Gesellschaft | Transition Towns

Die Städte von Morgen

In Europa verbreiten sich „Transition Towns“ – nachhaltige, auf regionalen Kreisläufen basierte Gemeinden. Einige Inspirationen für das Südtirol von Morgen.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Aufmachbild
Foto: CHUTTERSNAP on Unsplash

Ob wir wollen oder nicht, unsere Gesellschaft wird sich verändern. Das heißere Klima zwingt uns eine alternative Landwirtschaft auf. Die Ressourcen gehen aus, unseren Konsum werden wir also drosseln müssen. Und das steigende CO2 zeichnet bereits jetzt das Ende der fossilen Brennstoffe ab, wie auf höchster Ebene debattiert wird.

Stellen Sie sich also Ihre Gemeinde vor und fragen Sie sich:

lebe ich in einer nachhaltigen Stadt, Dorf, Region? Bietet Bozen genug regionale Produkte an? Geht Glurns schonend mit seinen Ressourcen um? Fördert Feldthurns die Plastikreduzierung? Streben Südtirols Unternehmen nach einer Kreislaufwirtschaft?

Anders gefragt: lebe ich in einer zukunftsfähigen Gemeinde, die vorbereitet ist auf den Wandel, der kommen wird?
Genau dieses Prinzip verfolgen „Transition Towns“ (= „Städte des Wandels“), die sich in ganz Europa verbreiten. Die Bewegung entstand 2007 auf Initiative des Umweltaktivisten Rob Hopkins.

Arte Doku zu Transition Towns: https://www.youtube.com/watch?v=BMXT2ZQDbns

Gemeinsames Ziel aller Transition Towns: Nachhaltigkeit auf der lokalen Ebene umsetzen, die eigene Gemeinde autonom gestalten und so in das kommende „Postwachstumszeitalter“ führen. Das soll mit verschiedenen Initiativen gelingen, die von lokaler Kreislaufwirtschaft bis hin zu nachhaltigen Gartenprojekten – Permakultur – einen breiten Bogen umspannen. Jede Stadt entscheidet individuell über die Projekte, die sie umsetzen will. Das „Globale Transition Netzwerk“ (hier für den deutschsprachigen Raum) fördert dabei den Austausch der Gemeinden untereinander und bietet einen 12-Stufen-Plan zur Umsetzung der Prinzipien des nachhaltigen Wandels in der eigenen Gemeinde.

Alternative zum Euro
Was Transition Towns häufig einführen: lokale Währungen, um regionale Kreisläufe zu fördern. Euros können in die alternative Lokalwährung getauscht, und in jenen Geschäften ausgegeben werden, die sich der Initiative, und somit einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft verschrieben haben. Der Vorteil alternativer Lokalwährungen: sie zirkulieren schneller und generieren Gewinn für die Region. Denn mit dem Geld kann man nicht an die Börse gehen und spekulieren oder es in der Bank hinterlegen und Zinsen daraus gewinnen. Gewinne gehen somit schneller zurück in einen regionalen Kreislauf, weil das Geld direkt wieder vor Ort ausgegeben wird.

Ein prominentes Beispiel kommt aus der französischen Hauptstadt: Die Pariser können etwa Lebensmittel, Kleider und Klopapier statt mit Euro, mit „Pêche“ bezahlen, wie Salto vor einem Jahr berichtete. Auch in der britischen Stadt Totnes – hier lebt der Begründer der Transition Towns Rob Hopkins – zahlen viele Bewohner mit „Totnes Pounds“. Auch in digitaler Form häufen sich Lokalwährungen wie zum Beispiel „Seeds“. In Südtirol entstand vor kurzem die erste digitale Lokalwährung „Mountex“.

Biologische Selbstversorgung
Das Prinzip von morgen heißt also Regionalität – nicht nur auf finanzieller Ebene. Die Versorgung vor Ort soll besonders für jene Produkte gewährleistet sein, die für das Überleben von Menschen und Umwelt unerlässlich sind: Lebensmittel. Und was ist nachhaltiger als eine regionale, vielfältige und umweltschonende Landwirtschaft?

