Gesellschaft | Minderheiten

“Ihr Südtiroler gebt Hoffnung”

Vielstimmiger Appell für “Minority Safepack”: Minderheitenschutz soll nicht mehr nur Angelegenheit von Nationalstaaten sein, sondern ein Thema in und für Europa.
Minority Safepack
Foto: Salto.bz

Dass auf Ladinisch, Deutsch, Italienisch und Englisch gesprochen wird, lässt erahnen, welchen Geistes die Veranstaltung ist, die am Donnerstag Mittag im Garten der EURAC stattfindet. Es geht um Sprache, um Kultur, um Identität – und Europa. “United in diversity” lautet das Motto der Europäischen Union. Diese “Einheit in Vielfalt” soll auch in der Initiative “Minority Safepack” zum Ausdruck gebracht werden. 69 Personen umfasst das Promotorenkomitee, das in den kommenden Wochen kräftig die Werbetrommel dafür rühren wird.

 

Nach dem Schock erst recht

Die Vorgeschichte ist bekannt. 2012 lanciert die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV, besser bekannt als FUEN, “Federal Union of European Nationalities”) eine neue Initiative, um Minderheitenrechte in der EU nicht nur auf nationalstaatlicher, sondern auf europäischer Ebene zu verankern. Die Europäische Kommission winkt ab, befindet, das Thema falle nicht in ihre Zuständigkeit. “Wir sind heute noch schockiert von der Antwort der Kommission”, gesteht Daniel Alfreider. Er ist derzeit Vizepräsident der FUEN. Seine Vorgängerin Martha Stocker war maßgeblich an der ersten Initiative beteiligt.

Die Sache wird vor den Europäischen Gerichtshof gebracht. Dieser urteilt: Die Initiative ist zulässig. Um sie erneut auf die Tagesordnung der Europäischen Kommission zu bringen, wird 2017 eine Unterschriftenaktion gestartet. Das Ziel von “Minority Safepack”: eine Million Unterschriften. Die müssen bis 3. April 2018 gesammelt werden. Damit die Initiative erfolgreich in Brüssel vorgebracht werden kann, muss in mindestens sieben EU-Ländern ein Quorum erreicht werden. In Italien sind das 55.000 Unterschriften. “Derzeit sind wir bei armseligen 15.000”, berichtet Alfreider.

Im Herbst 2017 beschließt der Südtiroler Landtag mit großer Mehrheit – es gibt nur eine Enthaltung –, die Landesregierung zu beauftragen, “Minority Safepack” tatkräftig zu unterstützen. Gleichzeitig wird ein Promotorenkomitee geformt. Ein Großteil der 69 Personen aus Politik, Wirtschaft, Sport, Soziales, Kultur, Medien stellen sich am Donnerstag auf die Stufen im EURAC-Garten zu einem Gruppenfoto auf. Mit dabei ist auch Loránt Vincze. Der FUEN-Präsident ist aus dem rumänischen Transsilvanien angereist. Er gehört der ungarischen Minderheit an, die in dem Gebiet, das auch als Siebenbürgen bekannt ist lebt.

 

Mit dem Glück kommt die Verantwortung

Eindrücklich erklärt Vincze, warum Unterstützung vor allem aus Südtirol gefragt ist. Die Südtiroler seien ein Vorbild in Sachen Minderheitenschutz, was zugleich auch eine Verantwortung mit sich bringe, so der FUEN-Präsident. “Es ist wie im Sport: Es wird auf die Champions geschaut. Ihr gebt Millionen von Menschen Hoffnung, die in einer sehr viel schlechteren Situation leben.” So würden sich etwa Türken in Griechenland nicht trauen, für “Minority Safepack” zu unterschreiben, “weil sie Angst vor der Staatsgewalt haben”. “Für diese Menschen müssen wir unterschreiben!”, appelliert Vincze.

“Minderheiten leben oft in Grenzgebieten und helfen, Europa zusammenzuschweißen, Grenzen zwischen Staaten abzubauen.”
(Daniel Alfreider, FUEN-Vizepräsident)

Doch nicht nur aus Solidarität sollen die Südtiroler eine Unterschrift setzen. “Unser Minderheitenschutz ist international und verfassungsrechtlich verankert, aber wenn er auch in der EU zum Thema wird, dient das auch uns”, zeigt sich Landeshauptmann Arno Kompatscher überzeugt. Er spricht von einer “ja fast moralischen Pflicht” der Südtiroler, “im Interesse der Minderheiten, der Vielfalt und Europas ein Zeichen zu setzen”.

Als Ladinerin – einer “Minderheit in der Minderheit” – weiß Barbara Pizzinini, “was es heißt, Sprache und Kultur zu bewahren”. Die EOS-Präsidentin ist eine der 69 Promotoren und dankt an diesem Tag der Politik, “dass sie die Initiative so ernst nimmt”. “Ich arbeite jeden Tag mit Minderheiten zusammen, auch mit solchen, die nicht Südtiroler sind. Und wie können wir von Fremden und Gästen Zusammenarbeit verlangen, wenn wir sie selbst nicht leben?”, fragt sich Pizzinini. “Vielfalt zerstört eine Minderheit nicht, das tun vielmehr Grenzen und Mauern. Vielfalt schafft viel Neues – und die heutige Welt braucht das!”

 

Ab sofort liegen die Unterschriftenbögen in allen 116 Südtiroler Gemeinden auf. Wer für “Minority Safepack” unterzeichnen will, muss seine Identitätskarte mitbringen. Einfacher und schneller geht es online – auf der offiziellen Seite der Initiative oder der eigens eingerichteten Seite des Landes, “Gemeinsam stärker”.