Politik | Landtagswahlen

"Nicht unbedingt rechts"

Benjamin Pixner, Landesjugendsprecher und Landtagskandidat der Südtiroler Freiheit, über "scheibchenweise Assimilation" die Doppelstaatsbürgerschaft und Eva Klotz.
Benjamin_Pixner_Südtiroler_Freiheit
Foto: Ruth Fulterer

Benjamin Pixner, Jahrgang 1990, ist Landesjugendsprecher Südtiroler Freiheit und Landtagskandidat. Was für Ansichten bringen einen jungen Menschen zu dieser Lederhosenpartei, die „deutsche Kinder in deutschen Kindergärten“ fordert und deren politische Ziel die Abspaltung Südtirols von Italien ist?
Treffpunkt ist das Hotel Laurin in Bozen. Wir setzen uns in den Gastgarten.

 

salto.bz: Was bringt einen jungen Politikinteressierten wie Sie zur Südtiroler Freiheit?

Benjamin Pixner: Volkstumspolitik hat mich schon in der Mittelschule interessiert. Und mein Vater war in der damaligen Union politisch tätig. Die Spaltung der Partei war bei uns zuhause ein großes Thema, und als sich die Südtiroler Freiheit neu gegründet hat, habe ich mich ihr mit viel jugendlichem Enthusiasmus angeschlossen.

Sie haben vor 5 Jahren schon einmal kandidiert. Was werden Sie diesmal anders machen?

Damals war ich ja noch jünger als jetzt, und habe für die erste Kandidatur recht gut abgeschnitten, deshalb werde ich so weitermachen wie bisher.

In der Zwischenzeit waren Sie als Gemeinderat tätig – hat sich Ihr Blick auf die Politik nicht geändert?

Ich bin sicher reifer geworden und konnte Erfahrung sammeln. Ich gehe jetzt anders in Diskussionen und Gespräche als früher, überlegter und konstruktiver.

Wir alle sind durch das Erbe von Eva Klotz geprägt

Konstruktiver – heißt das kompromissbereiter, weniger naiv vielleicht?

Sicherlich. Als junger Mensch hat man eine harte Stirn und sieht vor allem, was man selber will. Später hört man eher andere Meinungen an und kann vielleicht Verbindungen herstellen.

Gibt es dafür ein Beispiel – für die Zusammenarbeit mit anderen Parteien, das Finden von Kompromisslösungen?

Nein, da fällt mir eigentlich nichts ein. In den uns wichtigen Themen haben wir uns immer durchgesetzt.

Eure fünf Kernthemen sind Identität, Heimat, Selbstbestimmung, doppelte Staatsbürgerschaft, kontrollierte Ausländerpolitik und Transitbelastung. Das ist doch vier von fünf Mal dasselbe?

Wir Jugendvertreter in der Partei haben uns auch andere Punkte überlegt, die Abwanderung vom Land, Bürgerkunde in der Schule, etc. Aber ja, insgesamt bleibt Volkstumspolitik unser Hauptthema.

Das heißt, ihr wollt einen unabhängigen Staat Südtirol? Oder den Anschluss an Österreich?

Wir haben immer schon gesagt, das muss dann das Volk entscheiden, nach einem jahrelangen Prozess, durch den geklärt wird, wie das im Detail ausschaut mit Rechten, Steuern, und so weiter.

Wir sind unseren Zielen treu geblieben, während die Freiheitlichen immer mehr auf das Ausländerthema reingehaut haben, um Stimmen zu bekommen.

Warum diese Abgrenzung in einem immer offeneren Europa?

Wir finden, hier muss ein historisches Unrecht wieder gut gemacht werden. Dazu kommt der wirtschaftliche Faktor, aber hauptsächlich soll es ums Historische gehen. Und Europa war ja immer im Wandel. In meinen Augen wäre das Ziel ein Europa der Regionen.

Interessant, das fordern ja auch eher links-alternative Gruppen, denen das Europa der Nationalstaaten zu verschlossen und undemokratisch ist. Aber auf EU-Ebene arbeitet ihr ja auch mit den Grünen zusammen.

Ja auf europäischer Ebene sind wir mit der EFA vernetzt, der Europäischen Freien Allianz (Zusammenschluss von Regionalparteien, zB. der Sarden, Katalanen, Frisen, Anm.), die gemeinsam mit den Europäischen Grünen eine Fraktion bildet. Von den Medien wird das Selbstbestimmungsthema immer ins rechte Eck gedrückt. Aber es ist ein Thema für alle Altersklassen und unabhängig von anderen politischen Meinungen. Wir sehen uns nicht unbedingt als rechts.

Was unterscheidet euch von den Freiheitlichen?

Wir sind unseren Zielen treu geblieben, während die Freiheitlichen immer mehr auf das Ausländerthema reingehaut haben, um Stimmen zu bekommen. Wir hingegen sprechen auch andere Themen an.

Aber Tradition und Ausländerpolitik sind auch bei euch zentrale Themen.

Ja, es gibt Überschneidungen und in der Vergangenheit gab es Überlegungen, die Parteien zusammenzuführen. Aber es gab immer bestimmte Interessen, die auseinandergingen, deshalb gibt es noch zwei verschiedene Parteien.

Südtirol ist ja schon lange bei Italien, wir sind zweisprachig und leben gut mit beiden Traditionen. Woher kommt diese Angst vor einem Verlust der Identität?

