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Von Knappen und Stollen

Wer in Villanders zu einem dunklen Abenteuer aufbricht, sollte nicht nur festes Schuhwerk, sondern auch ein Quäntchen Mut mitbringen. Franziska Luther hat nachgefragt.
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Foto: Quelle: Museumsverband

Ausgestattet mit einer orangenen Regenjacke und einem Schutzhelm kann man Schritt für Schritt eine jahrhundertelange Bergwerksgeschichte bei einer konstanten Temperatur um 8 °C entdecken. Das Bergwerk liegt unterhalb der Villanderer Alm bei einem zum Tinnetal abfallenden Hang. In mühseliger Kleinarbeit bauten Bergknappen seit dem Mittelalter Erz, Bleiglanz, Kupfer, Eisenkies, Zinkblende und Schwefelkies ab. Begehrtes Eigentum, da eines der wichtigsten Erzabbaugebiete Tirols, wurde das Bergwerk in seiner Geschichte regelmäßig zum Schauplatz von Besitzstreitigkeiten.
Den heutigen Knappen des Kultur- und Museumsvereins Villanders ist es mit Entdeckergeist und Muskelkraft gelungen, zwei der insgesamt 16 Stollen für Besucherinnen und Besucher zugänglich zu machen. Durch den Elisabeth-Stollen, der 1,6 Kilometer in den Berg getrieben wurde, führt Vereinspräsident Robert Gruber.

Franziska Luther: Vor etwa 20 Jahren haben sich in Villanders junge Männer zunächst aus purer Neugierde heraus auf ein dunkles Abenteuer begeben, welches schließlich zur Gründung des Vereins führte.
Robert Gruber: Einige junge Burschen haben von dem ehemaligen Bergwerk Kenntnis gehabt, in dessen Finsternis man sich verirren kann. Man wusste nicht, wie viele Stollen es gibt und wo die verschiedenen Gänge hinführen. Sich in diese unbekannte Dunkelheit zu begeben, war besonders reizvoll, aber natürlich zu jener Zeit illegal. Als von einem Gastwirt die Idee aufgeworfen wurde, dass auch Besucher durch die Stollen geführt werden könnten, haben vier Knappen begonnen, die Stollen auszuräumen und zu sichern. Zu diesem Zeitpunkt wurde nicht nur eine Versicherung abgeschlossen, sondern natürlich auch der Kontakt zum Land und zur Forstbehörde gesucht, um Genehmigungen einzuholen. In diesem Verlauf wurde schließlich der Verein gegründet, um dem Vorhaben eine institutionelle Basis zu geben und einen strategischen Plan für die Zukunft zu machen. Die erste große Investition war dann ein kleines Raupenfahrzeug mit welchem Tonnen von Ablagerungsmaterial aus den Stollen geschafft wurde.

Wer waren denn die ersten Knappen die hier gegraben haben?
Das Bergwerk ist als ältestes Bergwerk im Alpenraum bekannt. Belegen lässt sich dies mit einer Urkunde aus dem fernen 12. Jahrhundert. 1140 schenken Graf Arnold von Greifenstein und seine Gemahlin Adelheid den „mons argenti“, den Silberberg von Villanders, dem noch zu gründenden Kloster Neustift bei Brixen. Da aber die Besiedlung in Villanders schon viel früher einsetzte, vermute ich, dass es schon wesentlich früher Bergbau gegeben hat.

