Umwelt | Sustainability Days

„Warten wir nicht bis es zu spät ist“

Aktivistin Daze Aghaji spricht in einem Interview über Klimagerechtigkeit, Politik und die Liebe zur Natur.
Daze Aghaji
Foto: Youtube
Etwas anders und zwar mit den Worten „Schließt eure Augen und fragt euch selbst: Warum bin ich hier?“, begann Daze Aghaji ihren Talk am dritten Tag der Sustainability Days, der ganz im Zeichen der Jugend stand. Die Aktivistin erzählte wie sie eher zufällig zu Extinction Rebellion fand und sich kurz darauf, mit 19 Jahren, als jüngste Kandidatin für das europäische Parlament aufstellen ließ. Anhand ihrer eigenen Geschichte erklärte sie dem Publikum, dass an diesem Tag vor allem aus Jugendlichen bestand, wie sie durch Trauer zum Handeln bewegt wurde.
 
Salto.bz: Frau Aghaji, Sie sind nicht nur Aktivistin für das Klima, sondern auch für Klimagerechtigkeit. Was kann man sich darunter vorstellen?

 

Daze Aghaji: Wenn ich über Klimagerechtigkeit spreche, dann spreche ich über die Erkenntnis, dass der Klimawandel geschaffen wurde, aufgrund von Problemen, die die soziale Gerechtigkeit betreffen. Meistens nutze ich die Inclosure Acts aus der Geschichte Großbritanniens um den Beginn der Klimakrise zu illustrieren. Im Mittelalter entschied der König den Bauern ihr Land zu entziehen. Das brachte die Menschen und die Natur auseinander. Damit wurde diese Kultur des Nicht-Verbunden-Seins geboren, die die Klimakrise ausgelöst hat. Wir wissen nicht mehr, wie wir mit der Natur umgehen-, wie wir uns um sie kümmern sollen. Wir nutzen fossile Brennstoffe, wir zerstören den Amazonas. Wen kümmert es? Was jetzt passiert, ist das Mutter Erde sagt: Genug ist Genug! Sie weckt uns auf und zeigt uns auf ihre Art und Weise, dass wir unser Verhalten ändern müssen. Ich spreche also von dieser Erkenntnis. Diese Kultur des Nicht-Verbunden-Seins hat dazu beigetragen, wie wir uns gegenseitig behandeln. Wir kümmern uns nicht um Menschen, aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Sexualität. Dieselbe Essenz hat die Klimakrise kreiert. Die einzige Möglichkeit die Klimakrise zu lösen, ist es diese sozialen Probleme auch zu lösen. Denn wenn wir an einen Punkt kommen, an dem wir eine Technologie entwickeln, um den ganzen Kohlenstoff in der Atmosphäre loszuwerden-dann werden wir eine neue Krise erschaffen. Warum? Weil wir das eigentliche Problem nicht gelöst haben.

Denn am Ende des Tages, ist es nicht nur unsere Generation, die leiden wird. Es sind die Generationen, die noch kommen werden.

Gibt es ein Thema das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Ich würde sagen, dass ich gerade in einer Übergangssituation bin. Ich habe als Klima-Aktivistin begonnen, habe viele Grass-root Aktionen gemacht. Jetzt beschäftige ich mit nature-connection-work. Das heißt: Wie kann ich Menschen dazu bringen, die Natur so zu lieben, dass sie sich selbst als Teil der Natur sehen? Dieser Gedanke steht für viele indigene Gruppen mit denen ich gearbeitet habe, aber auch für meine eigenen indigenen Herkunft.  Wo ich herkomme, im Nigerdelta, gibt es  eine Göttin, die den Erdboden, auf dem wir uns Tag für Tag befinden, verkörpert. Deswegen ist der komplette Boden heilig für meine Leute. Die Idee ist, dass sie all diese Dinge, also Leben, Sterblichkeit, Kreativität in sich trägt. Wenn wir also die Erde schützen wollen, schützen wir nicht nur die Erde an sich, sondern wir schützen das was heilig ist. So wird es zur moralischen Verantwortung, ihr keinen Schaden zuzufügen. 

 

 

Sie haben 2019 für die einen Sitz im europäischen Parlament kandidiert, und sind auch jetzt noch politisch aktiv. Was würden Sie machen wenn Sie für einen Tag Ministerpräsidentin wären?

