Politik | Meran

„Im Grunde ist mir Geld nicht wichtig“

Der Filmemacher Alexander Schiebel gilt als Vertrauensmann von BM Paul Rösch. In Meran ist er wegen einer Direktbeauftragung durch die Gemeinde unter Beschuss geraten.

In Südtirol lebt er erst seit knapp drei Jahren, trotzdem hat er schon viel von sich reden gemacht: Der gebürtige Salzburger Alexander Schiebel hat mit professionellen Videos und einer geschickten Facebook-Strategie im Frühling 2015 zum Wahlerfolg des heutigen Meraner Bürgermeisters Paul Rösch beigetragen. Sein Filmprojekt „Das Wunder von Mals“ hat viel Staub aufgewirbelt, ebenso ein Streit mit der Südtirol Marketing Gesellschaft um die Grenzen von Satire. Derzeit bastelt Schiebel im Auftrag der Gemeinde Meran an einem Konzept für eine Ideensammelstelle im Sinne der partizipatorischen Demokratie. Für die Lista Civica hat das Ganze eine schiefe Optik.

salto.bz: Herr Schiebel, Sie haben auf Ihrer Facebook-Seite ein Bild vom heutigen Artikel der Tageszeitung Alto Adige gepostet, in dem es um die Anfrage der Lista Civica zu Ihrer Direktbeauftragung durch die Gemeinde Meran geht. Amüsiert Sie dieser Angriff?

Alexander Schiebel: Ich würde nicht sagen, dass es mich amüsiert, aber ich sehe darin schon ein bisschen einen Tiefpunkt, was die Qualität des Journalismus in Südtirol betrifft. Ich glaube, dass es bei allen Dingen auf die Resultate ankommt. Wir müssen schauen, was ist mit dieser Ideensammelstelle gemeint, wie wird das funktionieren, und dann am Ende, wenn es vielleicht gelungen sein wird, Meran zu einer lebendigeren Stadt zu machen, in der viel politische Willensbildung auch außerhalb der Gemeindeverwaltung stattfindet, dann schaut man, ob es gut oder schlecht war, aber nicht jetzt. Das ist ein bisschen lächerlich.

Die Zeitung berichtet über eine Anfrage an den Bürgermeister.
Der Artikel operiert auch mit Unterstellungen, die mit der Anfrage nichts zu tun haben.

Der frühere Landeshauptmann Luis Durnwalder sagt in dem Film von Karl Prossliner: Selbstverständlich arbeite ich mit den Leuten meines Vertrauens zusammen, wie denn auch sonst soll ich etwas weiterbringen im Lande? Das ist vielleicht ein bisschen altmodisch, aber es gefällt mir.

Sie sind ein Vertrauensmann von Bürgermeister Rösch und haben seinen Wahlkampf maßgeblich mitgestaltet, und dieser Mann bekommt jetzt ohne Ausschreibung einen direkten Auftrag vom Meraner Stadtrat. Wenn man das Ganze von außen betrachtet, kann man sich schon fragen, ob Freunderlwirtschaft mit im Spiel ist. Grundsätzlich ist der Verdacht doch legitim, oder nicht?
Die interessante Frage ist doch, ob jemand, der im Wahlkampf im Bereich der sozialen Medien eine gute Leistung erbracht hat, mit einem Arbeitsverbot belegt werden sollte, was die Gemeinde Meran betrifft. Das ist doch auch ein bisschen albern, nicht? Dass wir uns anhören, was die Leute sich wünschen und welche Vorschläge sie haben, und dass wir diese Ideen sammeln, damit sie nicht verloren gehen, das war ein wichtiges Versprechen von Paul Rösch im Wahlkampf. Vor diesem Hintergrund war es für mich naheliegend, der Gemeindeverwaltung einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Übrigens hat der Bürgermeister die Stadtratssitzung verlassen, als mein Vorschlag diskutiert werden sollte, weil er ja voreingenommen sein könnte. Letztlich war es der für Innovation zuständige Stadtrat Diego Zanella, der sich dafür eingesetzt hat, dass diese Ideensammelstelle nun eingerichtet wird und dass ich das Konzept dafür entwickle.Wenn man die ganze Sache aus einer gewissen Distanz betrachtet, dann ist das doch absurdes Theater. Der frühere Landeshauptmann Luis Durnwalder sagt in dem Film von Karl Prossliner: Selbstverständlich arbeite ich mit den Leuten meines Vertrauens zusammen, wie denn auch sonst soll ich etwas weiterbringen im Lande? Das ist vielleicht ein bisschen altmodisch, aber es gefällt mir.

