Gesellschaft | Kampagne

Es geat di a un

Ein Thema, das uns alle angeht, doch weiter ein Tabu ist: Gewalt an Frauen. Zwei Südtirolerinnen starten in Erinnerung an Barbara Rauch eine Sensibilisierungskampagne.
Es geat di a un
Foto: Facebook Es geat di A Un

Nicht allzu lange ist es her, als der Mord an der 28-jährigen Barbara Rauch von ihrem Stalker die Südtiroler Öffentlichkeit entsetzte. Dann kam Corona, und das Thema Stalking und Gewalt an Frauen ging unter. Zwei jungen und gesellschaftlich engagierte Südtirolerinnen ging dieses Schweigen erheblich gegen den Strich: „Ich war geschockt, wie wenig auf das Thema eingegangen wurde. Nirgends in den Medien las ich darüber, wie man mit Stalking am besten umgeht, oder wo sich Frauen in solchen Situationen Hilfe holen können“ erzählt Giada Del Marco aus Schabs bei Brixen. Gemeinsam mit der Rittnerin Nadja Prosch rief sie daher die Sensibilisierungskampagne „Es geat di a un- tocca a te“ ins Leben. Seit dem 15. Juni folgen fast 2.000 Menschen der Facebookseite von „Es geat di a- un.“ Die beiden Aktivistinnen bekommen fast täglich Nachrichten von Frauen und Männern die helfen möchten, aber auch von Frauen, die sich in Notsituationen befinden. Die Aktion „Es geat di a un“ läuft nicht nur online ab.

 

Wir müssen der Gesellschaft zeigen, dass gerade in solchen Situationen Stellung bezogen werden muss. Jeder soll für Frauen in Notsituationen da sein, anstatt sie zu verurteilen.

Bereits während des Lock-downs begannen die beiden Frauen am Projekt zu arbeiten. Sie führten Gespräche mit verschiedensten Anlaufstellen für Frauen in Gewaltsituationen und auch mit der Familie von Barbara Rauch. Dabei wurde schnell klar: „Es muss noch ganz viel Sensibilisierungsarbeit gemacht werden, denn trotz zahlreicher Hilfsorganisationen fehlt es vielen Frauen immer noch an Beistand,“ erzählt Giada. Die Sales und Marketing Assistentin spricht aus eigener Erfahrung, sie hat selbst in einer Gewaltsituation gelebt. Doch sie merkte, es war weiterhin ein Tabuthema. Immer nocht wird ungern darüber geredet,  viele Frauen damit allein gelassen. Oft werden gar Kinder von Frauen in Notsituationen in der Schule ausgeschlossen, weil Eltern fürchten, die Gewalt könne auch für ihre eigenen Kinder eine Gefahr sein. Diesem Umgang mit häuslicher Gewalt als Tabu wollen Giada und Nadja durch ihre Kampagne einen andere Ansatz entgegenstellen: „Wir müssen der Gesellschaft zeigen, dass gerade in solchen Situationen Stellung bezogen werden muss. Jeder soll für Frauen in Notsituationen da sein, anstatt sie zu verurteilen.“

 

 

Als Beistand genüge häufig auch nur ein Ansprechpartner im alltäglichen Leben. Und so kamen die beiden auf die Idee der Armbandaktion. Frauen, die Hilfe brauchen, können sich ab sofort an jeden Menschen mit einem Lilla Armband wenden. Diese können einfach selbst geknöpft werden, oder man erhält sie gegen eine Spende, die in das Projekt fließt. Mit dem Symbol können Frauen in Notsituationen im Alltag ganz einfach erkennen, an wen sie sich wenden können.

Denn oft sei dies nicht so leicht, erzählt Giada: „Es gibt internationale Codes, mit denen Frauen auf ihre Not aufmerksam machen können. Doch die meisten kennen diese nicht, und daher verstehen Frauen oft nicht, ob ihre Hilferufe gehört werden.“ In Apotheken etwa gilt die Bestellung einer „Mascherina 1522“ als Code, der insgeheim häusliche Gewalt anzeigen soll. Auch in Pizzerias und anderen Geschäften gelten bestimmte Bestellungen als Hilfezeichen. Doch es brauche dazu viel mehr Ausbildung von Personal, damit dieses ein Signal deuten, und Hilfestellung leisten kann, sagt Giada.

 

Daher das violette Armband: Es ist sofort erkennbar, leicht sichtbar, und jede*r kann es tragen. Doch wie soll sich eine Person mit violettem Armband, an die sich eine Frau wendet, verhalten? Darauf gebe es keine generelle Antwort, meint Giada. „Wir empfehlen, wendet euch an die Ansprechzentren der jeweiligen Gemeinde.“ Eine Liste mit den Anlaufstellen für Gewaltsituationen ist auf ihrer Facebookseite zu finden.

Schlussendlich ist aber ein Schritt der wichtigste: „Getraut euch, geht auf die Sitaution ein, ignoriert es nicht, weil, „Es geat Di a un!“

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gorgias Sa., 26.09.2020 - 14:56

>Doch wie soll sich eine Person mit violettem Armband, an die sich eine Frau wendet, verhalten?<

Ja, das habe ich mich sofort gefragt, als ich weiter oben gelesen hatte, dass die Personen, die jene Bänder tragen als Ansprechsperson fungieren sollen.

>Darauf gebe es keine generelle Antwort, meint Giada.<
Mit so einer Antwort kann ich wenig anfangen. Die Personen die diese Bänder tragen werden irgendwie mit der Situation alleine gelassen.

> „Wir empfehlen, wendet euch an die Ansprechzentren der jeweiligen Gemeinde.“ <
Für was dann die Bänder? Sollen sich die betroffenen Personen doch besser gleich an diese wenden. Dann erhalten sie kompetente Hilfe. Es ist gefährlich, dass man überfordert ist wenn diese Personen in Not sich an einem wenden mit oft widersprüchlichen Gefühlen und starken emotionalen Druck. Manche wollen sich auch nur mal "ausreden", um dann in der Situation zu verwahren. Und wenn man diese Person dann dazu bewegen will etwas zu ändern setzen Abwehrmechanismen ein. Und mit dem muss man dann zurechtkommen. - Ist übrigens einem Bekannten von mir passiert.

>Eine Liste mit den Anlaufstellen für Gewaltsituationen ist auf ihrer Facebookseite zu finden.<
Ja diese Liste gehört nicht auf facebook sondern, wenn schon als Plakat oder Aufkleber in der Öffentlichkeit, in öffentlichen Einrichtungen, wie Behörden, Schulen, Biblotheken und Vereinen.

Ich kenne diese Aktion nur aus diesem Artikel, aber ich hoffe dass neben einer "Sales and Marketing Assistenting" diese auch von Fachpersonal begleitet wird und dass diese Bänder am Ende nicht nur als ein oberflächliches Live-Style-Accessoire verkommen mit dem man virtue signalling betreiben kann. - Dass hier aber gleich drei Making-of Bilder gezeigt werden, hinterlässt einen gewissen Beigeschmack.

Sa., 26.09.2020 - 14:56 Permalink