Kultur | Salto Weekend

Museumstag im Dorfmuseum

Über den Schatz vom Thalhof und den besonderen Reichtum an Mühlen, Stampfen und Rendln auf dem Gemeindegebiet. Ein Gespräch mit Peter Daldos.
5
Foto: Museumsverein Aldein

Südlich von Bozen, gelegen auf dem Hochplateau des Regglberges, befindet sich umgeben von zahlreichen Weilern und einigen Einzelhöfen der Ort Aldein. Vielen ist die Gemeinde heute durch eine Wanderung zum UNESCO-Weltnaturerbe GEOPARC Bletterbach oder die Besteigung einer der Zwillingsgipfel Weiß- und Schwarzhorn bekannt. Doch nur Wenige wissen, dass es in den 80er Jahren ein Zufallsfund war, der die „Voldeiner“ in Aufruhr versetzte.

Franziska Luther: Warum ist das Dorfmuseum Aldein kein Dorfmuseum im herkömmlichen Sinne?
Peter Daldos:
Das Dorfmuseum heißt zwar immer noch Dorfmuseum, weil es als solches zunächst einmal konzipiert worden ist. Nach dem Fund des sogenannten Schatzes vom Thalhof, einem wirklich sehr umfangreichen Konvolut von sakralen Kunstwerken, wurde die Bezeichnung beibehalten. Ausgestellt werden heute aber nicht die klassischen Objekte, die man normalerweise in einem Dorfmuseum sehen kann, sondern sakrale Kunst aus dem Barock und Rokoko, die durch einen Zufall im Thalhof aufgefunden wurde.

Wie kamen diese wertvollen Objekte nach Aldein?
Die Familie Baroni von Ehrenfeld, eine aus Sacco bei Rovereto stammende Adelsfamilie, erhielt von Kaiserin Maria Theresia das Flößerrecht auf der Etsch zwischen Bozen und Verona, welches ihnen einen gewissen Wohlstand einbrachte. Anhand von Gerichtsakten und Urkunden kann man heute nachvollziehen, dass diese Familie im Jahr 1733 in Aldein einen Bauernhof erwarb. Dieser diente sicher nicht nur zur Kapitalanlage, sondern auch als Sommerresidenz, um der im Etschtal im Sommer häufig grassierenden Malaria zu entgehen. An dieser Hofstelle stand auch eine sechseckige Kapelle, die sogenannte Kapelle Maria Schnee im Tal. Nachdem die Familie sehr religiös war, haben sie die Kapelle in den rund 40 Jahren ihres Besitzes mehrfach neu mit sakraler Kunst ausgestattet. Diese Objekte wurden zu einem uns heute unbekannten Zeitpunkt im Dachboden des Thalhofs eingelagert, wo sie erst in den 80er Jahren wiederentdeckt wurden.

Sicher zum Erstaunen der Bevölkerung? Oder gab es eine Überlieferung, dass genau im Thal-Benefizium ein Schatz versteckt sein könnte?
Nicht, dass ich wüsste. Auch meine Vorgänger im Museumsverein wussten nichts darüber zu berichten. Es hat einen letzten Benefiziaten gegeben, ein Geistlicher namens Jakob Stürz der auf diesem Hof seinen Lebensabend bestritt. Aber auch er hatte keinen Hinweis auf diesen Schatz gegeben. Alle Objekte waren sehr gut verpackt und versteckt, sodass auch niemand auf die Idee gekommen ist, dort etwas Wertvolles zu suchen. Mit dem Wegzug und Aussterben der Familie Baroni zu Ehrenfeld in männlicher Linie wurden die sakralen Gegenstände vermutlich einfach zurückgelassen und vergessen. Als das Museum eröffnet wurde kamen die einheimischen Besucherinnen und Besucher aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Diese Unwissenheit bot einerseits einen gewissen Schutz vor Diebstahl, andererseits kann heutzutage die Provenienz der Objekte nur sehr lückenhaft rekonstruiert werden.
Die Lagerung war für damalige Verhältnisse sicher schon gut, zumindest war es immer trocken. Nichtsdestotrotz haben die paar hundert Jahre dennoch ihre Spuren hinterlassen. Die sehr filigranen silbernen Gürtlerarbeiten waren aufgrund der Lagerung ineinander verknäult, sodass eine Restaurierung, wie auch bei allen anderen Objekten, unabdingbar war. Die Provenienz ist natürlich schwierig zu klären, wenn die Werke nicht explizit signiert sind. Namhafte Kunsthistoriker wie Karl Wolfsgruber und Leo Andergassen haben uns bei der Erforschung der Objekte unterstützt und einige Erkenntnisse ans Tageslicht bringen können. Jedoch ist die wissenschaftliche Bearbeitung des Bestands lange noch nicht abgeschlossen.

