Wirtschaft | Schutzmasken

Unangenehmer Stoff

Der Sanitätsbetrieb verteilt Stoffmasken an den Einzelhandel, die Fragen aufwerfen. “Unbrauchbar und überteuert”, kritisiert ein Unternehmer, der sie zurückgegeben hat.
Stoffmasken
Foto: Privat

Kritische Gemüter haben es dieser Tage nicht leicht. “Man wird schnell des Nestbeschmutzertums bezichtigt. Das ist brandgefährlich, denn auch in Krisenzeiten muss die Opposition ihre Aufgabe der Kontrolle wahrnehmen”, meinte die Grüne Fraktionsvorsitzende Brigitte Foppa diese Woche im Gespräch mit salto.bz. Die Grünen hatten soeben den Antrag auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit unterzeichnet, um “alle Hintergründe dieses Skandals lückenlos aufzudecken”, wie es Einbringer Sven Knoll bezeichnet. Die Rede ist von den Vorgängen rund um die Schutzmasken, die das Land über die Oberalp Gruppe aus China bezogen hat.

Zugleich mit den Einweg-Masken, die für den Einsatz im Sanitätsbetrieb bestimmt waren, kamen Ende März auch – auf Bestellung des Sanitätsbetriebs – waschbare Stoffmasken in Bozen an. Nun mehren sich auch um diese Masken die kritischen Stimmen. Nicht nur aus der Opposition im Landtag. Ein Unternehmer, der die Masken in der Hand hatte, spricht von einer “riesen Frechheit”.

 

Ins Detail

 

20.000 dieser wasch- und damit wiederverwendbaren Masken werden seit Anfang dieser Woche an die Detailhandelsbetriebe ausgegeben, die auch in Corona-Zeiten geöffnet haben. Denn mit Dringlichkeitsmaßnahme Nummer 16 vom 2. April hat Landeshauptmann Arno Kompatscher verfügt, dass das gesamte Personal des Einzelhandels in den erlaubten Tätigkeiten mit Persönlicher Schutzausrüstung (PSA), die vom Südtiroler Sanitätsbetrieb geliefert wird, ausgestattet sein” muss. Die Kosten – 3,50 Euro pro Stoffmaske – trägt die Landesverwaltung. Zwei Stück pro Mitarbeiter gibt es – gratis. Einzig die Versand- und Logistikkosten von 6,40 Euro pro Lieferung müssen die Betriebe selbst übernehmen. Für Mitglieder von Wirtschaftsverbänden im Südtiroler Wirtschaftsring SWR, von CNA/SHV, Confesercenti oder Federazione Tabaccai übernehmen die jeweiligen Dachverbände die Kosten. Die Verteilung übernimmt der Produzent, Oberalp – und erhält dafür 2 Euro je Lieferung. Gleich nach Bekanntwerden dieses Umstandes reichte Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore) eine Landtagsanfrage ein, um unter anderem in Erfahrung zu bringen, warum die Verteilung nicht über den Südtiroler Zivilschutz erfolgt.

 

Die Grünen hingegen schicken in einer weiteren Anfrage, die am Donnerstag hinterlegt wurde, neue unangenehme Fragen nach. So wollen Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa und Hanspeter Staffler etwa wissen, ob die Stoffmasken als “Persönliche Schutzausrüstung (PSA)”, wie sie in der Verordnung des Landeshauptmannes für die Einzelhandelsangestellten vorgeschrieben ist, zertifiziert sind. Denn weder auf den Masken noch auf dem Verpackungsmaterial noch in der Gebrauchsanweisung finde sich ein Hinweis darauf. Weiters fragen die Grünen: Falls die Masken keinerlei Zertifizierung haben, wie rechtfertigt das Land und/oder der Sanitätsbetrieb, dass sie angekauft und zur Verteilung freigegeben wurden? Die Frage scheint berechtigt. Denn in Bozen wurden bereits Einzelhändler mit Geldstrafen von 280 Euro belegt, die in ihrem Laden ein Schlauchtuch trugen – ein Schutzutensil, das nicht als PSA gilt.

 

“Miserabel und zu klein”

 

Ganz andere Fragen stellen sich hingegen Martin Hitthaler. Dem Pfalzner Geschäftsmann gehört die Anjoka GmbH. Das Unternehmen ist vor allem in der Nahversorgung tätig und führt Discounter, Supermärkte, Textilgeschäfte und Tabaktrafiken im ganzen Land. Hitthaler beschäftigt insgesamt 500 Mitarbeiter und hat Mitte der Woche 1.000 Stoffmasken von Oberalp geliefert bekommen. Doch die sind für ihn “nicht zu gebrauchen”. “Ich kenne mich bei Textilien doch etwas aus, daher muss ich zur Qualität sagen: Die ist miserabel, schlechter geht es nicht mehr”, meint Hitthaler. Außerdem fehle sowohl eine Materialbeschreibung als auch Größenangaben. Die Masken, die er bekommen hat, seien jedenfalls “so klein, dass ich sie nicht tragen kann”.

