Politik | TV-Debatte

Kein (Sende-)Platz für Deeg

Landesrätin Waltraud Deeg beklagt auf Facebook, dass sie zu einer RAI-Sondersendung zur Corona-Krise nicht eingeladen wurde.
Waltraud Deeg
Foto: Handelskammer/Alan Bianchi

Es ist eine erste Bilanz, die heute “Am Runden Tisch” von RAI Südtirol gezogen wird. “Hat das Krisenmanagement der Landesregierung und des Sanitätsbetriebes funktioniert? Welche Lehren zieht die Politik aus der Corona-Pandemie? Worauf muss sich Südtirol in den kommenden Wochen noch einstellen? Welche langfristigen Auswirkungen hat Corona auf unser Leben?” Zu diesen Fragen diskutieren die beiden Moderatoren Christian Bassani und Siegfried Kollmann in großer Runde. Allerdings gibt es eine große Abwesende. Landesrätin Waltraud Deeg fragt sich öffentlich: “Warum wurde ich nicht eingeladen?”

 

Sechs Männer, zwei Frauen, eine Abwesende

 

Die Gästeliste ist so lange wie noch nie. Acht Personen nehmen an der Sondersendung von RAI Südtirol am Montag um 20.20 Uhr teil: die Landesräte für Gesundheit (Thomas Widmann) sowie Wirtschaft und Bildung (Philipp Achammer), ein Oppositioneller (Franz Ploner) ein Gewerkschafter (Tony Tschenett), ein Psychiater (Andreas Conca), ein Hotelier (Heinrich Dorfer), eine Vertreterin der Pfleger der Seniorenwohnheime (Rita Obkircher) und eine Vertreterin der Familienverbände (Christa Ladurner).

Vergangenen Donnerstag (4. Juni) wird die Sondersendung auf Facebook angekündigt – mit dem Aufruf “Fragen oder Meinungen können gerne gepostet werden”. Zahlreiche User kommen dem nach und stellen Fragen. Viele davon betreffen den Bereich Soziales – “Warum werden Menschen mit Behinderung nie erwähnt?”, “Ab wann werden endlich die Altenheime aufgesperrt?”, “Warum wurden die Aufnahmekriterien des Notunterrichts von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ausgelegt?”, “Was ist mit den Kindern und Jugendlichen und beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen?” – und damit die Zuständigkeiten von Waltraud Deeg.

 

“Frauen in der Politik? Werden nicht eingeladen”

 

Am Samstag ergreift die Landesrätin deshalb selbst das Wort. Um 14.50 Uhr veröffentlicht Deeg folgenden Kommentar unter dem Facebook-Post der RAI:

“Schönen guten Nachmittag, sehr gern würde ich zu all den an mich gestellten Fragen Stellung beziehen. Schade dass mir das nicht ermöglicht wurde. Oft wird gefragt, wo sind die Frauen in der Politik. Nun: Sie werden sie zu diesen Diskussionsrunden nicht eingeladen (seit 2014 nicht einmal). Das finde ich sehr schade Lg”

Um 16.48 Uhr schreiben die Verantwortlichen in der RAI zurück:

“Das Thema interessiert naturgemäß viele und wir erwarten eine entsprechend inhaltlich spannende Diskussion. Weil bereits jetzt auch über die Auswahl der Gäste diskutiert wird, folgende Klarstellung: Weil bis vor wenigen Tagen gesetzlich nicht klar war, ob wir die Sondersendung (60 Minuten) überhaupt produzieren können, mussten wir etliche Kompromisse eingehen: Wir werden am Montag LIVE aus einem Sonderstudio der Rai am Bozner Boden produzieren. Es wird ein eigenes Produktionsteam dafür abgestellt. Die Sicherheitsauflagen sind sehr hoch, deshalb dürfen wir keine Gäste einladen und es sind uns auch technische Grenzen auferlegt worden, deshalb auch die begrenzte Auswahl der Gäste. Wir hätten liebend gerne noch mehr interessante Gesprächspartner eingeladen, aus noch mehr Bereichen des Lebens, doch in diesen Zeiten müssen auch wir uns mit Kompromissen zufriedengeben. Wir sind dennoch davon überzeugt, dass es eine spannende Sendung wird. 9 Gäste, drei Themenbereiche (Gesundheit, Bildung und Wirtschaft), das hat es ‘Am Runden Tisch’ noch nie gegeben!”

