Umwelt | Debatte

Bis 2040 klimaneutral?

Verzwickte Sachlage: Landesrat Schuler und die Grüne Landtagsabgeordnete Foppa sind sich einig, dass Klimaschutz die Unterstützung der breiten Masse braucht – nur wie?
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Foto: Heimatpflegeverband
Gestern Abend (6. Juni) fand im Waltherhaus die Abschlussveranstaltung der Vortragsreihe „Klimaschutz konkret“ von Politis und Heimatpflegeverband statt. Bei der von Thomas Benedikter (Politis) moderierten Diskussion saßen Landesrat Arnold Schuler (zuständig für Tourismus, Landwirtschaft und Bevölkerungsschutz), die Präsidentin des Heimatpflegeverbandes Claudia Plaikner, die Vizepräsidentin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz Elisabeth Ladinser, LVH-Vizepräsident Hannes Mussak und die Grünen-Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa am Podium.
Gleichzeitig gebe es in Südtirol rund 60.000 Wohnungen mehr als Haushalte.
Roter Faden des Gesprächs war der im Herbst vorgestellte Klimaplan des Landes: Das Ziel bis 2040 – also in nicht mehr als 17 Jahren – klimaneutral zu sein, sei ambitioniert – darin waren sich die Sprecher*innen am Podium einig. Welche Klimaschutzmaßnahmen uns diesem Ziel näher bringen, will die Landesregierung Ende Juli im zweiten Teil des Klimaplanes erklären. „Die Landesregierung hat in den vergangenen neun Jahren in Wirklichkeit Zeit verstreichen lassen, das finde ich sehr fahrlässig. In dieser Zeit ist der Meeresspiegel um Zentimeter angestiegen“, erklärt Foppa.
 
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Am Podium: v.l. Elisabeth Ladinser, Arnold Schuler, Claudia Plaikner, Brigitte Foppa und Hannes Mussak; (Foto: Heimatpflegeverband)
 
Dass mit „grünem“ Wachstum, also ausschließlich mit Effizienzsteigerung, erneuerbaren Energien und technologischen Lösungen, die Erderwärmung begrenzt werden kann, schien am Podium niemand recht zu glauben. Vielmehr gehe es darum, als Individuum, aber auch als Gesellschaft Ressourcen einzusparen. „Wir haben das Wachstum zu weit getrieben und wir werden das ganze Thema der Einschränkungen angehen müssen“, so Foppa. Wer fängt damit aber an? Die Hotels, die bäuerlichen Betriebe, die Haushalte, das Handwerk?
 

Bauen und Wohnen

 
Für LVH-Vizepräsident Mussak ist klar, dass jede*r einen Beitrag leisten kann und muss. Dabei seien etwa bei der Energiewende die Beratung und die Vereinfachung der Verfahren wesentlich: „Wir müssen Menschen unterstützen. Wenn sie es tun wollen, sollen sie es tun können. Das gelingt uns nicht immer“, so Mussak. „Es braucht klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine schnellere Abwicklung.“
Diese Aussage bekräftigt die Grüne Landtagsabgeordnete: „Ich erlebe viel Interesse dafür, Verantwortung zu übernehmen, etwa bei Photovoltaik. Diese Lust müsste man nutzen und nicht bremsen. Es ist ein kurzes Zeitfenster, sonst könnte es passieren, dass wir uns an die Katastrophenmeldungen gewöhnen.“  
 
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Arnold Schuler: „Es ist nicht so, dass wir zu wenig Wohnungen in diesem Land hätten. Die Frage ist, wie man an diese Wohnungen in Privatbesitz kommt.“ (Foto: Heimatpflegeverband)
 
