Politik | Südtiroler Freiheit

Vorlage für Doppelstaatsbürgerschaft

Die Südtiroler Freiheit bleibt bei der Doppelstaatsbürgerschaft am Gas: Am Mittwoch stellt sie einen Gesetzesentwurf vor, um das Thema konkreter zu machen.
Sven Knoll
Foto: Hannes Prousch

In der Südtiroler Volkspartei sieht man vor allem nach den polemischen Diskussionen der vergangenen Monate keinen Anlass, bei der Doppelten Staatsbürgerschaft aufs Gaspedal zu steigen. Die Südtiroler Freiheit dagegen macht im Wahljahr 2018 Nägel mit Köpfen: Am Mittwoch will die Bewegung einen Gesetzesentwurf zur Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler vorstellen, den „namhafte österreichische Rechtsexperten“ im Auftrag der Landtagsfraktion der Südtiroler Freiheit ausgearbeitet haben, wie es in der Einladung heißt. Sprich: Sven Knoll und seine LandtagskollegInnen liefern den Österreichern eine Vorlage, wie das Vorhaben in der Koalitionsvereinbarung der neuen österreichischen Bundesregierung konkret umgesetzt werden kann. Allerdings nicht in Form eines fertigen Entwurfs, wie Sven Knoll auf Nachfrage präzisiert. Vielmehr gehe es seiner Bewegung darum, mit dem Entwurf auch für Südtirol eine Diskussionsgrundlage zu schaffen, zu der sich alle Parteien äußern können. „Auf dieser Basis könnte dann gemeinsam mit Österreich ein Entwurf ausgearbeitet werden, der in Abstimmung mit den Regierungsparteien im Parlament in Wien eingereicht werden kann“, stellt sich der Fraktionsvorsitzende der Südtiroler Freiheit das Prozedere vor.

Hauptanliegen dieses ersten Wurfs ist es laut Knoll das Anliegen Doppelte Staatsbürgerschaft fassbarer zu machen. „Es gibt so viele offene Fragen und falsche Behauptungen“, sagt er. Indem man nun vorführt, wie eine solche Doppelstaatsbürgerschaft konkret umgesetzt werden könnte, hoffe seine Fraktion die Diskussion von einer „rein parteipolitischen und polemischen auf eine praktische  Ebene“ zu bringen. 

Damit würde er eigentlich auf einer Linie mit SVP-Obmann Philipp Achammer liegen, der erst vergangene Woche die Diskussionskultur und vor allem die Aggression kritisiert hatte, die allen Gegnern einer Doppelten Staatsbürgerschaft entgegengebracht würde. Sven Knoll fühlt sich von einer solchen Kritik in „keinster Weise“ angesprochen, wie er unterstreicht. Sich auf polemische Diskussionen einzulassen, würde nur der Sache schaden, sagt auch er. Abgesehen von Richtigstellung falscher Behauptungen – „wie etwa, wenn der Landeshauptmann behauptet, dass das Übereinkommen zur Vermeidung von Mehrfachstaatsbürgerschaften im Wege steht“ – habe seine Bewegung oder besser er persönlich deshalb Kritik nur im Fall der Äußerungen von Bischof Ivo Muser kommentiert.  „Da war es mir wichtig, den Respekt, den Menschen verdienen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft wollen, auch für jene einzufordern, für die sie wichtig ist.“ 

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Hartmuth Staffler Mo., 08.01.2018 - 13:54

Bisher haben sich sehr viele Menschen zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft zu Wort gemeldet, ohne überhaupt zu wissen, worüber sie reden. Der Gesetzentwurf der STF ist der erste konkrete Text, den man ablehnen ober begrüßen, kritisieren oder ergänzen kann. Damit wird die Diskussion, in der zuletzt der Bischof mit seinen unüberlegten Worten völlig unnötig Öl ins Feuer gegossen hat, auf eine sachliche Ebene gehoben, was den Gegnern natürlich nicht passen wird.

