Kultur | Salto Afternoon

Japaner, Maulwürfe & Gott

Die Drehbuchautorin und Regisseurin Lola Randl ist mit ihrem Romandebüt „Der große Garten“ für den Franz-Tumler-Literaturpreis 2019 nominiert.
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Foto: Matthias Lüdecke

Das Erstlingswerk von Lola Randl beginnt mit einer Pastinake. Wie sie aussieht, wie sie schmeckt, wie man sie am besten lagert. Dass man auch „der Pastinak“ sagen kann. Die Protagonistin und Ich-Erzählerin will nämlich ein Gartenbuch schreiben. Sie ist mit Kind und Kegel sowie ihrer Mutter (die das mit dem Gartenbuch für eine Schnapsidee hält, weil die Protagonistin maximal einen braunen Daumen hat) von der Großstadt Berlin in die brandenburgische Provinz gezogen.

Lola Randl packt alles hinein in ihr Romandebüt: schillernde Figuren, eine originelle Perspektive, vielfach starke Episoden. 

Das Ganze kommt sehr beiläufig daher, die vielen kleinen Unterkapitel beginnen oft im Stile einer Definition, die sich manches Mal liest wie Wikipedia für Kinder. Stilistisch gesehen hätte der Tonfall wohl etwas weniger naiv ausfallen dürfen, es fällt mitunter schwer, sich hinter diesem Ton kein Kind mit guter Beobachtungsgabe, sondern eine erwachsene, kluge Frau vorzustellen. Und doch ist die unverstellte kindliche Perspektive an sich wahnsinnig charmant, besonders wie dadurch komplexe Zusammenhänge oder philosophische Fragen erklärt und Zwischenmenschliches sehr präzise auf den Punkt gebracht wird.

 

Das Zwischenmenschliche ist tatsächlich die große Stärke in dieser vermeintlich lauschigen Geschichte. Da sind diese fantastischen abendlichen Bettgespräche zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem Mann (lakonisch nur „der Mann“ genannt), die meist in ein schnelles Einschlafen des Mannes und einen rastlosen Gedankensturm der Protagonistin münden – was mitunter auch eskaliert: „In der Nacht, als alle schliefen, habe ich im Internet einfach alle Pflanzen bestellt, die ich mir wünschte.“

 

Da ist außerdem noch der Liebhaber, zu dem das Verhältnis leicht getrübt ist, seit er ganz offiziell ihr Liebhaber ist, was zum traurigsten XXL-Family-Pommes-Essen aller Zeiten führt. Außerdem der Analytiker, zu dem sie eigentlich nicht mehr geht, mit seinem Faible für Dick-Pics. Die Mutter, die ihre ganze Lebensenergie in das Anlegen der perfekten Wiese steckt. Die ganzen Achtsamkeits-Hipster aus der Großstadt, die selbstverständlich alle nicht mehr arbeiten, sondern „Projekte haben“. Und mittendrin die Dorfbewohner mit ihrem Dorfalltag. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass sich daraus ganz wunderbare lakonisch-pointierte Dialoge ergeben. Sehr subtil entlarvt Lola Randl, häufig auch durch die Vermenschlichung von Tieren und Pflanzen, die kleinen und großen Regungen des menschlichen Gemüts.
Nur, so wunderbar das alles auch gelungen sein mag, kommt doch immer mal wieder leise die Frage auf, welche Dringlichkeit das Erzählen hier antreibt. Warum will diese Geschichte unbedingt erzählt werden? Will sie das überhaupt, so ganz unbedingt-unbedingt? Lola Randl packt alles hinein in ihr Romandebüt: schillernde Figuren, eine originelle Perspektive, vielfach starke Episoden. Als Ganzes aber bleibt „Der große Garten“ doch zu harmlos.