Die heutigen Knappen konnten unter modernen Bedingungen mit Hilfe des Raupenfahrzeugs die schweren Arbeiten verrichten. Wie wird es den Knappen im Mittelalter ergangen sein?
Die Arbeit im Stollen gestaltete sich sicher schwierig. Mit einfachen Werkzeugen kam man je nach Härte des Gesteins nur wenig voran. Sprengungen mit Hilfe von Schwarzpulver und die Technik des sog. “Schlenkerbohrens” wurden erst Ende des 16. Jahrhunderts eingeführt. Bis dahin wurde praktisch jeder Stollen mit Hammer und Meißel geschlagen. Eine sehr mühsame Angelegenheit, da ein Bergknappe pro Tag nur ungefähr 1-3 cm schaffte. Trotzdem war der Bergknappe ein angesehener Mensch. Nach vielen Stunden harter Arbeit in der Dunkelheit ist man sicher erschöpft nach Hause gegangen. Ist man auf eine Ader gestoßen, war dies sicher ein Moment großer Zufriedenheit. Die Bergwerke waren ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, dessen sich die Bergleute durchaus bewusst waren. Im Bergknappenlied vom Schneeberg heißt es: „Die Kron setzt aufs Haupt sich der Fürst in dem Glanz, den Bergmann, den armen, vergessen sie ganz. Wo, nehmest, o Fürst, du die Goldkrone her, wenn tief in der Grube der Bergmann nicht wär?“. Ein stolzes, aber auch hartes Leben, welches für viele Bergknappen bereits vor dem 35.Lebensjahr endete.

Hier im Bergwerk Villanders wurde nach Erz gegraben?
Im über 25 km langen Stollennetzwerk können sowohl im Diorit (Klausenit), im angrenzenden Feldstein, also auch im Quarzphyllit Erzadern beobachtet werden. Die Erzgänge im Bergwerk Villanders sind sehr verschieden und komplex. Die Erze treten teils vermengt, teils getrennt oder in Streifen ausgebildet auf, was die Arbeit für die Knappen deutlich erschwerte. So verschwanden Adern durch die Querverschiebung plötzlich und konnten nicht weiterverfolgt bzw. weiter abgebaut werden. Silber war ein ganz wichtiges Erz, da damit Münzen geschlagen werden konnten. Daneben gab es auch Kupfer. Als Nebenprodukte gab es auch Blei und Zink, die erst nach dem 18 Jahrhundert abgebaut wurden.

Gerade der Reichtum an Silber hat auch zu Streitigkeiten geführt.
Diese Streitigkeiten sind für uns heute ein Glücksfall, weil diese zu Gerichtsverhandlungen und zu schriftlichen Dokumenten führten, die als Quellen einen Einblick in die Bergwerksgeschichte geben können. Die Bischöfe von Trient und Brixen haben immer versucht, die damals in der Nähe des Bergwerks verlaufenden Bistumsgrenzen zu ihren jeweiligen Gunsten zu verschieben, weil der Zehnt ihnen zustand. Aus dem Jahre 1513 hören wir, dass Hans Stöckl und Hans Paumgartner den Landesfürsten daran erinnerten, dass sie das „kleine und unordentliche Bergwerk“ am Pfunderer Berg in die Höhe zu bringen suchten, so dass jetzt „etlich hundert Mann“ beschäftigt seien. Neben den Paumgartner und den Stöckl waren auch die Fugger aus Augsburg am Bergbau beteiligt. Im ausgehenden 16. Jahrhundert geriet der Silberbergbau in ganz Tirol in eine Krise, die auch Klausen schwer traf. Die Bedeutung des Bergwerkes schwand rapide. Schon vorher kam es zu Streitereien zwischen den Gewerken der Paumgartner, Stöckl und Fugger.

Wann wurden die Arbeiten hier eingestellt?
Im Jahr 1908 wurde unter der K.u.K. Monarchie das Bergwerk aus Rentabilitätsgründen aufgelassen. Bis 1945 sind aber noch fünf Bergknappen vor Ort gewesen, um Wartungsarbeiten durchzuführen. Kurzzeitig versuchte auch der italienische Staat das Bergwerk wieder zu beleben, jedoch ohne Erfolg. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel dann alles in einen Dornröschenschlaf, bis es die neuen Knappen 1997 wieder wachküssten.

Der heutige Rundgang durch die Besucherstollen beginnt zunächst in der Umkleide, wo man mit Helm und Regenjacke für die Begehung ausgerüstet wird.
Der Rundgang ist relativ einfach und führt in die Dunkelheit, wo man viele kleine und große abzweigende Stollen sehen kann. Wir gehen 600 Meter fast horizontal in den Berg hinein, über uns circa 200 Meter hartes Gestein. An vielen Stellen wird die harte Arbeit der Bergknappen im Gestein deutlich. Aber keine Angst: alle die hineingehen kommen auch wieder hinaus!