Politik | Bozen 2016

Baur und Königsmacher

Medienscheu und auf richtige Wortwahl bedacht: Christoph Baur hatte heute seinen ersten offiziellen Auftritt als Bozner SVP-Bürgermeisterkandidat.

Christoph Baur im Blitzlichtgewitter: Seinen ersten offiziellen Auftritt als Bürgermeister-Kandidat der SVP Bozen am Parteisitz beginnt der 65-jährige Anwalt mit sekundenlangem Schweigen, gefolgt von einem Eröffnungsstatement, das eher nach einem Schlusswort klingt: „Ich habe in den vergangenen Tagen schon viel geredet und habe dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen“, erklärt der Polit-Neuling. Dann schaut er in die Journalistenrunde: „Haben Sie noch Fragen?“

„Ideologisches Gesäusel“

Auf den ersten Blick wortkarg und schüchtern, kommt der stille Verwaltungsrechtler im dunklen Anzug langsam in Fahrt, als die ersten Fragen gestellt werden. Seinen politischen Ansatz beschreibt er so, wie man es von anderen Polit-Neulingen vor ihm schon gehört hat: Aus seinen Worten hört man den Willen heraus, das an der Stadt zu ändern, was ihn schon lange als einfachen Bürger stört. „Bozen ist so ideologisiert und im schlechten Sinne politisiert, dass man es verlernt hat, miteinander zu reden.“ Ihm gehe es um sachliche Diskussion und um eine „neue Gesprächskultur“. „Ich will“, sagt er und wählt die Worte bedächtig, „die Substanz hinter dem markigen Spruch und dem ideologischen Gesäusel zum Vorschein bringen“.

Benko und Flughafen

Zu den ersten Fragen, die Baur gestellt werden, gehören jene nach seiner Haltung zum Kaufhaus-Bozen-Projekt von René Benko und zum Ausbau des Bozner Flughafens. Auch hier braucht es einen längeren Anlauf, bis man versteht, was er Bürgermeister-Kandidat wirklich denkt. Zunächst wehrt er ab: „Das sind natürlich wichtige Fragen, aber meine Meinung ist genauso viel wert wie Ihre“, sagt er zu den Journalisten. Dann kommt er doch auf das umstrittene Benko-Projekt zu sprechen. „Die Sache interessiert mich nicht besonders. Bisher hatte ich weder die Zeit noch die Lust, mich damit eingehend zu befassen.“ Und wieder wägt Baur seine Worte sorgfältig ab: „Deshalb habe ich mir auch erst eine Meinung bilden können und kein Urteil.“ Nach der langen Vorrede platzt es schlussendlich doch aus ihm heraus: „Auch ich habe ein Bauchgefühl – so wie jeder von uns. Und das sagt mir: Wenn bei der Bürgerbefragung die Nein-Stimmen überwiegen, dann hat Bozen ein wundervolles Areal zur Verfügung, das die Stadt in Eigenregie gestalten kann.“ Denn dies sei bisher nicht geschehen. Das Kaufhaus-Bozen-Projekt sei ein privates Vorhaben, das privaten Vorstellungen entspreche. Dann wird Baur wieder zum reservierten Mittsechziger, dem voreilige Urteile ein Gräuel sind: „Aber ich sage es noch einmal: ich weiß ganz wenig über dieses Projekt.“

Strahlender Stadtobmann

Ganz der Königsmacher, strahlt Dieter Steger bei der Pressekonferenz über das ganze Gesicht und schaut siegesgewiss in die Kameras, was das zurückhaltende Wesen seines Kandidaten noch deutlicher macht.

