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Gesellschaft | Öffentlicher Dienst

Krank im Dienst der Republik

Die Regierung will ein Kavaliersdelikt bekämpfen – das Krankfeiern in öffentlichen Dienst.

Giovanni Mascia, Beamter im Urbanistik-Assessorat der sizilianischen Gemeinde Barcellona Pozzo di Gotto, hält einen kaum beneidenswerten Rekord: von 2012 bis 2015 ließ er sich für fast drei Jahre nie in seinem Büro blicken. Er legte entweder ärztliche Zeugnisse vor oder verschwand nach schneller Bedienung der Stechuhr. Nach drei Jahren wurde Mascia schließlich angezeigt – und mit ihm drei leitende Beamte, die sein Treiben geflissentlich igoriert hatten. Das Gericht bittet ihn mit 64.000 Euro zur Kasse. Viel zu befürchten hat der Gemeindebeamte nicht. Denn Sizilien gilt als Hochburg des assenteismo  und Verurteilungen gibt es dort selten. Meistens kommen die Betroffenen mit einer Suspendierung für mehrere Wochen davon. Das gilt auch für jenen Straßenkehrer aus Vittoria, der sich wegen akuter Rückenschmerzen im Krankenstand befand und gleichzeitig als Kellner in einem Restaurant arbeitete.

Anlass zu Optimismus besteht kaum.

Für Schlagzeilen sorgte in Rom die plötzliche Epidemie unter Stadtpolizisten, als sich am Neujahrstag 2015 gleich 767 – 85 Prozent – krank schreiben ließen. Kein einziger von ihnen wurde belangt – dasselbe gilt für die Ärzte, die ihnen dubiose Scheine ausstellten. Krankfeiern im öffentlichen Dienst galt in Italien schon immer als Kavaliersdelikt. In keinem anderen EU-Staat sind die Zahlen so bedenklich wie in Italien: 30,3 Millionen Arbeitstage fielen 2015 wirklichen oder vermeintlichen Krankheiten zum Opfer. Ein Vergleich verdeutlicht die Anomalie: Der Ausfall im öffentlichen Dienst übertrifft jenen in der Privatwirtschaft um 50 Prozent.                                                             

Besonders schamlos wird in Italien die sattsam bekannte legge 104 ausgenutzt, die  Bediensteten freie Tage zur Betreuung kranker oder behinderter Angehöriger gewährt. Die Kosten betragen drei Milliarden Euro pro Jahr – mit steigender Tendenz. Symptomatisch ist, dass fast 30 Prozent aller Abwesenheiten am Montag verzeichnet werden – in Palermo über 40 Prozent. Der Gesamtschaden durch ungerechtfertige Abwesenheit vom Arbeitsplatz in der öffentlichen Verwaltung wird auf sieben Milliarden Euro jährlich geschätzt. Nun unternimmt die Regierung einen neuen Anlauf zur Abstellung dieser Misstände. Die ärztlichen Kontrollen gehen von den Sanitätseinheiten auf das INPS über, eine Reform der öffentlichen Verwaltung soll grössere Effizienz garantieren. 1300 Ärzte sollen  besonders akribisch jene Krankheitsfälle überprüfen, die vorwiegend am Freitag oder am Montag auftreten. Das Dekret der Ministerin Marianna Madia gegen die "furbetti del weekend" soll in wenigen Tagen verabschiedet werden.

Anlass zu Optimismus besteht kaum. Denn die vielen Anläufe zur Steigerung der Effinzienz in der öffentlichen Verwaltungen haben bisher nur bescheidene Früchte gebracht. Erst vor wenigen Wochen hat das Verfassungsgericht ein Kernstück der Verwaltungsreform rückverwiesen, gegen die insgesamt 140 Rekurse eingebracht wurden. Und auch gegen das jetzt anstehende Dekret ist mit massivem Widerstand zu rechnen. Die Gewerkschaft CGIL droht bereits vorbeugend mit mobilitazione.