Sie sind in Salzburg geboren, haben in Wien studiert und leben seit 2013 mit Ihrer japanischen Frau und Ihren drei Kindern in Südtirol. Was hat Sie denn nach Meran geführt?
Das Klima. Ich habe mir die Frage gestellt: Wo innerhalb der Grenzen des deutschen Sprachraums ist es am schönsten? So ist meine Wahl auf Meran gefallen. Diese Stadt hat einzigartige ästhetische Qualitäten.

Paul Rösch war mein Interviewpartner in einem Film über das Meraner Kurhaus, und da ist er mir als besonders netter Mensch aufgefallen.

Sie haben dann relativ schnell Kontakt zu Paul Rösch bekommen.
Ich habe einen Video-Blog begonnen, der „Südtirol erzählt“ hieß. Darin habe ich ganz viele Leute porträtiert. Paul Rösch war mein Interviewpartner in einem Film über das Meraner Kurhaus, und da ist er mir als besonders netter Mensch aufgefallen.

Von sich reden gemacht haben Sie mit einem anderen Filmprojekt, nämlich mit dem „Wunder von Mals“. Wie weit ist denn das Projekt gediehen?
Es gibt hier zwei Schienen: Zum einen zeigt der Film, wie sich in Mals der Widerstand gegen den Einsatz von Pestiziden formiert hat, zum anderen beleuchtet er den Hintergrund, also die Fragen: Was genau ist industrielle Landwirtschaft? Wie könnte eine alternative Zukunft der Landwirtschaft aussehen, die sich nach agrarökologischen Gesichtspunkten richtet? Ich hoffe, dass wir die Dreharbeiten im Sommer abschließen können. Mein Ziel ist es, dass Weihnachten 2016 eine DVD vom „Wunder von Mals“ unterm Christbaum liegt.

 In Südtirol wird man wirtschaftlich extrem sanktioniert, wenn man zum Thema Obstwirtschaft eigene Meinungen vertritt.

Zur Finanzierung des Films wurde im Internet auch eine Crowd-Funding-Kampagne gestartet. War diese Geldsammel-Aktion erfolgreich?
Wir haben etwa 13.000 bis 14.000 Euro einsammeln können. Das ist natürlich ein symbolischer Beitrag, wenn man bedenkt, dass es hier um einen 90-minütigen Dokumentarfilm geht. Wir müssen uns auch um Förderungen oder Fernsehpartner bemühen, und das ist in diesem Fall nicht so leicht, weil man in Südtirol wirtschaftlich extrem sanktioniert wird, wenn man zum Thema Obstwirtschaft eigene Meinungen vertritt.

Sie wollen nun mit Ihrer Familie nach Mals ziehen. Hat diese Entscheidung etwas mit dem Filmprojekt zu tun?
Ja, per 1. März ziehen wir nach Mals, weil ich die Nähe brauche, um wirklich in die Tiefe gehen und genau beobachten zu können, was dort passiert. Ich und meine Familie werden also ein bisschen Bergluft schnuppern. (lacht) Mein Commitment mit diesem Projekt ist ganz groß.

Ich hätte schon die Gelegenheit gehabt, im Leben gutes Geld zu verdienen, aber im Grunde genommen ist mir Geld überhaupt nicht wichtig. 

