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Das Stadtlabor für alle

Metropolen wie Kopenhagen oder Amsterdam zeigen: Die Zukunft der Städte entsteht in den Stadtlaboren. So soll das auch in Bozen sein.

 Nicht selten werden sie lediglich als eine Gruppe von Architekten und Ingenieuren dargestellt, die die Stadt nach ihren Vorstellungen gestalten will. „Das ist aber eine falsche Darstellung“, sagt ein Mitglied auf der Pressekonferenz von lab:bz, die am Dienstagvormittag auf dem Matteotti-Platz stattfand. Sie selbst sehen sich nämlich in erster Linie als BürgerInnen, wie alle anderen auch. In zweiter Linie merkt man aber schnell, dass es BürgerInnen mit den richtigen Fähigkeiten sind, um das gesetzte Ziel zu erreichen.

Das Ziel von lab:bz ist eine lebendigere Stadt, eine Stadt mit höherer Lebensqualität in allen Vierteln. Doch wie soll man das verwirklichen? „Zuallererst muss man eine Analyse des Territoriums vornehmen“, meint der Architekt Luigi Scolari. „Dann kann man dafür Visionen entwickeln.“ Das ist der Punkt, an dem lab:bz gerade steht. Vor zwei Wochen traf man sich, um in einem gemeinsamen Brainstorming Visionen und Ideen zu sammeln. Doch wer allein Visionen allein hat, soll zum Arzt gehen, wusste bereits der deutsche Kanzler Helmut Schmidt. Deswegen will man bei lab:bz auch bald zur Umsetzung der Ideen kommen und spätestens im Herbst die offiziellen politischen Institutionen, d. h. vor allem die Gemeinde involvieren.

Lab:bz versteht sich als Stadtlabor: Ein Raum, in dem jeder sich einbringen kann, um seine Vorstellungen einer besseren Stadt näher an die Wirklichkeit heranzuführen. „Zunächst war es ein Experiment“, sagt Scolari in Hinblick auf das erste Treffen von lab:bz vor zwei Wochen. Doch an großen Beispielen für dieses Experiment fehlte es nicht. „Stadtlabore sind anderswo schon gang und gäbe. Man denke an Kopenhagen oder Amsterdam. Aber auch die Stadt München, wie wir sie heute kennen, wäre ohne die aktive Beteiligung seiner Bürger undenkbar“, bestätigt auch der Architekt Christoph Mayr Fingerle.

Dass das Experiment gelungen ist, beweisen die vielen Ideen, die rund um die verschiedenen Themenpunkte entstanden sind. An Baustellen, an denen es der Ideen der Bürger bedarf, mangelt es jedenfalls nicht. So nehmen 71% der Menschen in Bozen am ökologischen Verkehr (Fahrrad, Bus usw.) teil. Gleichzeitig sind aber immer noch mehr als 70% der öffentlichen Verkehrsflächen für die Befahrung von Autos bestimmt. Ein Verhältnis, das angepasst werden muss, sind sich die Menschen aus dem Stadtlabor einig. Ähnlich verhält es sich auch mit den Parkplätzen: „In Bozen kommt auf jede einzelne Wohnung mehr als ein Parkplatz“, sagt Susanne Waiz. „Wenn wenigstens ein Teil dieser Flächen als Gärten benutzt würden, dann könnten sich viele Bozner selbst versorgen.“ Es geht bei gewissen Punkten also lediglich darum, Prioritäten zu setzen.

Weitere brennende Themen sind das Wohnen, die Integration oder die Sicherheit. Statt von Integration sollte man aber eher von Inklusion sprechen, sagt man im Stadtlabor. Denn Integration suggeriere lediglich eine Anpassung der Fremden an die heimische Kultur. Stattdessen sei es aber noch erstrebenswerter, die Menschen samt ihrer Andersartigkeit in die Gesellschaft einzubinden. Gleichzeitig ist es eine große Aufgabe, auch in der eigenen Bevölkerung unbegründete oder übertriebene Ängste zu beseitigen. Prävention steht übrigens auch beim Thema Sicherheit ganz vorne. „Ich glaube, wir würden uns mit der Präsenz von Soldaten auch nicht freier und sicherer auf unseren Straßen fühlen“ sagt ein Teilnehmer mit Bezug auf die jüngste Forderung der Lega Nord, die Straßen von Bozen durch das Militär zu sichern.

Das waren jetzt nur einige der konkreten Ziele und Ideen. Solange sie aber im kleinen Kreis bleiben, ist es schwierig, dass sie zur Realität werden. Deswegen ist eines der nächsten Ziele, das Stadtlabor zu institutionalisieren. „Während die Stadtviertelräte eine Vermittlungsfunktion zwischen Bürger und Gemeinde innehaben, soll ein Stadtlabor noch mehr sein als das: nämlich ein unparteiischer Beirat der Gemeinde, der umfassende Konzepte und Rahmenprogramme liefert“, erklärt Scolari. Dieser Beirat sei jedoch nicht ein rein wissenschaftlicher Beirat, sondern ein partizipativer: „Und wie jedes partizipative Projekt muss auch lab:bz gut gesteuert werden, sonst werden die Menschen bald müde“, sagt Scolari. „Aber vor allem müssen bald konkrete Ergebnisse kommen.“