Als erstes würde ich das politische System ändern. Es geht nur um Partei-Politik, bei der wir uns die ganze Zeit bekriegen, anstatt gemeinsam zu diskutieren, wie wir die Welt zu einem besseren Ort machen können. Politik sollte ein Ort der Zusammenarbeit sein und kein Wettbewerb. Deswegen würde ich die Menschen ins Zentrum des politischen Systems rücken. Sodass Menschen aktiv in der Politik mitwirken können, und zwar nicht nur durch Wahlen, sondern jeden Tag. Ich würde also auch den Posten des/der Ministerpräsident:in abschaffen. Ansonsten würde ich unser Bildungssystem ändern. Es bringt uns nicht wirklich Dinge bei, die wir brauchen um zu leben. Wir lernen nicht wie man sich mit der Natur zu verbindet oder wie man Nahrungsmittel anbaut. Das sind Dingen, die die Menschen vor uns konnten, zu denen wir aber keiner Verbindung mehr haben. Diese beiden Dinge würde ich zuerst machen.

Es ist sehr wichtig, dass wir als junge Menschen lernen, wie man sich um sich selbst und um die eigene mentale Gesundheit kümmert. Aber auch, dass man um Unterstützung bittet.

Was raten Sie jungen Menschen, die sich für etwas einsetzen möchten, aber nicht wissen wie?

Bei mir war es das Gefühl von Unbehagen, dass mich lange Zeit begleitet hat, das mir geholfen hat endlich etwas zu machen. Denn wenn wir mit etwas konfrontiert werden, dass uns überfordert, dann sind wir Menschen so programmiert, dass wir entweder von dem Problem wegrennen oder so tun als wäre es nicht da. Das ist völlig normal. Aber wir sollten uns fragen: Welche Art von Unterstützung brauche ich, um für etwas zu kämpfen. Es ist sehr wichtig, dass wir als junge Menschen lernen, wie man sich um sich selbst und um die eigene mentale Gesundheit kümmert. Aber auch, dass man um Unterstützung bittet. Ich musste auch verstehen, dass ich nicht besonders bin, wenn ich all diese Dinge mache. Ich schaffe nicht alles alleine, sondern durch mein Umfeld, das mich unterstützt. Das mir geholfen hat zu handeln. Deswegen glaube ich, dass jeder und jede von uns diese Unterstützung haben sollte, so wie ich sie in Extinction-Rebellion gefunden habe und in meiner Familie. Und wenn du kein unterstützendes Umfeld hast, dann schaffe dir dein eigenes!

 

 

Viele Menschen, vor allem aus älteren Generationen, haben nicht immer Verständnis für die Aktionen von Aktivist:innen. Was sagen Sie dazu?

Es ist nicht so, dass man einen Tages aufwacht und denkt: heute bin ich bereit mich an einer Straße festzukleben. Das ist nicht normal. Aber es zeigt die Verzweiflung der Menschen. Menschen erkennen den Ernst der Lage und sagen: Hört uns zu! Und manchmal, auch wenn du die  Art und Weise nicht verstehst oder sie nicht befürwortest, vielleicht kannst du einfach versuchen zuzuhören. Ich dachte, dass ich Historikerin werden würde. Ich liebe Geschichte. Ich dachte, dass ich Akademikerin sein würde. Eines Tages würde ich das auch gerne wieder machen. Also hört einfach zu. Lasst uns versuchen zusammenzuarbeiten, um dieses kollektive Problem zu lösen. Denn am Ende des Tages, ist es nicht nur unsere Generation, die leiden wird. Es sind die Generationen, die noch kommen werden. Auch Menschen der älteren Generationen erleben zumindest den Anfang der Krise mit. Ich habe gehört, dass der Sommer auch für diese Region schwierig war, weil viele Gewässer ausgetrocknet sind. Wir alle sehen also die Zeichen, lasst uns nicht warten bis es zu spät ist.

 

 

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Josef Fulterer So., 11.09.2022 - 06:44

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Die Weichen für die größten Umwelt-Sünden, müssen aber von "Denen da Oben" gestellt werden:
> beim Flugverkehr, "auch in Südtirol, wo vor dem Verkauf die Bilanz mit fast 5 Mio. € gemästet wurde," die Versteigerung aber kaum 4 Mio. € eingebracht hat! ... und mit Steuer-freiem Treibstoff direkt in den bekämpfung-Schirm hinein sch... und dem die "AUTONOME PROVINZ BOZEN noch immer die kostspielige Brandbekämpfung spendiert."
> beim Straßen-verstopfenden Privat- und Lastenverkehr, bei dem nur mit Sau-teuren Flickwerk "herum gedocktert wird"
> bei der unsinnigen "breit- + hoch- + tief-verglasten Architektur und den Welness-Energie-Schleuder-Hotels, die in den 3 wärmeren Jahreszeiten mehr Energie brauchen um die Räume zu klimatisieren, wie für die Heizung im Winter.
> beim NEO-LIBERALEN Treiben auf den internationalen Finanz-Märkten, das über 90 % des Kapitals noch immer "STEUER-frei bewegt und damit immer mehr Menschen, "die für Ware und Dienstleistung arbeiten," in die bittere Armut treibt.

So., 11.09.2022 - 06:44 Permalink