Der Änderungsbedarf ist groß, der Großteil der Südtiroler Heizungen wird noch mit fossilen Energieträgern betrieben. Außerdem helfe es wenig, wenn eine Wärmepumpe installiert, aber das Haus nicht energetisch saniert werde, betont Mussak vom LVH. Im Klimaplan des Landes wurde etwas großspurig angekündigt, dass im Jahr 2023 bei Neubauten der Einbau von Ölheizungen untersagt wird. Ob dieser Beschluss noch vor den Landtagswahlen im Oktober gefasst wird, kann sehr in Zweifel gezogen werden.
Weitere am Podium genannte Herausforderungen in Sachen Energiewende sind die Unterstützung einkommensschwacher Haushalte bei Sanierung und Umstellung auf Erneuerbare und der Fachkräftemangel. „Jetzt wollen in kürzester Zeit sehr viele eine Photovoltaik-Anlage installieren“, so Mussak. Um Fachkräfte anzuwerben oder im Land zu behalten, brauche es aber genügend verfügbaren Wohnraum.
Laut Klimaplan soll bis 2040 die Nettoneuversiegelung auf null gesenkt werden. „Diesem Ziel gegenüber bin ich ehrlich gesagt skeptisch. Hier wird der Druck enorm sein, weiter Tätigkeiten zuzulassen. Es bringt auch nichts, ein Bauverbot zu erlassen. Aber man wird hier klare Maßnahmen setzen müssen“, sagt Landesrat Schuler. Gleichzeitig gebe es in Südtirol rund 60.000 Wohnungen mehr als Haushalte.
„Es ist nicht so, dass wir zu wenig Wohnungen in diesem Land hätten. Die Frage ist, wie man an diese Wohnungen in Privatbesitz kommt.“ Die erhöhte Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) habe leider nicht den erhofften Erfolg gebracht. Plaikner vom Heimatpflegeverband plädiert trotzdem dafür, den Leerstand zu nutzen, bevor im Grünen gebaut wird, und die Nutzungsdauer von Gebäuden zu erhöhen.
 
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Brigitte Foppa: „Die Verkehrsexperten sagen seit Jahrzehnten: Je schneller der Verkehrsfluss auf der Straße ist, desto eher werden wir das Auto nehmen.“ (Foto: Heimatpflegeverband)
 

Verkehr und Landwirtschaft

 
Neben dem Gebäudesektor verursacht in Südtirol der Verkehr einen hohen Anteil an Treibhausgasen. Foppa vermisst hier den Willen der Regierungsmehrheit, Straßenbauprojekte wie die im Pustertal aus Klimaschutzgründen abzusagen. „Die Verkehrsexperten sagen seit Jahrzehnten: Je schneller der Verkehrsfluss auf der Straße ist, desto eher werden wir das Auto nehmen.“ Schuler hält dagegen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel vor allem außerhalb der Stoßzeiten noch gering ausgelastet sind, obwohl das Angebot sich in den letzten Jahren verbessert hat.
Auch die Landwirtschaft trägt wesentlich zum Ausstoß von Treibhausgasen bei. Durch die Massentierhaltung stieg die Anzahl des Viehs pro Betrieb auch in Südtirol. Dadurch müssen Futtermittel importiert werden, welche zur Abholzung der Regenwälder beitragen. Schuler kennt die Problematik: „Wenn wir 30 Prozent der Rinder reduzieren, dann ist in Südtirol keine Berglandwirtschaft mehr möglich. Allerdings könnte allein mit der Heumilch 25 Prozent der Rinder reduziert werden.“ Bei der Heumilch passt sich der Fütterungsplan den Jahreszeiten an, es werden vor allem Gras und Heu verfüttert. Bis jetzt sei die Nachfrage für Heumilch aber zu gering, um alle Betriebe umzustellen.
Was bleibt, ist die tickende Uhr. „Wenn wir nicht selbst die Grenzen anerkennen, dann wird sie uns die Natur aufzeigen“, betont Ladinser vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Allerdings helfen radikale Klimaschutzmaßnahmen wenig, wenn sie den bereits fragilen sozialen Zusammenhalt weiter gefährden, bestätigen die Sprecher*innen am Podium. Deshalb sei es nun die Aufgabe der Politik, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammenzubringen.
 
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Josef Fulterer Fr., 09.06.2023 - 08:02

Antwort auf von Josef Fulterer

Statt vor Allem auch die Bergbauern mit seinen Beiträgen, in das Hamsterrad "von immer + Alles noch schneller" zu treiben, könnte der Schuler ähnlich wie in den umliegenden Provinzen + in Nordtirol, "das v e r f ü g b a r e G e l d" den Bauern-Familien zuwenden, die ihre Höfe Klima-gerecht bewirtschaften und ganz zufrieden + glücklich auf ihren Höfen leben.

Fr., 09.06.2023 - 08:02 Permalink