Beschreibung

Dieter Steger und Christoph Baur

Copyright

„Christoph Baur ist unser Wunschkandidat: Er ist nicht nur unangreifbar, sondern auch bekannt für seine Korrektheit und Verlässlichkeit und zudem eine unabhängige Persönlichkeit“, erklärt der SVP-Stadtobmann händereibend und unterstreicht einmal mehr, dass Baur „der Bürgermeister-Kandidat der SVP ist und nicht deren Spitzenkandidat“. Will heißen: Die Volkspartei stellt in Bozen Ansprüche auf den Bürgermeistersessel. Im nächsten Atemzug kommt Steger allerdings wieder auf dem Boden der Realität an: Es sei „nicht sehr wahrscheinlich, dass Christoph Baur Bürgermeister wird“, räumt der Bozner SVP-Chef ein. Als die Sprache dann auf mögliche Regierungspartner im Bozner Rathaus kommt, sagt Baur auf die Frage, mit wem er gerne regieren würde, lapidar: „Mit einer regierungsfähigen Mehrheit.“ Und Steger ergänzt beflissen: „Radikale Positionen kommen für uns aber nicht in Frage.“ Wäre unter dieser Prämisse die Lega als Koalitionspartner akzeptabel? Baur zuckt mit den Achseln, atmet einmal durch: „Manche Positionen der Lega machen mich unglücklich, aber die Probleme, die sie anspricht, müssen wir angehen.“

Landeshauptstadt Bozen

Auf die Frage der Journalisten, warum ein italienischsprachiger Bozner Christoph Baur wählen sollte, erklärt der Kandidat: „Unser Programm, das wir erst noch im Detail ausarbeiten müssen, wendet sich an alle Bozner Stadtviertel und an alle Bürger dieser Stadt.“ Es wäre ein Zeichen von „politischer Reife“, würden sich auch italienischsprachige Bozner dazu durchringen können, einem deutschen Kandidaten ihr Vertrauen zu schenken. In jedem Fall sei es an der Zeit, dass Bozen seiner Rolle als Landeshauptstadt voll und ganz gerecht werde, und davon sei auch die Landesregierung zu überzeugen.

Die Jungen in der zweiten Reihe

Beschreibung

Hannes Unterhofer und Sebastian Seehauser

Beim Auftritt des frischgebackenen Bürgermeister-Kandidaten steht der Parteinachwuchs in der SVP-Zentrale Spalier: Sebastian Seehauser und Hannes Unterhofer, beide selber bis vor wenigen Wochen als Bürgermeister-Kandidaten im Gespräch, werden es nicht müde, ihre Unterstützung für Baur zu bekunden. „Das ist für uns eine Super-Lösung“, schwärmt der 27-jährige Seehauser. „Baur bringt Erfahrung mit, entspricht unserer Forderung nach neuen Gesichtern in der Politik und ist offen für die Zusammenarbeit mit der Jugend.“ Auf die Frage, ob er und der nur um einige Jahre ältere Hannes Unterhofer denn nicht allzu schnell ihre Ambitionen der Parteiräson hintagestellt haben, meint er: „Dass die Partei den mutigen Schritt zu einem jungen Kandidaten nicht vollzogen hat, ist natürlich bedauerlich.“

Und noch ein Interview

Als Baur bereits vor Beginn der Pressekonferenz von mehreren Fernsehteams vor die Kamera gerufen und dutzendfach fotografiert wird, schaut er drein ein wie einer, dem erst in diesem Augenblick bewusst wird, worauf er sich eingelassen hat. Die Aufmerksamkeit ist ihm sichtlich unangenehm, doch fügt er sich in die ihm zugedachte Rolle und gibt Auskunft über Geburtsort (Bruneck), Studium (Rechtswissenschaften in Modena), Familie (verheiratet, zwei Söhne). Parteipolitisch ist Baur ein unbeschriebenes Blatt. In seiner Jugend war er mit Alexander Langer befreundet, „seit zwei oder drei Tagen“ ist er offiziell SVP-Mitglied. Steger beeilt sich, Edelsweiß-affine Details in den Lebenslauf einzustreuen: „Baurs Vater Hans war Mitbegründer der Volkspartei im Pustertal“, betont er. Dann brechen die ersten Journalisten in Richtung Redaktionen auf, und langsam leert sich de Saal. In einer Ecke bleibt ein Grüppchen TV- und Video-Reporter zurück, die bisher nicht zum Zug gekommen sind. Sie halten Baur ihr Mikrophon vor die Nase. Der Kandidat, der dachte, er hätte die Feuertaufe hinter sich gebracht, schaut ungläubig in die Runde: „Noch ein Interview?“