Kultur | Kunst

Schnee im Sommer

Wenn es im August schneit, so mag das an Kunstschnee oder an "Maria Schnee" liegen. Auf Schloss Gandegg in Eppan treten beide gemeinsam in Erscheinung. Ein Rundgang.
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Foto: Eau & Gaz

Als „Gandeggister“ bezeichneten sich einst der Schriftsteller Rudolf Pannwitz und seine Frau Helene, in einem Brief an den Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal, vor über 100 Jahren. Das hoch gesteckte Ziel, dieser gemeinsame Idee aus dem Schloss Gandegg in Eppan ein Kraftzentrum für Literaten und Geisteswissenschaftler entstehen lassen, blieb ein Wunschtraum und ging nicht in Erfüllung. Seit einigen Jahren sorgen allerdings zwei in Kunst und Kultur engagierte „Gandeggisterinnen“ für ein Wiederaufleben der alten Idee. Kathrin und Sarah Oberrauch arbeiten mit großem Einsatz, ob für die hauseigene Sammlung, das Künstler*innen- Residenz-Programm Eau & Gaz, oder für diverse Aktivitäten und Veranstaltungen. So auch am 5. August, wenn die „Gandeggsisters“ gemeinsam mit Familie, Nachbarn, Freunden und Freundinnen bei hausgemachten Kirchtagskrapfen und einer hausgemachten Ausstellung die jährliche Patroziniumsfeier Maria Schnee begehen – benannt nach einem Schneewunder, welches sich am 5. August des Jahres 358 in Rom zugetragen haben soll, als mitten im Sommer am Esquilinhügel Schnee gefallen sein soll. Eine coole Geschichte für heiße Tage.


Nach Messe, Krapfen, Wein und Wasser unter schattenspendenden Bäumen geht es abschließend für die Kunst in die kühlen Schlossräume. Hans Oberrauch, der Vater von Kathrin und Sarah, hat sie im Jahr 1991 erworben. Seit diesem Zeitpunkt fing er auch an, intensiver für die Privatsammlung zu kaufen. Das Sammeln von Kunst stellt für ihn bis heute eine treibende Kraft dar, „sich unentwegt zu fragen, wer man ist, was einen bewegt, und welche Empfindungen ausgelöst werden.“
Die Ausstellung der Collection Finstral – sie kann auf Anmeldung besichtigt werden – ist ein Streifzug von den Anfängen der Sammlung bis zu neueren Arbeiten – ein- und angepasst an die alten Räume und Winkel.


Aus gegebenem Anlass gab es auch einen Ausblick auf weitere Veranstaltungen, die demnächst im herrschaftlichen Schlossambiente anstehen: etwa ein Kunst-Workshop für Kinder Ende August, oder eine Schreibwerkstatt (16.-18.09.2022) mit der Eau & Gaz-Residenz-Künstlerin Lauren Fournier. Sie ist Autorin, Kuratorin und Filmemacherin und veröffentlichte 2021 das Buch Autotheory as feminist practice in art, writing, and criticism. Beim Treffen in Gandegg wird gemeinsam gelesen und diskutiert. Ferner ist Fournier auch Teil einer Zusammenarbeit mit dem Festival Transart. Unter dem Titel New Chapter bespielt sie mit Elliot C. MasonNew Noveta with Vindicatrix und Bendik Giske das Schloss Mitte September. Elliot C. Mason wird sein vor kurzem erschienenes Buch The Instagram Archipelago vorstellen, eine essayistische Reise durch das radikale antirassistische und feministische Denken der Black Studies. Im Anschluss spricht er mit Lauren Founier über kritische Theorien und deren Anwendung in Literatur und Kunst. Das Performancekollektiv New Noveta zeigt zusammen mit dem Musiker Vindicatrix eine die Grenzen sozialer Konformität auslotende Performance. Und Saxophonist Bendik Giske spielt im Anschluss ein Konzert, in dem die Körperlichkeit von Musik maximal zum Vorschein kommt. 


Ein Kunstwerk ist auch am segensreichen Tag Maria Schnee in Gandegg nicht zum Vorschein gekommen: es ist ein Wandfresko an den Schlosswänden, welches der tschechische Maler Alfons Mucha in den 1880er Jahren in Gandegg fertigte. Der einst in Gandegg lebende Graf Egon Khuen-Belasy, selbst Amateurmaler, bestellte beim noch jungen Mucha vergleichbare Wandmalereien wie sie dieser bereits bei seinem Bruder Eduard im Schloss Emin zámek (Emmahof) in Mähren geschaffen hatte. In Gandegg schmückte Mucha „die Wände und gotisch gewölbten Decken der großen Säle mit Bildern aus dem mittelalterlichen Ritterleben.“

 

Unter den zahlreichen Gästen, die einst diese frühen Arbeiten des jungen Malers besichtigten, befanden sich auch Kunstprofessoren aus München, die sein Talent erkannten und ihn nach München schickten, wo er mit einer monatlichen finanziellen Unterstützung des Grafen Egon zwei Jahre bleiben konnte. 1887 zog Mucha nach Paris und wurde Plakatkünstler, Grafiker und Illustrator. Und sehr bekannt. Er gilt bis heute als einer der herausragenden Repräsentanten des Jugendstils. Viele seiner Arbeiten werden an großen Häusern des internationalen Kulturbetriebes gezeigt. Muchas Arbeit in Gandegg liegt hingegen im geheimnisvollen Irgendwo, bleibt aber dennoch ein nicht unwichtiger (wenn auch unsichtbarer) Bestandteil der Collection.