Mo., 08.01.2018 - 13:54 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 08.01.2018 - 16:06

Antwort auf von Manfred Klotz

Es gibt derzeit in Europa mehrere hunderttausend Menschen mit zwei oder drei Staatsbürgerschaften. Allein in Südtirol sind es rund 10.000, davon mehr als 1500 mit dem italienischen und dem österreichischen Pass. Der Papst, der direkte Vorgesetzte des Bischofs, hat drei Staatsbürgerschaften. All das hat nicht einmal ansatzweise zu Spannungen oder Spaltungen geführt. Die vom Bischof an die Wand gemalte Spaltung der Gesellschaft kann gar nicht eintreten, da niemand wissen wird, wer eventuell zu seiner bisherigen Staatsbürgerschaft (oder zu seinen zwei/drei bisherigen Staatsbürgerschaften) noch eine weitere hinzubekommt. Das ist eine rein persönliche, anonyme Entscheidung. Durch unüberlegte Worte wie die des Bischofs werden Spannungen erzeugt. Anstatt mäßigend zu wirken, wie es eigentlich seine Aufgabe wäre, hat der Bischof Ängste geschürt und Unfrieden gestiftet.

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Manfred Klotz Mo., 08.01.2018 - 18:57

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Wenn jemand schürt sind es die rechten Scharfmacher im Land auf beiden Seiten. Genauso wie sie und Sie hoffen, dass es zum österreichischen Pass kommt (was jedem frei steht), hofft der Bischof dass das keine Auswirkungen auf die Gesellschaft hat (eine Hoffnung die wohl auch jeder hegt, außer die Scharfmacher hüben wie drüben). Wo ist das Problem. Ob es in Europa zig Menschen mit mehreren Staatsbürgerschaften gibt, tut hier nichts zur Sache. Sie wissen genau, dass Südtirol ein besonderes Pflaster ist. Zu unterstellen, dass der Bischof - ich unterstreiche ich bin Atheist - Unfrieden gestiftet hätte ist schon ein starkes Stück.

Mo., 08.01.2018 - 18:57 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 08.01.2018 - 23:12

Antwort auf von Manfred Klotz

Es gibt nicht nur in Europa, sondern auch in Südtirol unzählige Menschen mit mehreren Staatsbürgerschaften. Warum sollte das nichts zur Sache tun? Bisher hat das in Südtirol keine Probleme verursacht, die Worte des Bischofs sind also absolut verantwortungslos, weil sie Spannungen hervorrufen, die es nicht geben müsste. Die angeblichen "rechten Scharfmacher" haben nicht geschürt, sondern nur ihren Wunsch nach der doppelten Staatsbürgerschaft ausgedrückt. Geschürt wird von jenen, die ihnen die Staatsbürgerschaft nicht gönnen wollen, und die sogar, wie selbst der Bischof, das Gespenst der Option heraufbeschwören, das mit dem Thema Staatsbürgerschaft überhaupt nichts zu tun hat.

Mo., 08.01.2018 - 23:12 Permalink
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Manfred Klotz Di., 09.01.2018 - 07:42

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Herr Staffler, nehmen Sie die Scheuklappen ab! Es geht nicht darum, ob es - sollte es so weit kommen - eine individuelle Entscheidung des Einzelnen ist um den Pass anzusuchen. Es geht darum, dass nach den bisherigen Aussagen bspw. eines Neubauer, ein Teil der Südtiroler Bevölkerung von dieser Möglichkeit ausgeschlossen werden soll. Persönlich habe ich nichts gegen die Möglichkeit um den Pass anzusuchen, aber es steht eben wahrscheinlich nicht JEDEM frei das zu tun. Das könnte zu Spannungen führen. Aber es ist schon krass, dass die sonst so gottesfürchtigen Patrioten im Land der Kirche als Institution den Mund verbieten wollen, weil sie nicht in ihr Horn bläst. Demokratische Bildung null lieber Herr Staffler.