Neben den sakralen Objekten finden sich auch berühmte Aldeiner mit einem Portrait im Museum wieder.
Für ein so kleines Bergdorf wie Aldein, das bis in die 60er Jahre nur durch nicht motorisiert befahrbare Feldwege erschlossen war, haben wir doch einige Persönlichkeiten hervorgebracht. Eine dieser war beispielsweise der Kardinal Johann Baptist Franzelin, der Jesuit und maßgeblich am Ersten Vatikanischen Konzil beteiligt war. Dann Andreas Alois Dipauli, der als Waisenkind in Aldein aufwuchs und von seinem Onkel zum Studieren geschickt wurde. Er hat es zum obersten Richter und Gerichtspräsident in Tirol und Voralberg gebracht. Aufgrund seiner Verdienste erhielt er vom Kaiser den Adelstitel „von Treuheim“. Ebenso war er Mitbegründer des Ferdinandeums, dessen Bibliothek zu einem Teil auf seinen Beständen beruht. Maßgeblich für den Wiederaufbau der zerbombten Pfarrkirche von Bozen nach dem Zweiten Weltkrieg war Propst Josef Kalser, der letzte Propst von Bozen, der vom Aldeiner Koflhof stammte. Und natürlich Toni Ebner sen., Mitbegründer der Südtiroler Volkspartei und Direktor der Athesia-Gruppe, der vom Tollhof in Aldein stammte und dessen Familie noch bis heute hier lebt.

Eine Besonderheit sind die „Schiasser-Mühlen“, mit denen früher die Aldeiner Kinder Steinmurmeln aus grobem Gestein formen konnten.

Eine weitere Besonderheit auf dem Aldeiner Gemeindegebiet ist das Mühlenensemble, welches ebenfalls vom Museumsverein betreut wird.
Unser Verein hat knapp 140 Mitglieder, die zum großen Teil aus Aldein kommen. Die Leute sind sehr an der sakralen Kunst, aber auch am bäuerlichen Handwerk interessiert, welches das Dorf viele hundert Jahre lang geprägt hat. Mühlen, Sägen, Stampfen und Schmieden, alle angetrieben durch Wasserkraft, hat es hier in einer Vielzahl bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben. Durch die Elektrifizierung sind diese Mühlen überflüssig geworden und dem Verfall preisgegeben worden. Der Museumsverein hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Kulturgut zu erhalten und für nachfolgende Generationen zugänglich zu machen. Am Thalbach haben wir zunächst eine Säge, eine Stampf und eine Rendel in Stand gesetzt. Hinzugekommen ist schließlich noch eine Schmiede und eine Venezianersäge, die von einem anderen Standort transferiert wurde, um ein ganzes Ensemble zu haben. Eine Besonderheit sind die „Schiasser-Mühlen“, mit denen früher die Aldeiner Kinder Steinmurmeln aus grobem Gestein formen konnten. Wir haben viele Gruppen, vor allem Schulklassen, die dieses Freilichtmuseum besuchen und von unseren engagierten ehrenamtlichen Museumsvermittlern geführt werden. Das dritte Vereinsmuseum ist das GEO Museum in Radein, welches mittlerweile aufgrund der thematischen nähe vom GEOPARC Bletterbach mitgeführt wird.

Wie erklärt sich denn der besondere Mühlenreichtum auf dem Hochplateau?
Aldein ist nicht von besonderen Steillagen geprägt, sondern hat eine nach Süden gerichtete Hangneigung, was zusammen mit dem Wasserreichtum gute Bedingungen für den Getreideanbau bot. Die Bevölkerung hatte aufgrund der Abgeschiedenheit auch kaum ein anderes Einkommen als aus dem gelegentlichen Getreidehandel und der Getreideanbau war neben den Holzvorkommen ihre wichtigste Lebensgrundlage. Bis zum Bau der Straße 1958/59 war der Ort nur auf einem gefährlichen Karrenweg von Montan, Branzoll und Deutschnofen aus mit Fuhrwerken zu erreichen, sodass sich die Bauern selbst versorgen mussten. Neben dem Getreide wurde auch Tabak angebaut, ein Thema, welches wir vom Museumsverein in der nächsten Zeit gerne näher beleuchten möchten.

Salto in Zusammenarbeit mit: Museumsverband Südtirol