Kleinstrukturierte, nachhaltige Gemeinschaftsgärten: ein wichtiges Prinzip der Transition Towns ist die biologische Selbstversorgung von Gemeinden

Kuba musste auf schmerzliche Weise erfahren, was es bedeutet, wenn Ernährung auf globale und industrielle Versorgungsketten beruht und diese unterbrochen werden: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es auf dem kommunistischen Inselstaat Lieferengpässe bei Grundnahrungsmitteln. Aus der Notlage heraus entstanden in der Hauptstadt Havanna in jeder Ecke kleine „Schräbergärten“ in denen Obst und Gemüse angebaut wurde. Weil auch keine Pestizide und industriellen Düngemittel geliefert werden konnten, setzte man auf biologischen Anbau. Diese „Organoponicos“ bestehen bis heute und sichern die Lebensmittelversorgung der kubanischen Metropole zu fast 90 Prozent.

Genau darauf setzen viele Transition Towns: auf kleinstrukturierte, ökologisch nachhaltigen Gemeinschaftsgärten, in denen statt Monokulturen, vielfältige Pflanzenarten auf natürliche Weise gedeihen. Das Beispiel Kuba zeigt: eine biologische Selbstversorgung ist möglich.

Die 8000 Einwohner-Stadt Totnes in Großbritannien, aktuelle Heimat von Rob Hopkins und Musterbeispiel für Städte im Wandel, geht noch einen Schritt weiter und möchte bis 2030 auch unabhängig von globalem Erdöl werden. Eine Alternative, die im Städtchen eingesetzt wird: Abfall-Öl aus lokalen Restaurants und Fish-and-Chips-Buden.

Soziale Wirtschaftsmodelle
Doch nicht nur der Natur, auch der Gemeinschaft sollen Transition Towns dienen. Ein bewährtes Modell, das Umwelt- wie soziale Aspekte miteinbezieht ist die „Donut Economy“ von der britischen Ökonomin Kate Raworth. Die Transition Town Amsterdam hat sich als erste Stadt 2020 offiziell dieser Donut Ökonomie verschrieben.

„Donut Economy“: Der Donut (amerikanisches Süssgebäck) dient als Symbol für das alternative Wirtschaftsmodell von Kate Raworth

Das Bild des Donuts – ein amerikanisches Süßgebäcks ähnlich Südtiroler „Epflkiachlen“ – besteht aus einem äußeren und inneren Kreis. Der äußere Kreis steht symbolisch für die Grenzen des Planeten, der innere Kreis für die soziale Grundlage, die jedem Individuum für ein gutes Leben zusteht.

Die Donut-Ökonomie ist also ein Wirtschaftsmodell, das auf diesen beiden Prinzipien beruht: Einerseits Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft, um die Endlichkeit des Planeten zu respektieren, andererseits soziale Gerechtigkeit. Raworth’s Modell orientiert sich dabei an den SDGs.

Konkret heißt das: In Amsterdam soll jede wirtschaftliche Aktivität die beiden symbolischen Donut-Grenzen respektieren, und sowohl im Einklang mit der Natur stehen als auch der Gemeinschaft dienen.
Bis 2030 soll sich etwa der Verbrauch an nicht-wiederverwerteten Ressourcen halbieren. Bis 2050 will sich Amsterdam in eine möglichst geschlossene Kreislaufwirtschaft verwandelt haben, das heißt, jedes Produkt vom Beton für Häuser bis zur Milchverpackung soll nach seiner Benutzung wiederverwendet werden.
Beim sozialen Aspekt hinkt die Stadt noch etwas hinterher, etwa bei Konzepten für bezahlbares Wohnen. Doch entstehen immer mehr Graswurzelbewegungen, die im Rahmen der Donut Ökonomie neue Eigentumskonzepte in der Stadt ausprobieren.

Und das Südtirol von Morgen?
Meran, Brixen, St Ulrich oder Toblach – egal ob Stadt oder Land – die Gemeinden in Südtirol können sich entscheiden: gehören wir zu den Pionieren, die unsere Gemeinde für Morgen aktiv vorbereiten, sie nachhaltiger und lebenswerter mitgestalten? Oder verharren wir im Status Quo, während die Welt um uns sich verändert, und ertragen im Nachhinein die Kosten, die damit einhergehen und den Vorwurf der „Nachzügler“?
Die Entscheidung liegt in der Gemeinde und ihren Mitgliedern. Jeder und Jede kann eine Transition Town Gruppe gründen. Inspiration bietet außerdem der 2016 erschienene Film Tomorrow – die Welt ist voller Lösungen. Und natürlich ist auch jede Gemeinde, jeder Verein, jedes Unternehmen willkommen, Teil des Südtiroler Netzwerks für Nachhaltigkeit zu werden.

 

Dieser Blog wird von der Autonomen Provinz Bozen und vom Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik unterstützt.