Waltraud Deeg lässt die Erklärung jedoch nicht gelten – um 17.11 Uhr antwortet sie:

Ich verstehe die Auflagen alle, aber ich verstehe trotzdem nicht ganz, warum bei den vielen Eingeladenen die zuständige politisch Verantwortliche für Familie, Soziales, Seniorenwohnheime, Menschen mit Beeinträchtigung, Sommerbetreuung und Senioren nicht Platz gefunden hat. Finde es wie gesagt sehr schade. Ich werde und möchte mich nicht aufdrängen, bitte nicht falsch verstehen. Aber es war mir einfach wichtig diese Frage einfach einmal in den Raum zu stellen. Danke lg”

Schließlich meldet sich Deeg noch einmal am Montag Vormittag – unter einem User-Kommentar:

“(…) Mein persönlicher Fokus liegt normalerweise im Arbeiten, Dinge-Weiterbringen und Umsetzen. Diesen Kampf führe ich sehr gern und meistens intern. Sie haben aber sehr recht, dass frau vieles vielleicht mehr nach außen tragen und sichtbarer machen sollte. Dafür braucht frau aber auch die Möglichkeit das zu tun. Frau kann FB und Co. nutzen und das werde ich sicher verstärken, es braucht aber auch andere Möglichkeiten die Botschaften und Infos nach draußen zu bringen. Daher hier auch mein Post. Bin immer gern für Diskussionen und Informationen bereit. Das ist ein wesentlicher Teil der politischen Arbeit. Frau muss aber auch die Möglichkeit dazu haben. Das wollte ich eigentlich sagen. (…) Lieben Gruß Waltraud Deeg”

 

Übrigens war ursprünglich auch Arno Kompatscher “Am Runden Tisch” für heute angekündigt gewesen. Doch inzwischen scheint der Landeshauptmann nicht mehr unter den Gästen auf. Ob er es Giuseppe Provenzano gleichgetan hat? Der Minister für den Süden hat am Sonntag seine Teilnahme an einem Arbeitstisch zum Neustart nach der Corona-Pandemie abgesagt – weil dort nur Männer geladen waren.

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Sebastian Felderer Mo., 08.06.2020 - 17:07

Ich finde diesen Protest von der Landesrätin Deeg ziemlich unangebracht. Seniorenheime sind vertreten, die Familien durch Christa Ladurner auch, muss es unbedingt Frau Deeg sein? Mehr Frauen, ja, da wäre ein Platz für eine Hoteliersfrau statt dem leidigen Heinrich Dorfer gewesen, auch Andreas Conca hatte durch einen weibliche Kollegin ersetzt werden können. Weiß nicht, wie weinbergfreundlich Frau Deeg ist, aber Widmann und Achammer werden ihren Mann stellen. Für Frau Ebner sen. wäre eventuell ein Platz zu reservieren gewesen. Wie dem auch sei, wegen einem Runden Tisch fällt der Frau Landesrätin kein Stein aus der Krone. Sie kann jeden Tag tausendfach beweisen, wie gut sie ist. Sicher ist es einfacher, in den Chor der zu erwartenden Lobeshymmnen eines Achammer und Widmann einzustimmen, als Probleme des Alltags wirklich zu lösen. Die Landesverwaltung, was Personal und Effizienz betrifft, stand noch nie so schlecht da, wie unter ihrer Führung. Den Familien die nötige Stütze zu geben, gelingt wohl auch eher vor und nach dem Runden Tisch. Ich hätte den China-Engl eingeladen. Der hätte echt dazugehört. Ansonsten, zuwenig Frauen? Corona ist weiblich. Was wollen wir mehr?

Mo., 08.06.2020 - 17:07 Permalink
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Stereo Typ Mo., 08.06.2020 - 17:58

Natürlich hätte Deeg eingeladen werden müssen. Sie ist Landesrätin für Familie, Senioren und Soziales. Und viele Fragen betreffen, na, wer errät's: Familien, Senior(inn)en und Soziales. Man kann sie in so einer Runde ganz einfach nicht außen vor lassen. Sonst entsteht erneut der Eindruck, es gehe um vieles, aber eben nicht um Eltern und ihre Kinder, um ältere Menschen, um die Schwierigkeiten von Menschen mit Beeinträchtigung. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass Vertreterinnen der Seniorenwohnheime und der Familienverbände eingeladen worden sind. Frau Deeg ist doch die politische Klammer dazu.

