Umwelt | Aktionskunst

Kann Müll auch Kunst?

Aktionskünstler Matthias Prieth mischt Merans Straßen auf. Sein neues Projekt: Ein 2 Meter großes Fragezeichen aus illegalem Müll. „Ich will die Menschen wachrütteln“.
Matthias Prieth
Foto: Privat

Es gibt viele Arten, unseren Planeten sauber zu halten und Umweltschutz zu betreiben. Manch einer folgt dem Plogging-Trend und sammelt beim Joggen Müll von der Straße. Der andere hingegen, zweckentfremdet den Umweltschädling zu einem Kunstobjekt: „Ich möchte aus hässlichem Müll ein schönes Kunstwerk machen und damit ein Mahnmal setzen,“ erklärt der Aktionskünstler und Naturliebhaber Matthias Prieth aus dem Bergdorf Vernuer der Gemeinde Riffian. Mit dem Fahrrad unterwegs von seinem zuhause Richtung Meran, stach dem 30-jährigen Familienvater die horrende Menge an Müll am Wegesrand wie ein Dorn ins Auge. Bei seinen Recherchen erfuhr Prieth: Jeder Mensch verbraucht im Jahr 500kg Müll. „Das ist extrem viel, und viel davon liegt in unserer schönen Natur“, trauert der Künstler. Bei einem Gespräch mit der Meraner Stadträtin für Umwelt und Ökologie Madeleine Rohrer stellten die beiden fest: In der Presse ist nur mehr von Wirtschaft die Rede. 

Kurzum entschloss Prieth, dieses Problem anzugehen: „Ich möchte die Thematik Umweltschutz und wie wir mit der Natur umgehen, wieder in den öffentlichen Raum zurückbringen.“ Dafür hat sich der Künstler eine besonders auffällige Straßenaktion überlegt: Ein 2 Meter großes Fragezeichen aus Müll soll in Meran entstehen, das gleichzeitig als Mülleimer benutzt werden kann. Das Kunstwerkt soll provozieren, und wachrütteln, damit die Leute verstehen, wieviel Müll auf den Straßen herumliegt: „Es geht mir darum, den unsichtbaren Müll sichtbar zu machen“, erklärt Prieth. „Über Diskussionen zum Thema würde ich mich unglaublich freuen“. Denn, nur, wenn das Thema Aufmerksamkeit erhält, und Debatten anstößt, kann sich was ändern.

Ich möchte aus hässlichem Müll ein schönes Kunstwerk machen und damit ein Mahnmal setzen: Wem gehört der Müll? Und wer ist dafür verantwortlich?

Die Materialen für das Kunstwerk, sprich- den Müll, sammelt Prieth auf dem Weg vom Bergdorf Vernuer nach Meran. Was er zum Zeitpunkt, als seine Idee entstand, noch nicht wusste: Sein Projekt ist eigentlich völlig illegal. Denn der Müll aus Vernuer ist Teil der Gemeinde Riffian, und darf nicht einfach in die Gemeinde Meran „importiert“ werden. „Ich mache es trotzdem“, sagt Prieth bestimmt. Aus dieser Illegalität ergab sich auch die Problematik, die das Riesenfragezeichen ausdrücken soll: „Wem gehört der Müll? Und wer ist für den Müll verantwortlich?“. 

Damit das Kunstprojekt und „Mahnmal“ entstehen kann, hat Prieth einen Spendenaufruf gestartet. Gesammelt wurden bisher 218 Euro, doch bis zum 24. Juli müssen 3.000 Euro zusammenkommen, um die Kosten für „die Besetzung öffentlichen Grundes“, sowie zusätzliche Materialien und den Lohn für den Künstler und seine Familie zu decken. Finden sich genug Spender mit Herz für die Umwelt, will Prieth sofort mit der Reinigung des Weges beginnen und mit dem gesammelten Müll bis zum 25. September das Mahnfragezeichen realisieren. Ein weiteres Extra der Müllaktion: Der junge Künstler verpflichtet sich während der gesamten Projektzeit ausschließlich mit dem Fahrrad zu fahren, und vollständig auf Verbrennungsmotoren zu verzichten. „Ich werde also täglich 14km und 775 Höhenmeter mit meinem selbstgebauten und recycelten Cargo Bike zurücklegen“.

