Wirtschaft | Arbeitswelt

Zur Zeit nicht erreichbar

Was hält man in Südtirol davon, dass die Franzosen seit Jahresanfang vom “Recht auf Abschalten” Gebrauch machen können und nicht rund um die Uhr erreichbar sein müssen?
Erreichbarkeit
Foto: web

Die zweite Woche des neuen Jahres ist angebrochen. Viele haben damit auch schon den ersten Urlaub 2017 hinter sich, und die Möglichkeit, aus dem Arbeitsalltag abzutauchen und Zeit mit Menschen und Beschäftigungen zu verbringen, für die man sonst weniger Zeit hat.
In Frankreich ist mit Jahresanfang ein neues Gesetz in Kraft getreten, das Arbeitnehmern das “Recht auf Abschalten” zugesteht. Konkret bedeutet das, dass die Angestellten nach Feierabend und an freien Tagen auf den Geräten, die sie zum Arbeiten verwenden – Smartphones, Tablets u.ä. – für den Arbeitgeber nicht mehr zu erreichen sein müssen. Französische Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten werden dazu angehalten, mit den Arbeitnehmervertretern ein Abkommen zu treffen, das dieses Recht im Detail regelt.
In Südtirol steht man einem derartigen Gesetz zweigeteilt gegenüber. Sinnvoll sei es allemal, aber auch notwendig?
 

Martina De Zordo (Südtiroler Jugendring)
Die ständige Erreichbarkeit, auch bei der Arbeit, ist ein Phänomen, das sicher auch mit Entwicklungen wie dem Smartphone zusammenhängt. Es ist grundsätzlich wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, aber schlussendlich muss jeder selbst entscheiden, ob er das Handy auch einmal abschaltet oder vor dem Schlafengehen noch einmal drauf schaut weil er für die Arbeit vorausdenken will. In dieser Hinsicht sind wir alle verschieden und daher gestehe ich mir nicht zu, zu beurteilen, ob ein solches Gesetz wie in Frankreich richtig oder falsch ist. Aber wenn es eine Gesellschaft stützt und braucht, ist es sicher sinnvoll. Allerdings darf man das Recht auf Freiraum keinesfalls an einem Gesetz aufhängen: Jedem Menschen und damit auch Arbeitnehmenden soll Freiraum zugestanden und gegeben werden – und zwar aus einer Grundhaltung heraus.
 

Tony Tschenett (ASGB)
Die Regelung, die in Frankreich eingeführt wurde, ist sicher sinnvoll, denn man muss nicht 24 Stunden erreichbar sein, sondern es braucht Zeit zum Ausruhen und für die Familie. Allerdings braucht es dafür kein Gesetz. Es ist richtig, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nach der Arbeit abschalten können, aber es liegt bei einem selber, ob man um 9 oder 10 Uhr abends noch Mails checken will. Auch glaube ich, dass kein Betrieb jemanden verpflichtet, rund um die Uhr den E-Maildienst und das Handy an zu lassen. Etwas anderes ist der Bereitschaftdienst, der ja bezahlt wird und über Kollektivverträge geregelt ist. Aber auch dort wird geschaut, dass sich nicht immer dieselben melden.
 

Christine Pichler (CGIL AGB, Präsidentin AFI)
Das französische Gesetz ist wichtig. Auch wenn sich vielleicht nichts ändern wird – zum Beispiel weil keine Sanktionen vorgesehen sind für die Betriebe, die sich mit ihren Angestellten nicht einigen –, wird aufgezeigt, dass es ein Problem gibt: Belastung am Arbeitsplatz. Dieses Gesetz, das ich positiv finde, ist ein Ausdruck dafür, dass der Arbeitsdruck stetig steigt. Nicht nur in Spitzenpositionen wie als Manager, sondern auch im Pflege- und Dienstleistungsbereich kommt es vor, dass man ständig abrufbereit sein muss. Daher finde ich es positiv, dass sich der Gesetzgeber damit beschäftigt, weil eben auch andere Probleme aufgezeigt werden.
 

Waltraud Deeg (Personallandesrätin)
In der Landesverwaltung sind die Arbeitszeiten über Kollektivverträge, bis auf einige Abteilungen, in denen es Rufbereitschaft gibt, relativ klar geregelt. Es gibt keine Verpflichtung, ständig erreichbar zu sein. Ein solches Gesetz braucht es es deshalb für die öffentliche Verwaltung nicht. Etwas anders schaut die Situation bei den Ressortmitarbeitern der Landesregierung aus, weil ja auch ihre politischen Chefs in dringenden Fällen oder Krisen erreichbar sein müssen.