Mo., 08.06.2020 - 17:58 Permalink
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Karl Gudauner Mo., 08.06.2020 - 18:11

Wie wär's mit einem zweiten "runden Tisch" zu den zahlreichen Fragen rund um die Themen Familie, Schule und Kinderbetreuung, Altersheime, Unterstützung für sozial Benachteiligte bzw. Bedürftige und die künftige Ausrichtung der Sozialpolitik des Landes? Und mit einem dritten zur großen Herausforderung, die wirtschaftliche Entwicklung mit den notwendigen Weichenstellungen für eine gesunde und ökologisch verantwortbare Zukunft in Einklang zu bringen?

Mo., 08.06.2020 - 18:11 Permalink
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Priska Spitaler Mo., 08.06.2020 - 18:52

Herr Gudauner, sie sprechen mir aus der Seele. Habe gerade heute auf der Facebook-Seite von Rai Südtirol den Vorschlag gemacht, eine eigene Diskussionsrunde zu sozialen Themen in Erwägung zu ziehen. Dies müsste doch machbar sein. In der heutigen Sendung, die ja nur 1 Stunde dauern soll, werden diese Themen sicher nur gestreift werden können und deshalb vielleicht noch mehr Frust erzeugen, weil vieles ungeklärt bleiben wird.
Zu solchen Diskussionen müssten vor allem mal direkt Betroffene eingeladen werden, die im realen Leben derzeit zu wenig Gehör finden und unbedingt Perspektiven brauchen: eine Mutter/ein Vater, ein Kind, ein Jugendlicher, ein Senior, ein Mensch mit Beeinträchtigung, ein Betreuer in einem Alters- und Pflegeheim, usw. Die Sendung würde sicher nicht ausreichen, alle Fragen, die im Raum stehen, zufriedenstellend zu beantworten. Darauf wette ich meinen Kopf.

Mo., 08.06.2020 - 18:52 Permalink
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armin oberlechner Mo., 08.06.2020 - 19:33

Ich könnte mir vorstellen dass Sie "vergessen" wurden, da sie in den letzten Monaten nicht so präsent waren. Die Alten- und Pflegeheime und deren Mitarbeiter wurden in den kritischen Wochen von der Sanität vernachlässigt ohne dass man von Ihnen etwas gehört hätte (siehe die hohen Infektionszahlen von Heiminsassen und Mitarbeitern). Kinder und Jugendliche sind sich selbst und Ihren Eltern überlassen. Ebenso die Behinderten und Ihre Angehörigen. Seit über einem Monat kommunizieren Sie über die Medien dass fieberhaft an Lösungen in verschiedenen Bereichen gearbeitet wird. Diese "Lösungen" werden dann Rom zur "Absegnung" geschickt, damit wird auch die Verantwortung jemand anderem weitergereicht (=heiße Kartoffel) und Entscheidung gibt es bis dato keine. Altenheime und Behindertenwohnheime sind weiterhin zu. Jetzt wo sich das "Gewitter" langsam verzieht beanspruchen Sie wieder die "Verantwortliche" für diese Bereiche zu sein, dann lesen Sie mal im Duden die Definition von Verantwortung nach: "Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht!"

Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer in der Landespolitik!

Mo., 08.06.2020 - 19:33 Permalink
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Priska Spitaler Mo., 08.06.2020 - 21:50

An alle, die diesen "tollen" Runden Tisch nicht verfolgt haben: Ihr habt euch wertvolle Zeit und Nerven erspart. Keine einzige Frage der Zuschauer wurde beantwortet, ansonsten alles wie gehabt, das übliche blablabla ohne Mut machende Perspektiven. Eine sehr schwache Vorstellung!! Aber es wäre ja auch eine Illusion gewesen, sich mehr zu erwarten. Immer mehr Frust und Wut baut sich auf, die sich höchstwahrscheinlich bald ihren berechtigten Weg bahnen werden. Oder wie lange will man das noch über sich ergehen lassen?

Mo., 08.06.2020 - 21:50 Permalink
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Sebastian Felderer Di., 09.06.2020 - 05:31

Antwort auf von Priska Spitaler

Priska Spitaler, dies ist leider Bestandteil unseres derzeitigen Systems. Wenn Sie meinen Kommentar lesen, es steht dort geschrieben. Ich hab's mir nicht angeschaut, weil ich das prinzipiell nicht mache, wenn gewisse Leute dabei sind, von denen man weiß, dass sie "nur" schwefeln können. "Bald den berechtigten Weg bahnen", das ist ein Wort, kein blablabla.