Spendenaufruf: Für sein Kunstobjekt mit gesammeltem Müll von der Straße braucht Aktionskünstler Matthias Prieth 3.000 Euro bis zum 24. Juli (von Matthias Prieth)

 

Inkonsequenz kann man dem Künstler und Umweltaktivisten sicherlich nicht vorwerfen. Das Thema Müll und Umweltschutz waren für Prieth, der viel mit Landwirtschaft zu tun hatte, immer schon wichtig: „Ich sehe, was der Müll auch in der Landwirtschaft anrichtet“, beklagt er. Es liege zum Beispiel so viel Eisen auf unseren Weiden, dass es mittlerweile gängige Praxis sei, Magnete in Kuhmägen einzuführen, um dieses Eisen, das bei der Nahrungsaufnahme in den Verdauungstrakt gelingt, zu binden, und somit den Tod der Kuh zu verhindern. „Leider gehen wir immer noch zu leichtsinnig mit Müll um,“ so der Künstler. 

Mein Projekt ist eigentlich illegal, denn ich darf den Müll nicht einfach nach Meran importieren. Ich mache des tortzdem! Mit Aktionskunst kann man politisch etwas bewegen

Aus diesem Grund will Prieth auch in Zukunft mit seinen politischen Überzeugungen auf die Straße gehen und plant bereits weitere Kunstaktionen, mit denen er Menschen auf Umweltthemen aufmerksam machen kann. Dabei fehlt es nie an Wortwitz: „Demnächst möchte ich gerne ein Tier auf ein Haus stellen und dann vor der Haustüre kehren“. Eine Aufforderung, den eigenen Umgang mit Tieren kritisch zu reflektieren? Tierwohl ist sicherlich auch ein Thema, das den Künstler beschäftigt. Zu seiner eigenen Familie gehören vier Hühner, eines davon ist Frida. Sie wurde auch als Star des Films zu Prieths Müll-projekt auserwählt: „Das Huhn ist das meistgenutzte Nutztier. Und somit auch das meistgequälte“, so Prieth. „Ich möchte deshalb den Leuten nahelegen, sich Hühner als Haustiere anzulegen. Das kostet wenig, man kriegt frische Eier, und man tut was Gutes.“ Die männlichen Artsgenossen hätten es als Haus- statt als Nutztiere auch leichter.

Doch nicht nur als Künstler, auch als Politiker möchte Matthias Prieth den Planeten umweltfreundlicher gestalten, und kandidiert für die Grünen bei der kommenden Gemeinderatswahl in Meran. Überhaupt ist Prieth vielfältig unterwegs und bezeichnet sich als „Mann der 1000 Sachen“. Neben seinem Beruf als freischaffender Künstler, schreibt Prieth Lieder und ist Teil der Band KrempelZ. Daneben arbeitet der Familienvater als Sozialarbeiter und hat kürzlich seinen eigenen Betreib gegründet, bei dem Künstler und Handwerker gemeinsam für Innenarchitekten Objekte anfertigen.

Die Kunst auf der Straße möchte er dabei aber nicht aus den Augen verlieren, denn in ihr hat er kürzlich großes Potential entdeckt: „Ich habe gemerkt, mit Aktionskunst kann man politisch etwas bewegen.“ Das ist Priet wichtig. Und in seinem Künstlerherz schlummern bereits weitere Ideen für eine politische Aktion mit Sprachspiel: „Ich plane, mich mit Herd und Gasflamme auf den Platz zu stellen und den ganzen Tag meine eigene Suppe zu kochen“. Oder, eine weitere Idee: „Ich will noch mehr Projekte zum Thema Müll durchführen. Ich denke da an eine vier Quadratmeter große Eisen-Weltkugel, die ich selbst schweißen und dann mit Müll füllen werde.“ Merans Straßen will der Künstler somit nicht so schnell ruhen lassen, die Menschen sollen ruhig mit kritischem Nachdenken konfrontiert werden, und jenen Themen ausgesetzt, die zwar unangenehm, dafür umso wichtiger sind.