Di., 09.01.2018 - 07:42 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 09.01.2018 - 10:15

Antwort auf von Manfred Klotz

Überall in der Welt wird eine Staatsbürgerschaft nur an jene Menschen verliehen, die ein Anrecht darauf haben, und das sind im Falle Südtirol jene, deren Vorfahren österreichische Staatsbürger waren und denen die Staatsbürgerschaft gegen ihren Willen genommen wurde. Die Sprache sollte in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle spielen. Naturgemäß werden Deutsch- und Ladinischsprachige in der Mehrheit sein, aber italienischsprachige Tiroler, deren Vorfahren österreichische Staatsbürger waren, müssen natürlich das gleiche Recht haben. Ausschlaggebend ist hier nicht eine Meinung des Abg. Neubauer, sondern das Gesetz, dessen Formulierung noch nicht bekannt ist.

Di., 09.01.2018 - 10:15 Permalink
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Manfred Klotz Di., 09.01.2018 - 16:00

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Er hatte den Pass bekanntlich den Südtirolern deutscher und ladinischer Muttersprache in Aussicht gestellt, also ist seine eine rein sprachliche Logik... das ist eines der Probleme bei der eventuellen Umsetzung. Setzt man jedoch auf den territorialen Ansatz ist das wahrscheinlich der Grund weshalb das Unterfangen letztlich scheitern wird. Österreich riskiert nämlich eine virtuelle Völkerwanderung loszutreten. Meine Meinung wohlgemerkt.

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Benno Kusstatscher Di., 09.01.2018 - 19:03

Antwort auf von Benno Kusstatscher

@Klotz: nicht nur ein Problem bei der Umsetzung, sondern auch ein springender Punkt der Konsistenz und somit Akzeptanz

@Meno: ich doch nicht :-)

@Staffler: danke, das ist wenigstens einmal ein Ansatz, auch wenn es wie ein mit Gewalt unter den Fingernägeln gesuchtes Argument klingt, aus den Monaten der Nachkriegswirren so etwas basteln zu wollen (mir persönlich zuwider). Neubauer hat eine Schlüsselrolle in der jetzigen Regierungspartei und wird ja auch von Südtiroler Seite hofiert. Es ist uns wohl beiden nicht entgangen, dass von den Südtiroler Doppelpass-Akteuren das Trentino nicht mit ins Boot geholt wird und gerade bei der STF nicht jeder Welschtiroler Bindungen hat. Der Bischof hat wohl wie ich Knolls Tirolverständnis wie in der Eckartschrift 194 verewigt im Hinterkopf. (Das zwar dementiert wurde, aber bis heute immer wieder durchklingt)

Di., 09.01.2018 - 19:03 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 09.01.2018 - 21:41

Antwort auf von Benno Kusstatscher

@ Benno Kusstatscher: Historische Fakten sind nicht mit Gewalt unter den Fingernägeln gesucht, sondern sie sind wie sie sind, ob sie einem passen oder nicht. Ich weiß nicht, wer hier mit den "Südtiroler Doppelpass-Akteuren" gemeint ist. Von den 22.500 Unterschriften, die die STF für den Doppelpass gesammelt hat, stammen jedenfalls 2500 aus Welschtirol; derzeit läuft dort erneut eine eigenständige Unterschriftenaktion, ebenso in Triest. Südtirol kann den Welschtirolern nichts vorschreiben. Sie müssen, wenn sie etwas wollen, sich schon selbst melden, wobei man ihnen dann gerne helfen wird.

Di., 09.01.2018 - 21:41 Permalink
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Ludwig Thoma Mo., 08.01.2018 - 19:22

Mir würde es schon reichen, wenn sich 95% der Südtiroler, die ja laut Neubauer den Pass wollen, sich an Regeln wie z.B. den Zebrastreifen halten würden, wie das in Österreich so üblich ist.

Mo., 08.01.2018 - 19:22 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 08.01.2018 - 23:17

Antwort auf von Ludwig Thoma

Den österreichischen Pass zu beantragen, ist eine persönliche Entscheidung. Das kann jeder handhaben, wie er will, und niemand muss es wissen. Am Zebrastreifen anzuhalten, ist keine persönliche Entscheidung, sondern eine Pflicht, an die sich, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, alle Autofahrer zu halten haben. 95 Prozent reichen mir nicht.