 

Das hat er auch Oberalp-Chef Heiner Oberrauch via Mail mitgeteilt. “Die Masken sind für Erwachsene nicht geeignet, weil viel zu klein. Sie sind nicht tragbar, wegen mangelnder Qualität und Größe.” Seinen Angestellten hat Hitthaler die Masken nicht gegeben. Zum einen, weil: “Ich traute mich nicht, denn sie bieten keinen Schutz.” Und zum anderen, weil er seine Mitarbeiter vor zwei Wochen “mit geeigneten, hochwertigen Masken ausgestattet” habe, die er selbst bezahlt habe. “50 Cent pro Stück, während die so genannten Gratis-Masken vom Materialpreis her nicht einmal 10 Cent wert sind.” Hitthaler ist hörbar verärgert: “Ich hoffe, dass das Land den Preis von 3,50 Euro pro Stück nicht zahlt, denn der ist eine riesen Frechheit.”

In seiner Antwort geht Oberrauch auf die nicht passende Größe ein. Hitthaler habe wohl die Restbestände an Damenmasken erhalten, so der Erklärungsversuch. Zugleich wird ihm angeboten, die Masken auszutauschen.
Der Ärger beim Pfalzner Unternehmer aber verfliegt nicht: “Ich beschäftige 400 Frauen im Betrieb, aber auch für Frauen sind sie nicht geeignet, weil sie zu klein und von zu schlechter Qualität sind.”

 

Dem geschenkten Gaul...

 

“Wir werden die Masken nicht verteilen, denn die bieten keinen ausreichenden Schutz. Bitte holt sie ab”, schreibt Hitthaler an Oberrauch zurück. Das sei am Freitag auch passiert. Warum aber schaut er – dem Sprichwort zum Trotz – dem geschenkten Gaul doch ins Maul? “Ich bin der Meinung, ein Betrieb kann sich Schutzmasken auch selbst zahlen – das sind momentan die kleinsten Kosten, die wir haben. Dafür brauchen wir nicht den Steuerzahler, während den Gewinn ein Unternehmen macht”, kritisiert Hitthaler. Mit seinen offenen Worten steht er bislang alleine da.

 

Im Onlineportal BZNews24 werden die Stoffmasken als “wie ein Stück Zeltplane” bezeichnet und die Frage nach einem Einschreiten des Rechnungshofes gestellt (“se veramente la Provincia pagherà 3,50 per ogni mascherina, sarebbe opportuno l’intervento della Corte dei conti”) – von zwei Kaufleuten, die anonym bleiben wollen. Der Weg zum Ruf als Nestbeschmutzer ist dieser Tage kurz.

Inzwischen sind bereits weitere dieser Stoffmasken [*] nach Südtirol geliefert worden. 50.000 Stück pro Woche können davon hergestellt werden.

 

[*Anm.: In einer früheren Version dieses Artikels war an dieser Stelle davon die Rede, dass die Stoffmasken aus China geliefert worden sind. Da die Masken in Italien produziert werden, wurde dieser Hinweis entfernt.]

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rotaderga Sa., 11.04.2020 - 08:33

Und so wird aus dem " prostataspezifische Antigen" PSA eine "persönliche Schutzausrüstung". Frohe Ostern!

Sa., 11.04.2020 - 08:33 Permalink
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Christoph Moar Sa., 11.04.2020 - 08:56

Antwort auf von rotaderga

Warum so ein Kommentar? Abkürzungen mit drei Buchstaben überlappen sich in aller Regel, das will dich überhaupt nichts heißen.

Natürlich verwendet man PSA - auf Italienisch DPI dispositivi di protezione individuale - als offizielle Abkürzung für persönliche Schutzausrüstung.

Die entsprechende EU Richtlinie gibt's gerne hier
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:31989L06…

Sa., 11.04.2020 - 08:56 Permalink
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Frei Erfunden Mi., 15.04.2020 - 14:48

Wir verwehren uns gegen jeglichen Versuch, der Oberalp-Gruppe aus dieser oder ähnlichen Initiativen irgendwelche Profit- oder Vorteilsabsichten zu unterstellen und behalten uns jedenfalls rechtliche Schritte vor.

Mi., 15.04.2020 - 14:48 Permalink