Umwelt | WWF Bozen

Wo sich Bär und Wolf Gute Nacht sagen

Von Landwirtschaft leben und Wildtiere leben lassen, ist möglich - der Bauer Marco Osti führt die WWF Gruppe Bozen durch den Naturlehrpfad Maso Fratton in Spormaggiore.
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Streuobstwiese: Genarchiv&Powernahrung
Foto: Johanna Platzgummer

Das Gebiet des ehemaligen Hofs Maso Fratton liegt in der Gemeinde Spormaggiore, nicht weit entfernt vom Naturpark Adamello Brenta im Trentino. Der Besitzer Gregorio Endrizzi hinterließ seinen Söhnen 1962 Hof und Güter. FAI Fondo Ambiente Italiano kaufte die Ländereien und - nach zwanzig Jahren nur noch Ruine -, die Hofstelle. alles waren verwildert. FAI entschloss sich zum Kauf, denn das Gebiet von Maso Fratton war Heimat der letzten autochthonen Braunbären der Zentralalpen. WWF übernahm die Verwahrung des Geländes, auf dem ein Naturlehrpfad eingerichtet wurde. Volontäre des WWF, Mitarbeiter von Sozialprojekten und der benachbarte Bauer Marco Osti schnitten die Streuobstwiesen frei, die völlig zugewachsen waren, und rodeten, um für Pflanzen und Tiere jene selten gewordenen Lebensräume an den Säumen traditioneller Kulturlandschaft herzustellen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen mit Marco Osti am ersten Oktober erkundeten. Osti führt in der Nähe mit seiner Familie den Hof Al Bait, baut biologisch Gemüse und ganz unterschiedliches Obst an und führt einen Hofschank. Marco Osti erklärt unterwegs an vielen Beispielen, warum ihm so wichtig ist, dass die kleinstrukturierten Lebensräume erhalten bleiben.

Die Gruppe steigt zum Laubwald am Ufer des Sporeggio-Bachs hinab; die Blätter der wilden Kirschen und der Feldahorne färben sich gelb und orange. Innerhalb der lichten Stellen blühen im Frühjahr Orchideen, sehr seltene Arten, die es im Alpenraum zwischen dem Gardasee und dem Brenner nur hier gibt. Der Laubmischwald ist für das Trentino eine Rarität, entsprechend soll der Bestand durch gezielte Einschläge erhalten bleiben. Viele Tiere finden in einem solchen Wald inmitten von Kastanien, Weißdorn, Haseln, Holunder und Eschen Nahrung. Die Gruppe überquert den Sporeggio. weiter bergwärts fließt Wasser aus einem alten unterirdischen Becken in den Bach. Die Luft ist sehr feucht. Drei Feuersalamander schieben sich durch die Streu des Waldbodens. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt eine Obstwiese. Die alten Landorten lebendig zu halten, das ist für den Obstbauern Marco Osti grundlegend. Er pelzt auf die alten Bäume Triebe von Sorten aus dem Nonsberg, die an das Klima und die Böden angepasst sind. Die Streuobstwiese ist ein kostbares Archiv genetischer Viefalt. Marco ist immer auf der Suche nach resistenten Sorten gegen Pilzkrankheiten. Dass die alten Apfelsorten unterschiedliche Reifezeiten haben, ist ein großer Vorteil, die Familie kommt mit der Ernte leichter nach und es gibt einige Monate lang Äpfel und Birnen unterschiedlichen Geschmacks und für unterschiedliche Verwendungen. Marco verkauft alles direkt an Kunden und stellt Säfte, Gelees oder Marmeladen her.

Die Äpfel, Birnen, Kirschen, Trauben im Areal des Maso Fratton erntet er nicht, denn sie gehören den Tieren, die aus dem Wald auf der Suche nach Nahrung kommen: viele Arten von Vögeln, Rehe, Hirsche, kleine Säugetiere. Manchmal findet Marco im feuchten Lehm Trittspuren von Bären. Gesehen hat er in all den Jahren, in denen er auf dem Areal von Maso Fratton und auf seinen eigenen Feldern arbeitet, nie einen Bären.

Die Vogelkundigen erkennen von weitem Mäusebussarde, ein Turmfalke sitzt auf einem Pfosten auf. Marco pflichtet bei, die Mäusebussarde nahmen in den Jahren an Zahl zu, im Umkreis leben zwei Turmfalken-Pärchen. Das sind für landwirtschaftliches Gelände stattliche Zahlen, denn die Greifvögel stehen oben in der Nahrunsgpyramide, sie überleben nur, wenn viele Kleinsäuger und deren Nahrung, v. a. Insekten, Larven, Würmer und Wildpflanzen ausreichend vorhanden sind. Nehmen die Beutetiere dabei Pflanzenschutzmittel auf, akkumulieren die Greifvögel das Gift. Marco Osti beschloss vor mehreren Jahrzehnten, die Felder und Obstgüter des Hofes Al Bait nur mit Sorten anzupflanzen, die bodenständig sind, mit den Eigenheiten von Wetter und Lage gut zurecht kommen. Er braucht daher viel weniger einzugreifen. Er spritzt gezielt, indem er Befall, Wetter und Jahreszeit genau einschätzt. Das erspart viel; Pflanzenschutzmittel im Bio-Anbau sollten aus Prinzip so wenig als möglich eingesetzt werden. Besser, die Lagen herausfinden, in denen sich Obstbäume besonders wohl fühlen und gesund wachsen. Marco fasziniert unterschiedliches Mikroklima. Er ist stolz auf all die winzigen Mitbewohner im Boden. Es braucht ein Gleichgewicht. Dann nehmen auch “Parasiten” auf die Dauer nicht überhand.

Ein sehr breites Anbauspektrum hat noch einen Vorteil. Wenn Frost oder Trockenheit im Frühjahr herrschen, Hagel die Frühäpfel trifft und ein größerer Ausfall droht, bleiben immer noch Äpfel der mittleren und späten Ernte, bleiben Kirschen, Zwetschken, Birnen, Quitten, Nüsse, Kohl und Kartoffeln zum Verkaufen und Verkochen.

Es stärkt, von einem Bauern zu hören, dass das Wirtschaften und Leben seiner Familie zusammen mit Wildpflanzen und Wildtieren möglich ist. Kleine Schäden kommen vor, aber das ist auszuhalten, sagt Marco. Die allermeisten Tiere holen sich die Früchte im aufgelassenen Maso Fratton, auch die Bären, und selten auf seinen eigenen Feldern. Es war eine jahrelange Arbeit, die WWF und Marco Osti hinter sich haben, um diesen Lebensraum für die Bleibenden und Erholungsraum für die Ausflügler zu schaffen. Und die Familie Osti wird den Hof Al Bait an die nächste Generation weitergeben, die Arbeit lohnt sich auch finanziell. Bis dahin sind er und seine Frau noch mit Leidenschaft am Werk.