Mo., 08.01.2018 - 23:17 Permalink
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Ludwig Thoma Di., 09.01.2018 - 17:52

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Ich meinte halt, wenn man schon gern (anscheinend zu 95%) Österreicher wäre, sollte man sich entsprechend aufführen. Es gibt schon starke Unterschiede an Zebrastreifen südlich vom Brenner und östlich von Taufers i.M. zum Rest des dt. Sprachraumes, finden Sie nicht?
Ist das am Ende die schleichende Italianisierung?

Di., 09.01.2018 - 17:52 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 09.01.2018 - 16:34

Ich verstehe nicht, warum man sich hier auf eine Aussage des Abgeordneten Neubauer einschießt, die ja nur eine unter vielen ist. Wer den Doppelpass bekommt, wird von den Kriterien abhängen, die noch nicht bekannt sind, so dass alle Diskussionen in der Luft hängen. Am sinnvollsten erscheint mir das historische Kriterium, und da sind die Welschtiroler leider (je nach Interpretation) ausgeschlossen (oder auch nicht). Österreich hat nach dem Waffenstillstand vom 3./4. November 1918 auf alle nicht deutschsprachigen Gebiete, und damit auch auf Welschtirol, verzichtet. Das heutige Südtirol ist hingegen Teil der neuen Republik Österreich geworden, zwar militärisch von Italien besetzt (wie ja auch Teile Nordtirols), aber de jure Österreich. Südtirol war im ersten österreichischen Nachkriegsparlament ja auch noch durch mehrere Abgeordnete vertreten, was nur wegen der Zugehörigkeit zur Republik möglich war. Erst mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages von St. Germain (10. September 1919) hat Österreich auch auf Südtirol bis zum Brenner verzichten müssen. Die Abschiedsrede unseres Abgeordneten Eduard Reuth Nicolussi im September 1919 im Nationalrat in Wien hat enormes Aufsehen erregt und Emotionen geweckt. Erst am 10. Oktober 1920 hat das italienische Parlament gegen die Stimmen der damaligen Sozialisten, denen Dank für ihre Haltung gebührt, die Annexion Südtirols beschlossen, wodurch wir - abhängig vom Gutdünken der Italiener - die italienische Staatsbürgerschaft erlangen konnten. Es wäre daher nach dem historischen Kriterium logisch, dass alle Nachfahren der Bürger der Republik Österreich um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchen können. Ein anderes, ebenfalls historisches Kriterium leitet sich aus dem Gruber-Degasperi-Abkommen ab, das bis heute von Österreich und Italien vollkommen unterschiedlich interpretiert wird. Laut Österreich ist es ein Schutz für die deutschsprachigen und die (allerdings von Degasperi verachteten und daher im Abkommen nicht erwähnten) Ladiner Südtirols, laut italienischer Interpretation - ausgedrückt sowohl im ersten als auch im zweiten Autonomiestatut - ist es eine territoriale Autonomie für Süd- und Welschtirol. Österreich könnte also ohne weiteres die Möglichkeit der zweiten Staatsbürgerschaft auch auf ganz Welschtirol ausdehnen, da dies der italienischen Interpretation des Gruber-Degasperi-Abkommens entsprechen würde. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, über die man sachlich diskutieren kann, ohne - wie es der Bischof getan hat - gleich den Teufel an die Wand zu malen.

Di., 09.01.2018 - 16:34 Permalink
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Martin B. Di., 09.01.2018 - 20:50

Antwort auf von Hartmuth Staffler

@Staffler: in diesem Sinne finde ich die STF-Initiative sinnvoll das genau und mit historischen Quellen die verschiedenen Ansätze aufgearbeitet werden.
Bis jetzt gibt es neben unzähligen unklar argumentierten Argumenten der Gegner vor allem:
a) Variante Nachkommen von Altösterreichern 1918-1919 = Ahnenpass (Arierabstammung oder was? Lächerlich da auch in den letzten Jahrzehnten oft und üblich von der "österreichischen Minderheit" die Rede war)
b) Variante Deutsche und Ladiner = ungerecht/teilend; wobei ich die Empörung bei den Welschtirolern verstehen kann.
Diese zwei Varianten (und weitere?) sollten also noch besser ausgearbeitet werden.

Di., 09.01.2018 - 20:50 Permalink