Kultur | Salto Weekend

Künstler im 1. Weltkrieg

Das Stadtmuseum Bozen ist Schauplatz der Sonderausstellung „Bozen | Bolzano 1917. Schriftsteller und Künstler im Ersten Weltkrieg“. Ein Gespräch mit Stefan Demetz.
titel.jpg
Foto: Quelle: Museumsverband

Nur wenige Gehminuten vom Bozner Obstmarkt entfernt befindet sich das älteste Südtiroler Museum: das Stadtmuseum Bozen. Bereits im Jahr 1882 war von engagierten Bürgern der Stadt ein Museumsverein gegründet wurden, der sich das Ziel gesetzt hatte, vor allem kirchliche Kunst zu bewahren und auszustellen. Nach Plänen von Karl Delug wurde über den Grundmauern des mittelalterlichen Ansitzes Hurlach um die Jahrhundertwende mit dem Bau des Stadtmuseums im sogenannten “Überetscher Stil”, einer spätgotischen Bauweise mit Elementen der italienischen Renaissance, begonnen. 1905 konnte das Museum schließlich eröffnet werden und beherbergt seitdem eine bedeutende kunst- und kulturgeschichtliche Sammlungen aus Bozen und ganz Südtirol.

Franziska Luther: Die neue Sonderausstellung widmet sich Schriftstellern und Künstlern einer besonderen Gruppe, die man nicht auf den ersten Blick mit dem Ersten Weltkrieg in Verbindung bringt.
Stefan Demetz: Richtig, es geht im Wesentlichen um Künstler. Also nicht Soldaten im eigentlichen Sinne, sondern Personen, die sich mit literarischer und bildnerischer Kunst auseinandergesetzt haben. Diese Künstler wurden während des Ersten Weltkriegs von der k.u.k. Monarchie ganz zielgerichtet eingesetzt, um Propaganda zu betreiben.

Ein besonderes Phänomen war genau diese Kriegspropaganda. Wie und mit welchem Zweck wurde diese ja geradezu, auch hier in Bozen, institutionalisiert?
Die k.u.k. Monarchie war sicher ein besonderer Fall, da sie gerade die eher kritisch und pazifistisch eingestellte Gruppe der Künstler zu Propagandazwecken herangezogen hat. Man hat versucht die Stimmung in der Bevölkerung und unter den Soldaten selbst zu Kriegszwecken günstig zu stimmen. Es stellte sich schon sehr bald mit dem Kriegseintritt Italiens 1915 heraus, dass die Bevölkerung, die unter Versorgungsengpässen litt, bei der Stange gehalten werden muss. Der Staat kam zunehmend in finanzielle Bedrängnis, sodass Kriegsanleihen ausgegeben wurden.

 Die Forschung identifiziert diese Tätigkeit heutzutage als Grundlage für Musils epochales Werk „Mann ohne Eigenschaften“, welches einige autobiografische Motive enthält.

Beim Rundgang durch die Ausstellung haben wir gesehen, dass bekannte Künstler wie Albin Egger-Lienz, Albert Stolz und der Schriftsteller Robert Musil in eine einzigartige Truppe des Heeres eingezogen wurden. Wie war ihr persönliches Verhältnis zu der ihnen übertragenen Aufgabe?
Da treffen natürlich verschiedene Charaktere aufeinander. Wenn ich zwei Beispiele herausgreifen darf: Robert Musil war der Chefredakteur der Soldaten-Zeitung. Diese Tätigkeit übte er für mehr als ein Jahr, bis zur Einstellung der Zeitung aus finanziellen Gründen im Jahr 1917, aus. Die Forschung identifiziert diese Tätigkeit heutzutage als Grundlage für Musils epochales Werk „Mann ohne Eigenschaften“, welches einige autobiografische Motive enthält. Er war sich sicher sehr wohl bewusst, dass seine Notizen von heldenhaften Ereignissen nicht immer mit der Wirklichkeit im Einklang standen. Dem war man sich sicher durchaus bewusst. Ich muss aber dazu sagen, dass Musil oder überhaupt die Künstler nicht direkt an den Kampfhandlungen beteiligt, sondern gewissermaßen Zuschauer der schrecklichen Geschehnisse waren. In Bezug auf Albin Egger-Lienz sieht man, dass er durchaus unterschwellig eine kritische Position einnimmt. Zunächst an der Front am Gardasee, wurde er aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund seines schon fortgeschrittenen Alters nach Bozen versetzt und unternahm von dort aus nur noch kurze Ausflüge an die feindlichen Linien. In seinen Werken zeigt Egger-Lienz die Soldaten als entpersonalisierte Geschöpfe, ja geradezu als Kanonenfutter für die feindlichen Geschütze. Je weiter der Krieg fortschreitet desto deutlicher werden auch die Bilder des Künstlers.

Das Stadtmuseum Bozen fungiert diese Mal als Ausstellungsort. Von wem wurde die Ausstellung kuratiert?
Ich bin seit ungefähr eineinhalb Jahren in das Ausstellungsprojekt involviert, sodass ich schon frühzeitig wusste, welche Objekte zu sehen sein werden. Die Ausstellung wurde von drei Kuratoren, Spezialisten in ihren jeweiligen Fachgebieten, kuratiert: Massimo Libardi aus Borgo Valsugana für die Soldaten-Zeitung und Robert Musil; Fernando Orlandi aus Livico Terme für die Soldaten-Zeitungen generell und die Kriegsmaler-Ausstellungen sowie Carl Kraus für die Auswahl der Kunstobjekte. Die Ausstellung wurde bereits im Sommer diesen Jahres auf Castel Ivano im Trentino gezeigt. Hier im Stadtmuseum Bozen haben wir noch einige Objekte ergänzen können.

Welches der Objekte hat dich persönlich berührt?
Das ist schwierig zu sagen. Ich habe inzwischen die Biografie des innerhalb der Sonderausstellung ebenfalls thematisierten Künstlers Francesco Ferdinando Rizzi gelesen. Er war ein hervorragender Zeichner, der aber ein sehr tragisches Künstlerleben hatte. Aus einer Familie Fassaner Wandermaler stammend, versuchte Rizzi mehrfach, sich an einer der damals renommierten Kunst-Akademien einzuschreiben, wurde jedoch immer abgewiesen. Im Ersten Weltkrieg zeigte er sein Talent in seiner Beobachtungsgabe der Lebensumstände. Die Zeichnungen Rizzi´s zeigen mit nahezu fotografischer Präzison das Leben an der Front. Insgesamt ist aber interessant, dass die Kriegsmaler es vermeiden, den Krieg in seiner zerstörerischen Brutalität zu zeigen. Ich denke, sie waren zunächst alle indoktriniert und erst in einem zweiten Moment, nach dem Weltkrieg, brach die scharfe Kritik an den Kriegsereignissen aus.

Salto.bz in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Museumsverband
www.museumsverband.it