Wenn man sich Ihr Engagement ansieht und Ihre Bereischaft, sich mit gewissen Interessensgruppen azulegen, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, Sie seien in Südtirol missionarisch unterwegs. Haben Sie ein finanzielles Standbein?
In Wien habe ich einige Jahre für eine international renommierte Kommunikationsagentur gearbeitet, das heißt ich hätte schon die Gelegenheit gehabt, im Leben gutes Geld zu verdienen, aber im Grunde genommen ist mir Geld überhaupt nicht wichtig. Nach Südtirol zu kommen, war für mich auch ein bisschen ein Neubeginn. Für mich ist wesentlich, Geschichten zu erzählen, die mir etwas bedeuten und die mich wirklich begeistern. Ich will nicht mehr die Geschichten anderer Leute erzählen. Um auf Ihre Frage nach dem Missionieren zurückzukommen: Als ich mein Malser Filmprojekt startete, habe ich unterschätzt, wie angstbesetzt und aggressiv an das Thema Pestizide herangegangen wird in Südtirol. Das hätte ich mir nicht erwartet. So gesehen war ich sehr naiv. Ich habe ja im Grunde nichts anderes getan, als die Stimmen der Malser zu verstärken und ins Web zu bringen. Ich habe nicht das geringste Interesse, unseriös an dieses Thema heranzugehen oder zu polemisieren.

Sie haben von wirtschaftlichen Sanktionen in Südtirol gesprochen. In Ihrer Anfangszeit in Südtirol haben Sie für die Südtirol Marketing Gesellschaft gearbeitet und hatten dann einen Konflikt mit Ihrem Auftraggeber wegen der satirischen Umgestaltung des Südtirol-Logos. Haben Sie noch Kontakt zur SMG-Nachfolge-Gesellschaft IDM?
Nein, die Gesellschaft hat alle Aufträge gekündigt und Beziehung zu mir abgebrochen. Damit kann ich leben. Wer nicht mit mir arbeiten will, der muss nicht.

Sie haben ein neues Filmprojekt für 2017, das heißt „One Life a Year“. Worum geht es da?
Um eine weltweite Bewegung, die sich effective altruism nennt. Das sind Leute, die aus Vernunftsgründen den größten Teil ihres Einkommens spenden und privat bescheiden leben. Die Spenden gehen nicht an irgendjemanden, sondern an Hilfsorganisationen, die nachweisen, dass mit dem Geld das geschieht, was sie behaupten. Es gibt sogenannte Charity Evaluators, die das überprüfen. Ausgelöst wurde diese Bewegung vom australischen Philosophen Peter Singer.

Gibt es in Südtirol Stoff für diesen Film?
Das würde mich freuen. Im Moment leider nicht.

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Markus Lobis Mi., 10.02.2016 - 14:37

Gutes Interview. Stimmige Aussagen. Ich bin froh, Alexander Schiebel in Südtirol zu wissen. Er ist einer von denen, die erkannt haben, dass der Geist von Mals Europa verändern kann. Und der einen wichtigen Beitrag dazu leistet, diesen Geist voranzubringen. Danke, Alexander Schiebel!

Mi., 10.02.2016 - 14:37 Permalink
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△rtim post Mi., 10.02.2016 - 20:50

Vielleicht hätte es auch andere gegeben, die mit Auftrag der Gemeinde Meran an einem Konzept für eine Ideensammelstelle ein schönes Auskommen haben möchten.
Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollten doch noch Kriterien der Objektivität und der Transparenz gelten - bei allen gegenseitigen "Nettigkeiten" .

Mi., 10.02.2016 - 20:50 Permalink
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Markus Lobis Mi., 10.02.2016 - 23:15

Und wie schauen die "Kriterien" für die Entwicklung und Bearbeitung einer originellen und effizienten Kommunikations- und Projektmanagementmaßnahme in der öffentlichen Verwaltung aus? Wie sollte man eine Ausschreibung gestalten für ein Projekt, für das die Idee schon der wesentliche Inhalt ist? Wie geht man mit den Leuten um, die Ideen haben? Haben Ideen keinen Wert?

Mi., 10.02.2016 - 23:15 Permalink