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Renzos stiller Sieg

Renzo Caramaschi hat in einem harten Ringen mit dem Land und der Alperia den Städten Bozen und Meran eine Mehreinnahme von je 3,1 Millionen Euro gesichert.
Töll
Foto: Alperia
Es war im Juni vergangenen Jahres, da drehte Renzo Caramaschi ordentlich auf. Der Bozner Bürgermeister sagten den Verantwortlichen der „Alperia AG“ ungeschminkt seine Meinung. Caramaschis Botschaft: „So geht das nicht“.
Und es ging so wirklich nicht.
Nach monatelangen Verhandlungen, Dutzenden Aussprachen, mehreren Rechtsgutachten musste das Land im Dezember 2017 auf Betreiben des Bozner Bürgermeisters nicht nur ein bestehendes Gesetz abändern, sondern auch in die eigene Geldtasche greifen. 6,2 Millionen Euro zahlt das Land 2018 indirekt an die beiden Gemeinden Bozen und Meran.
Dabei richtete sich der Zorn des Bozner Bürgermeisters weniger gegen die Südtiroler Energiegesellschaft, als gegen die Energiepolitik des Landes. Renzo Caramaschi focht fast ein Jahr einen stillen Kampf mit den Land aus. Einen Kampf, den er für seine Gemeinde, aber auch für andere Südtiroler Gemeinden im Februar 2018 schließlich gewonnen hat.
 

Die Kleinkraftwerke

 
Der Südtiroler Energiekoloss Alperia war jahrelang im Besitz mehrerer Kleinkraftwerke überall im Land. Es war das Erbe der SEL AG. Damals von der SEL-Führung unter Maximilian Rainer und Klaus Stocker gewünscht und vom Land unter Luis Durnwalder und Michl Laimer umgesetzt, gab man den Gemeinden Konzessionen für den Bau eigener Kraftwerke nur unter einer Bedingung: Die SEL AG musste beteiligt werden.
So hielt die SEL AG vorwiegend Minderheitenbeteiligungen an insgesamt 9 Kleinkraftwerken in Schnals (40 Prozent), in Wiesen (30%) in Winnebach (30%) am E-Werk Eggental (36%), am E- Werk Breien (36%), an der Puni-Energie (37%), an der Energy Welsperg (50%), an der Göge Energie (30%) und am E-Werk Dun (30%).
Mit der Gründung der Alperia gingen diese Kraftwerke an den neuen Südtiroler Energiebetrieb über. Acht Kleinkraftwerke an die „Alperia Greenpower“. Nur das Göge-Kraftwerk im Ahrntal behielt die Konzernmutter „Alperia AG“.
 

Der politische Wille

 
Eines der erklärten politischen Ziele des neuen Landeshauptmannes Arno Kompatscher war 2014 eine grundlegende Änderung der Südtiroler Energiepolitik. Dazu gehört nicht nur die Alperia-Gründung, sondern auch eine klare Aussöhnung mit den Gemeinden.
Das politische Versprechen dabei: Die Alperia-Beteiligungen an den Kleinkraftwerken sollen an die zuständigen Gemeinden abgeben werden. Aber nicht zum Marktpreis sondern politisch gewollt, zu einem Preis, der dem Buchwert plus einer kleinen Aufwertung entspricht.
 
Dazu verankerte man bereits im Haushaltgesetz im Jänner 2015 einen eigenen Gesetzesartikel. Er lautete:
 
„Im Falle von kleinen und mittleren Anlagen zur Erzeugung hydroelektrischer Energie kann die Abtretung von Aktien oder Anteilen von Gesellschaften, an denen das Land direkt oder indirekt eine Beteiligung hält, an andere Gesellschafter zum Preis der Gesamtinvestitionskosten (Kapitalanlagen, Kapitalzuzahlungen und Gesellschafterfinanzierungen) zuzüglich ASTAT-Aufwertung erfolgen, sofern es sich um örtliche Körperschaften handelt.“
 

Böses Erwachen

 
Nachdem die Politik damit die gesetzlichen Weichen gestellt hat, beauftragte man die Alperia mit der finanziellen und technischen Umsetzung der Abgabe der Beteiligungen an die Gemeinden. Dazu mussten Marktwert und Abgabepreis der einzelnen Beteiligungen festgesetzt und mit den betroffenen Gemeinden verhandelt werden, ob sie überhaupt Interesse an der Übernahme haben.
Im Sommer 2016 hatte man dabei mehr oder weniger die Grundpfeiler der gesamten Operation mit dem Gemeinden und dem Land abgestimmt. Formell brauchte es aber einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der Alperia um den Deal durchzuziehen. Man setzte dazu einen Brief an die Mitgesellschafter die Gemeinden Bozen und Meran und an die Selfin GmbH auf.
 
