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Bücherjanuar

Der erste Monat im neuen Lesejahr bringt rauschhafte Erzählungen, fesselnde Romane und eine preisgekrönte Chronik, die aktueller nicht sein könnte.
Cover
Foto: Alte Mühle Meran

1. Die Erfindung der Wirklichkeit

Autor: Baret Magarian
Verlag: Folio 

Eine surreale Gesellschaftssatire auf Allmachtsfantasien und die Absurdität der gegenwärtigen Medienwelt. Inmitten einer Schaffenskrise kommt dem Londoner Schriftsteller Daniel Bloch die zündende Idee: Warum nicht eine Geschichte über seinen Freund Oscar Babel erfinden? Das leere Leben des notorischen Langweilers mit Fiktion füllen? Doch während Bloch sich zum Schöpfer aufschwingt, entwickeln die Geister, die er rief, ein unheimliches Eigenleben. Was er schreibt, wird allmählich Wirklichkeit! So gerät Oscar in die Fänge des teuflischen Spindoktors Ryan Rees und ins Zentrum eines entfesselten Medienhypes, der immer bedrohlichere Ausmaße annimmt. Ruhm, Identität, Wirklichkeit: alles lässt sich medial fabrizieren. Baret Magarian entführt uns in eine fantastische Welt, in der Kunst und Künstlichkeit, Liebe und Wahnsinn, das Reale und das Erfundene einen rauschhaften Sog entfalten - eine Welt, die längst unsere eigene ist.

2. Porträt einer Ehe

Autorin: Maggie O’Farrell
Verlag: Piper

Florenz, 1557: Lucrezia de' Medici ist gerade einmal zwölf Jahre alt, als ihr Vater sie per Brief mit Alfonso II. d'Este verlobt. Eigentlich war ihre ältere Schwester Maria dem Herzog von Ferrara versprochen, doch als diese überraschend verstirbt, tritt Lucrezia an ihre Stelle. Und wider Erwarten eröffnet sich der jungen Herzogin in Ferrara eine neue Welt: Plötzlich darf sie, die ihrer Familie immer als zu eigensinnig, zu störrisch und sensibel galt, selbst entscheiden, ob sie durch die Gärten flanieren oder sich ihrer geliebten Staffelei zuwenden will. Diese Freiheit aber ist an eine Bedingung geknüpft: Alfonso erwartet von ihr einen Sohn. Als dieser auf sich warten lässt, lernt Lucrezia seine dunkle, bedrohliche Seite kennen.

 

 

3. Das Leuchten der Rentiere

Autorin: Ann-Helén Laestadius
Verlag: Hoffmann und Campe Verlag

Die unvergessliche Geschichte eines Sámi-Mädchens, das in einer im Verschwinden begriffenen Welt für seinen Platz im Leben kämpft. Ein Roman, so fesselnd und bezaubernd wie die schneebedeckte Weite, in der er spielt. Die Sámi Elsa ist neun Jahre alt, als sie allein Zeugin des Mordes an ihrem Rentierkalb wird. Der Täter zwingt sie, zu schweigen. Sie kann nichts tun und fühlt sich doch schuldig, gegenüber ihrer Familie und allen, die ihr nah sind, denn wieder einmal sieht die Polizei keinerlei Anlass, in einem Verbrechen zu ermitteln. Elsas Rentier gilt schlicht als "gestohlen". Als die Bedrohung der Sámi und ihrer Herden dramatisch zunehmen und auch Elsa selbst ins Visier des Haupttäters gerät, findet sie endlich die Kraft, sich ihrer lange unterdrückten Schuld, Angst und Wut zu stellen. Aber wird sie etwas ausrichten können gegen die Gleichgültigkeit der Behörden und die Brutalität der Täter?

4. Himmel über Charkiw

Nachrichten vom Überleben im Krieg
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022

Autor: Serhij Zhadan
Verlag: Suhrkamp

Für ein Tagebuch fehlt ihm die Zeit. Serhij Zhadan ist Tag und Nacht im beschossenen Charkiw unterwegs - er evakuiert Kinder und alte Leute aus den Vororten, verteilt Lebensmittel, koordiniert Lieferungen an das Militär und gibt Konzerte. Die Posts in den sozialen Netzwerken dokumentieren seine Wege durch die Stadt und sprechen den Charkiwern Mut zu, unermüdlich, Tag für Tag. Die Stadt leert sich. Freunde kommen um. Der Tod ist allgegenwärtig, der Hass wächst. Als die Bilder von Butscha um die Welt gehen, versagt auch Zhadan die Stimme. »Es gibt keine Worte. Einfach keine. Haltet durch, Freunde. Jetzt gibt es nur noch Widerstand, Kampf und gegenseitige Unterstützung.« Das Buch ist eine Chronik der laufenden Ereignisse, das Zeugnis eines Menschen, der während des Schreibens in eine neue Realität eintritt und sich der Vernichtung von allem entgegenstemmt. Kein einsamer Beobachter, sondern ein aktiver Zivilist in einer Gesellschaft, die in den letzten acht Jahren gelernt hat, was es bedeutet, gemeinsam stark zu sein.

5. Die Unterwerfung

Autor: Philipp Blom
Verlag: Hanser

»Macht euch die Erde untertan«: Vor rund 3000 Jahren legte der Autor der Genesis seinem Schöpfer diesen Satz in den Mund. Damit war die Idee geboren, dass der Mensch eine Sonderstellung auf der Erde einnimmt und deren Ressourcen rücksichtslos ausbeuten darf. Sie war so stark, dass sie sich über den ganzen Planeten verbreitete. Wer sich ihr widersetzte, bekam es mit Kolonisatoren und Geschäftemachern zu tun, die sich auf angeblich höhere Werte beriefen. In seiner Universalgeschichte der Umwelt erzählt Philipp Blom die Geschichte der Unterwerfung der Natur, deren Konsequenzen die Menschheit heute an den Rand des Abgrunds führt. Nur wenn sie sich von dem Wahn befreit, über der Natur zu stehen, bleibt ihr die Chance, zu überleben.