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Inklusiv, konkret und zugänglich

Mit vielschichtigen Aktionen kämpft AD-In länderübergreifend für einen breiteren Zugang zu sozial- und ökologisch nachhaltiger sowie gesunder Ernährung.
AD-In
Foto: Ad-In

Ungesund. Umweltschädlich. Asozial. Von Armut betroffene Personen dafür zu verurteilen, sich nicht gesund oder nachhaltig zu ernähren, ist einfach, aber weder korrekt noch fair. Alimentation Durable Inclusive (AD-In), ein Interreg Projekt an der belgisch-französischen Grenze, versucht, gesunde und nachhaltige Ernährung auch für von Armut betroffene Personen zugänglich zu machen.

Dabei gehen die Projektleiterinnen vor allem auf den wirtschaftlichen Faktor der gesunden und nachhaltigen Ernährung ein: “Viele wissen genau, was gut für ihren Körper ist. Was fehlt, ist der Zugang zu Produkten und Kochmöglichkeiten”, so die zuständige Direktorin des belgischen Observatorie de la Santè Helen Barthe-Batsalle. “Wir wollen niemanden darin unterrichten, sich gesund zu ernähren. Es geht darum, konkrete Möglichkeiten für eine gesunde Ernährung zu schaffen.”

 

Gemeinsame Kochateliers

 

Um den Zugang zu gesunder, nachhaltiger und fairer Ernährung zu ermöglichen, setzt AD-In auf verschiedenen Levels an. Einmal die Arbeit mit den von finanzieller und sozialer Unsicherheit betroffenen Personen: Im Zeitraum zwischen 2019 und 2020, der offiziellen Laufzeit des Projekts, organisierte Ad-In Kochateliers in Wallonien und Flanderns sowie in den französischen Grenzgebieten. Dabei kochten die betroffenen Personen gemeinsam mit den Mitarbeitern des Projekts einfache gesunde Gerichte, die mit wenigen günstigen Zutaten und einem nicht allzugroßen Zeitaufwand realisierbar sind und lernten je nach Möglichkeit einige Produkte selbst anzubauen. “Die Menschen, die mitgemacht haben, waren begeistert”, so die Koordinatoren des Projekts Sophie Pierard”. “Vor allem der soziale Aspekt des gemeinsamen Kochens und Arbeitens war schön und wichtig. Zu sagen, dass diese Ateliers das Leben der Menschen tatsächlich nachhaltig verändert haben, würde ich mich nicht trauen. Dafür sind grundlegendere soziale Veränderungen notwendig.”

 

Lebenssituationen nachhaltig verändern

 

Diese grundlegenden sozialen Veränderungen versucht AD-In auf politischer Ebene zu erzwingen. “Das Thema der Lebensmittelhilfe muss eins werden mit gesunder und nachhaltiger Ernährung. Das ist vielerorts ohne einen größeren finanziellen Aufwand möglich, erfordert aber ein Umdenken von Politik und freiwilligen Organisationen”, so Barthe-Batsalle. Ad-In versucht also nicht, die gesunde und nachhaltige Ernährung selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern den Zugang dazu zu thematisieren

 

Das Thema ist breit gefächert: “Es geht einerseits um die Produkte, aber auch die Lebenssituation der Personen muss in Betracht gezogen werden. Die Unterkunft zum Beispiel: Einige haben eine winzige Küche, keinen Ofen, ab und zu fallen Wasser oder Gas aus, da die Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlt werden konnten.” Diese Faktoren, so die Projektleiter, bedürfen einer größeren Aufmerksamkeit, um mit den richtigen Investitionen gegensteuern zu können. Ein weiterer Faktor ist die Stadtplanung: “In den Stadtgebieten, in denen von Armut betroffene Personen leben, gibt es kaum Märkte mit frischen Produkten oder andere Möglichkeiten, sich sozial und nachhaltig zu ernähren.” Auch die Essensausgaben tragen ihren Teil dazu bei: “Dort werden oft jene Produkte ausgeschenkt, die von reichen Personen in den Supermärkten verschmäht werden. Das wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Hilfesuchenden aus.”

Neben der direkten Interaktion mit den zuständigen Personen und Ämtern versucht Ad-in die Bevölkerung auch durch eigens angefertigte Materialien zu sensibilisieren: So wurden beispielsweise ein Kochbuch, Materialien für den Schulunterricht und eine Landkarte der nachhaltigen und günstig zugänglichen Shops in der Umgebung von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erarbeitet. Die Informationen und Materialien werden über sogenannte Ambassadoren, Freiwillige aus der Bevölkerung, verbreitet.

 

Interregional und transnational – nicht immer einfach

 

Nicht alles lief wie geplant: Man habe mit dem Projekt nicht genügend Menschen erreichen können. Eine Tatsache, die Pierard vor allem den schwierigen organisatorischen Aspekten des Pilotprojekts zuschreibt: “Es war nicht immer einfach über Regionen und Ländergrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. In Belgien wird vieles auf lokaler Ebene entschieden, in Frankreich sind die Entscheidungsstrukturen zentralisiert. Wegen dieser unterschiedlichen Herangehensweisen war die Koordinierungsarbeit oft langwierig. Dazu kommen die bürokratischen Anforderungen der EU, die ein genaues Monitoring des Projekts verlangt.” Obwohl, wie Barthe-Batsalle selbstkritisch erörtert, zu viel Zeit und Geld auf diesem Weg versandet sei, habe man von diesem Pilotprojekt viel für zukünftige interregionale und transnationale Zusammenarbeiten lernen können. “Wenn auch nur wenige Menschen direkt vom Projekt profitieren konnten, hoffen wir, dass die gewonnenen Erkenntnisse und erarbeiteten Materialien ein Ansporn für andere europäische Regionen sein können”.