Was nur einer Formalität sein sollte, wurde für das Land und auch die Alperia aber letztendlich zu einem Spießrutenlauf. Der Grund: Renzo Caramaschi.
 

Caramaschis Einwand

 
Als Renzo Caramaschi das offizielle Alperia-Schreiben mit dem man die Zustimmung der Gemeinde Bozen zum Verkauf der Kleinkraftwerke erbat zum ersten Mal zu Gesicht bekam, soll er nach Informationen von salto.bz seinen Augen nicht getraut haben. Der Bozner Bürgermeister warf einen mehr als stichhaltigen Einwand auf.
Alperia ist aus der Fusion der SEL und der Etschwerke entstanden. Die Gemeinden Bozen und Meran halten als ehemalige Besitzer der Etschwerke jeweils 21 Prozent der Alperia. Man hat diese Beteiligungen aufgrund der Besitz- und Beteiligungsverhältnisse errechnet. Bei der Bewertung der SEL AG wurden dabei auch die Beteiligungen an den neun Kleinkraftwerken berücksichtig. Natürlich zum Marktpreis. Und der lag damals um die 20 Millionen. Der Plan sah jetzt aber vor, dass die Alperia die neun Beteiligungen um rund 2,2 Millionen Euro an die Gemeinden abgeben sollte.
Renzo Caramaschi machte einen mehr als begründeten Einwand. Das Land kann die Kraftwerke den Gemeinden auch zum Buchwert abtreten. Dazu gibt es die gesetzliche Bestimmung vom Jänner 2015.
 
Aber die Gemeinde Bozen? Sie kann sich weder auf ein Gesetz berufen, denn davon steht im Text nichts, noch auf einen politischen Beschluss. Caramaschi rechnete den Alperia-Verantworlichen eine einfach Gleichung vor. Er könne und werden nicht seine Zustimmung zu einer Abtretung geben für eine Beteiligung, die der Gemeinde vor wenigen Jahren neunmal soviel gekostet hat.
Morgen kommt der Rechnungshof und fordert dann vor mir das Geld zurück“, argumentierte der Bozner Bürgermeister mehr als überzeugend.
Ein Problem, das anscheinend weder den Landespolitikern und Juristen des Landes, noch den Vertreter der Gemeinde Bozen in den Alperia-Gremien, wie etwa Mauro Marchi, vorher in den Sinn gekommen war.
Damit lief die gesamte Verkaufsoperation im Sommer 2017 auf Grundeis.
 

Die Lösung

 
Nach Einholung mehrere Rechtsgutachten wurde klar, dass Caramaschis Einwand und Bedenken absolut stichhaltig sind. Zudem schlossen sich auch die Gemeinde Meran und die Selfin GmbH (sie hält 3,55 Prozent an der Alperia) der Argumentation und dem Kampf des Bozner Bürgermeisters an.
Damit aber musste das Land einlenken. Die einzige Lösung: Den beiden Gemeinden und der Selfin den Marktwert der Beteiligungen zurückzuerstatten.
Dazu musste man aber das Landesgesetz ändern. Das tat man mit dem Haushaltsgesetz im Dezember 2017. Dort fügte man dem ursprünglichen Texte eine Satz bei:
 
„Die Gesellschafter, die örtliche Körperschaften laut Absatz 1/bis sind, beteiligen sich an den obgenannten Vorhaben und vereinbaren mit dem Land die Entschädigung im Rahmen des eigenen Beteiligungsanteils.“
 
Nach der rechtlichen Korrektur, folgte auch die finanzielle Einigung.
Auf der Alperia-Gesellschafterversammlung am 22. Februar 2018 stimmen alle Gesellschafter der Abtretung der Kleinkraftwerke zu. Mit einer Ausnahme wurden alle Beteiligungen inzwischen an die Gemeinden abgeben. Nur die Gemeinde Vintl hat auf die Übernahme der Alperia-Beteiligung am E-Werk Dun verzichtet.
 
Der Marktwert der acht Beteiligungen wurden mit dem 31. Dezember 2017 auf 17,3 Millionen Euro geschätzt. Demnach bekommen Bozen und Meran jeweils 3,1 Millionen Euro als zusätzliche Entschädigung für ihren Anteil (rund 400.000 Euro). Die Selfin GmbH - für die dasselbe gilt, wie für die Gemeinden - bekommt eine halbe Million Euro mehr.
Die 6,7 Millionen Euro zahlt das Land. Denn die Landesregierung hat beschlossen diese Summen bei der Dividenausschüttung der Alperia, den Mitgesellschafter zu überlassen.
Jeder andere Kommunalpolitiker hätte den Streit und den Erfolg an die große Glocke gehängt. Nicht aber Renzo Caramaschi.
Der Bozner Bürgermeister hat über diese Geschichte bisher in der Öffentlichkeit kein Wort verloren.