativen Prozess teilzunehmen.

 

Projekt des Institutes für Minderheitenrecht

Das Institut für Minderheitenrecht von Eurac Research hat den Prozess in Franzensfeste ebenso wie die Prozesse in weiteren Südtiroler Gemeinden (Brixen und St. Lorenzen) beobachtet, dokumentiert und analysiert. Diese partizipativen Prozesse wurden von der Koordinierungsstelle für Integration der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol angeregt und das Eurac-Institut für Minderheitenrecht wurde beauftragt, die Auswirkungen dieser Prozesse auf das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Religionen auf lokaler Ebene in Südtirol zu evaluieren.