Man gewöhnt sich an die Ist-Situation. Zum Beispiel die faschistischen Relikte, die einen ehemaligen Diktator verherrlichen. Genau hier zeigt uns die italienische Seite, wo wir hingehören, wie wir unterdrückt werden. Auch die Schule spielt eine große Rolle – Stichwort CLIL-Unterricht (Content and Language Integrated Learning – Inhaltlicher Unterricht in einer Fremdsprache, Anm.) – hier wird versucht, die deutsche Mentalität und Kultur scheibchenweise zu assimilieren.

Zum Thema Doppelstaatsbürgerschaft – wird das mit der neuen ÖVP-FPÖ Regierung in Österreich einfacher?

Das Thema war ja schon vor dieser Regierung breit diskutiert, aber natürlich war sie bei der FPÖ schon lange ein Thema, sicher auch, weil man sich in Südtirol Wählerstimmen erhofft. Weil die derzeitige Regierung dafür bekannt ist, dass sie Nägel mit Köpfen macht, glaube ich, dass die österreichische Staatsbürgerschaft für uns Südtiroler realistisch wird.

Es gibt Überschneidungen mit den Freiheitlichen und in der Vergangenheit gab es Überlegungen, die Parteien zusammenzuführen. Aber es gab immer bestimmte Interessen, die auseinandergingen, deshalb gibt es noch zwei verschiedene Parteien.

Wie steht ihr zur FPÖ?

Insgesamt wollen wir zu allen Parteien Kontakt haben. Aber die FPÖ und wir haben sicher viele Themen gemeinsam.

Im Moment höhlt die „soziale“ Heimatpartei FPÖ das österreichische Sozialsystem ja eher aus.

Genau aus solchen Gründen wollen wir uns nicht mit einer Partei identifizieren, wir suchen das Gespräch mit allen Parteien.

Wie hat der Abgang von Eva Klotz die Partei verändert?

Wir alle sind durch das Erbe von Eva Klotz geprägt und gehen ihren Weg weiter. Und sie unterstützt uns immer noch, wenn sie neben der Pflege ihres Mannes Zeit dafür findet.

Was sind die Erwartungen an die Landtagswahl?

Bisher haben wir Stück für Stück dazugewonnen. Vielleicht erreichen wir ja diesmal das vierte Mandat.

Euer Auftritt on- und offline ist ziemlich professionell. Wo lernt ihr das?

Wir haben einige schlaue Köpfe in der Bewegung, von denen wir jungen Leute viel lernen. Und wir schauen auch nach Österreich und Deutschland, wie dort Wahlkämpfe gehalten werden und richten uns danach.

 

Pixner trinkt aus und nimmt noch zwei Anrufe entgegen. Der gelernte Koch arbeitet als Kundenberater für GastroFresh. Er tippt die Bestellungen auf dem Tablet ein. Bei seiner Arbeit hätte er mit Italienern zu tun, sagt er, und manche gratulierten ihm zu seinem Engagement in der Politik: „Auch wenn sie nicht meiner Meinung sind, wissen sie, ich rede mit allen und kann gut zuhören.“
Tatsächlich hat Pixner Gespür für sein Gegenüber, er ist einer, der nachfragt und sich für andere Lebensrealitäten zu interessieren scheint. Oft gibt er einem Recht, sagt: „Genau, da bin ich ganz deiner Meinung.“. Öfter, als die Meinungen sich bei genauem Hinschauen überdecken.
Sachlichkeit sei ihm auch beim Ausländerthema wichtig, sagt er, wo es ihm nicht darum geht, alle draußen zu halten, sondern um geordnete Integration, um Legalität und darum, die Bürger zu informieren. Außerdem lernten zu viele der Zuwanderer Italienisch statt Deutsch, was nach und nach den Proporz kippen könnte. Da ist es wieder, das Gespenst der Italianisierung.
Was ist das für einer, der da für die Südtiroler Freiheit antritt? Grundsätzlich vernünftig, offen für andere Meinungen und bereit zur Zusammenarbeit? Oder einer, der sich einfach an das anpasst, was sein Gesprächspartner hören will?
Jedenfalls einer, von dem man noch hören wird. 

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rotaderga Do., 09.08.2018 - 12:26

Ich schaffe es immer noch nicht auf Anhieb zwischen Südtiroler Freiheit und Freiheitlichen zu unterscheiden. Die einen haben eben die Selbstauflösung versucht und die anderen versuchen es mit kulinarischen Experten. Politik geht durch den Magen!

Do., 09.08.2018 - 12:26 Permalink
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rotaderga Do., 09.08.2018 - 17:33

Wen soll der die Arbeiterinnen wählen, wen soll der Rentner wählen, wen soll die Hausfrau wählen. Wen sollen Häuslebauer wählen, wen sollen die Ausgewanderten wählen. Wen wählt der Kranke, der Gesunde usw usw.
Was bisher präsentiert wurde von diesen Möchtegerns sind pseudo " volkstdummspolitische Hetzereien" Da will man lieber gleich daheim bleiben.

Do., 09.08.2018 - 17:33 Permalink
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Christian Mair Fr., 10.08.2018 - 09:42

@redaktionsalto
Hier wird zwar eine Person interviewt, dennoch stehen Inhalte im Vordergrund. Fuer den zukuenftigen Wahlkampf, waere wuenschenswert Themen zu vertiefen, mehr auf den Zahn zu fuehlen bei Dingen die fuer alle Menschen des Landes wichtig sind: Gesundheit, schule, Verwaltungsreformen, Investitionen..
So koennte die Identifikation mit Autonomie fuer alle funktionieren...

Die 4. Gewalt sollte nicht Parteipropaganda ausfuehren, sondern eine Aufgabe von Transparenz und Populismusvermeidung (auch der Mitte) uebernehmen.

Fr., 10.08.2018 - 09:42 Permalink