Kultur | Urbanität

Hallo, ich bin urban.

Erstes Semester an der Uni. Ein Kreis voller junger Architekturstudenten. Ein Junge neben mir steht auf und stellt sich vor. Hallo, ich bin Urban.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Über den Dächern.jpg
Foto: Thomas Huck

Text: Thomas | Hucky | Huck

In Zusammenarbeit mit der Architekturstiftung Südtirol / in collaborazione con la Fondazione Architettura Alto Adige.

 

Die Professoren lachen und auch unter den Studenten sehe ich den einen oder anderen Grinser. In den kommenden Monaten und Jahren werden wir lernen, was es damit auf sich hat, und es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass man über seinen Namen lachen wird.

Denn er ist das, was alle sein wollen, urban.

 

Eine urbane Stadt, ein urbaner Ort, ein urbanes Leben. Schlagwörter, mit denen Städte, Firmen und Immobilien werben. Doch was genau bedeuten sie und was versteht man umgangssprachlich darunter. Wie messbar ist Urbanität oder was bringt es uns, urban zu sein. Und was genau hat das eigentlich mit der Stadt zu tun?

 

Die Stadt als solche verfügt seit jeher über einen Bedeutungsüberschuss und ist dadurch in der Lage, auch umliegendes Land mitzuversorgen und erzeugt so eine Sogwirkung auf diese Gegend. Inzwischen gibt es dieses Phänomen nicht nur zwischen Stadt und Umland sondern auch innerhalb der Stadt zwischen den Vierteln und Bezirken. Und genau, um diese „attraktiveren Orte“ zu beschreiben, wird heutzutage wohl am meisten das Wort urban benutzt. Während sich manche Orte schwer tun, Angebote abseits der Grundversorgung - also Geschäften mit Dingen für das tägliche Leben - anzubieten, ermöglicht dieser Andrang von draußen nicht nur eine größere Auswahl an Produkten, sondern auch das Anbieten von Nischenprodukten. Dabei sind diese Angebote nicht nur materiell zu verstehen, sondern können auch jegliche andere Form annehmen (Unterhaltung, Dienstleistung, Angebote geistiger Natur….). Dadurch kommen nicht nur mehr Kunden zusammen, sondern auch viel unterschiedlichere. Daraus entwickelt sich ein Sammelsurium aus verschiedenen Menschen und Lebensformen, welche auf begrenztem Raum aufeinander stoßen. Und genau aus diesem Zusammentreffen können wiederum neue Situationen und Angebote entstehen. Es entwickelt sich ein urbanes Leben.

 

Ein Ort, wo ständig etwas passiert und man immer auf irgendwas Neues zu treffen hofft.

Dabei kann es sein, dass es Orte sind, welche tagsüber vor Leben strotzen, nachts aber verlassen sind, gleichzeitig gibt es irgendwo anders das nächtliche Äquivalent dazu. Andererseits gibt es Orte, welche sowohl tagsüber wie nachts von Menschen überfüllt sind, an denen nach ein paar Monaten oder Jahren aber eine totale Verlagerung dieser Situation stattfindet. Urbanität ist nicht konstant, man muss sie wohl eher als Momentaufnahme, wenn nicht sogar nur als Gefühl verstehen.

 

Optisch verbinden wir dieses Gefühl oft mit seinem Hintergrund, der Stadt, deshalb ist es hilfreich, zwischen urbanen Orten - als abstraktes Wort - und urbanem Raum – als gebautes Umfeld - zu unterscheiden. Wobei der urbane Raum zur Urbanität beiträgt, jedoch nicht per se urban ist, also auch die Stadt selbst scheint nur ein Nebeneffekt dieses Urbanen zu sein. Denn dort, wo viel geschieht, gibt es mehr Menschen, mehr Arbeit und dadurch auch einen größeren Platzbedarf auf begrenztem Raum. Es wird enger gebaut und gelebt. Das uns bekannte Stadtbild entsteht. Diese Enge wiederum bedeutet immer mehr Kontakt zwischen Menschen und Lebensformen und noch größeres Interesse nach diesem begrenzten Raum, die Stadt wird immer enger und höher. Dadurch wird die Stadt zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung, denn da sie bereits ein besonderer Ort ist, wird sie zu einem besondereren Ort.

 

Den historischen Ursprung dieses urbanen Gefühls findet man jedoch eher auf den Märkten der Geschichte, besonders jenen, die nicht regelmäßig oder nur jährlich stattfinden. Je seltener der Markt, von umso weiter her die Leute. Wandermärkte und Jahrmärkte zogen seit jeher nicht nur Händler aus allen Richtungen herbei, sondern auch Besucher und erzeugten so schon vor Jahrhunderten dieses Sammelsurium aus Menschen. Als Großereignisse folgten ihnen auch damals Unterhaltung, Feierstimmung und Exzesse, Begleiterscheinungen, welche man heutzutage nur zu gut von urbanen Orten aus der ganzen Welt kennt.

 

Das Zusammenspiel von Geld und Unterhaltung, also ökonomischen und gesellschaftlichen Überlegungen, scheint der Kern des Urbanen zu sein.

Daher sind die besten Indikatoren für so eine urbane Stadt Dinge, die ebenfalls diese zwei Sachen verbinden. So bieten urbane Orte meist eine enorme Dichte an Restaurants, Cafés und dergleichen, oder man erkennt sie am dicht ausgebauten Nahverkehr. Dabei ist dies nicht nur auf Großstädte zu beziehen, welche mit U-Bahn, Tram und weiteren Verkehrsmitteln einen vielseitigen Nahverkehr anbieten, sondern auch auf kleinere Städte oder inzwischen sogar Dörfer. So ist St. Ulrich in Gröden mit seiner Fußgängerzone, der Promenade, den Rolltreppen und Brücken vielleicht genauso urban wie beispielsweise Wien, jedoch jeder der zwei Orte auf seine jeweiligen Bedürfnisse und Größe bezogen.

 

Eine genaue Liste an Punkten, die man für einen urbanen Ort abhacken muss, gibt es also nicht und eine Vollständigkeit ist auch gar nicht nötig. Denn das einzige, was alle Orte gemeinsam haben ist, dass sie sich ständig verändern und sich an die Gegebenheiten anpassen. Gäbe es also eine Liste, auf der man irgendwann alle Punkte abgehackt hätte, wäre Stillstand die Folge und das Urbane per se dahin.