Di., 09.06.2020 - 05:31 Permalink
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Priska Spitaler Di., 09.06.2020 - 08:26

Antwort auf von Sebastian Felderer

Herr Felderer, Sie haben vollkommen recht. Ich habe mir die Sendung angeschaut, weil ich noch ein klitzekleines bisschen Hoffnung hatte, dass auf die Fragen der Bürger eingegangen wird und klare Antworten kommen. Leider wurden wir alle bitter enttäuscht.War sicher vorauszusehen, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Mal sehen, ob zumindestens heute von der Landesregierung die Richtlinien für die Öffnung der Seniorenheime beschlossen werden und wie schnell und in welcher Form diese dann auch umgesetzt werden. Es ist ein kräftezehrender Kampf, der erschöpft und die Verantwortlichen verstehen leider immer noch nicht, dass viele Menschen jetzt am Rande der Verzweiflung sind.

Di., 09.06.2020 - 08:26 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 09.06.2020 - 08:49

Antwort auf von Priska Spitaler

Besonders schlimm finde ich auch, dass die Rai die Menschen auffordert, über den verschieden sozialen Medien oder per E-Mail - man hätte auch verstehen können per Videokonferenz - dabei sein zu können, ihre Fragen und Einwänden dann mit einem Nebensatz abtut. Man will den Schein der Beteiligung erwecken, tritt jede Erwartung dann mit den Füßen.
Es war wieder eine Bühne für die Politiker, denen auch mehr Zeit zugesprochen wurde, besonders Widmann hat sie sich genommen.

Di., 09.06.2020 - 08:49 Permalink
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Karl Gudauner Di., 09.06.2020 - 09:45

Antwort auf von Sepp.Bacher

Beteiligung der Zuschauerinnen und Zuschauer sollte auch Interaktion mit den geladenen Gästen der Sendung bedeuten, also zumindest eine Antwort auf die aufgeworfenen Fragen.
Ansonsten teile ich nicht die negativen Pauschalurteile. Die Fragen sind ohne Scheu vor heiklen Themen gestellt worden. Die Gäste haben klar Position bezogen, waren also informativ und sind auf viele wichtige Aspekte eingegangen. Die Aussage von LR Widmann, dass Südtirol in der Coronavirusbekämpfung knapp am worst case vorbeigeschrammt ist, hat die Dimension dieser außerordentlichen Herausforderung aufgezeigt. Es wurden Mängel angesprochen und Perspektiven aufgezeigt.
Eine Anmerkung inhaltlicher Natur: Die staatlichen Szenarien für die Wiederaufnahme der Unterrichtstätigkeit im September mit Distanzierung und Schutzvisier finde ich bedrückend. Ich hoffe, dass die Erfahrungen mit der aktuellen Wiederaufnahme des Unterrichts in anderen europäischen Ländern hier andere Perspektiven aufzeigen, wie Lernen und Gemeinschaft mit Risikominimierung verbunden werden können.

Di., 09.06.2020 - 09:45 Permalink
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Profil für Benutzer Priska Spitaler
Priska Spitaler Di., 09.06.2020 - 12:14

Die Fragen wurden zwar ohne Scheu gestellt, doch dass alle Gäste klar positiv Position bezogen haben, informativ waren und auf viele wichtige Aspekte eingegangen sind, habe nicht nur ich, sondern auch viele, mit denen ich in Kontakt stehe und die die Sendung gesehen haben, so nicht wahrgenommen. Das hat auch nichts mit negativen "Pauschal"urteilen zu tun sondern mit subjektiver Wahrnehmung.

Di., 09.06.2020 - 12:14 Permalink
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Profil für Benutzer Sebastian Felderer
Sebastian Felderer Mi., 10.06.2020 - 06:00

Da halte ich's mit Sepp Bacher und Priska Spitaler. Karl wird schon seine Gründe haben, um so eine Sendung ins rechte Licht zu stellen. Habe soviel Medienerfahrung, speziell RAI, dass ich weiß, wie sowas aufgezogen wird und was herauszukommen hat. Da ist nichts dem Zufall überlassen. Wer die Macht hat, bestimmt den Ablauf. Das Publikum als Feigenblatt zieht immer. Ich war bei einem runden Tisch. Habe genau denselben Eindruck mitgenommen, wie als Zuschauer. Zum Glück habe ich damals in einem Satz das gesagt, was ich unbedingt sagen wollte. Mehr war nicht drin.

Mi., 10.06.2020 - 06:00 Permalink