Wirtschaft | Landwirtschaft

"Eher sperren wir die Wege"

Knapp 360.000 Euro soll ein Tiroler Bauer nach einer tödlichen Kuh-Attacke zahlen. Ein Präzedenzfall auch für Südtirol?
Kuh
Foto: suedtirolfoto.com

Die Klage, die in dieser Woche erstmals am Tiroler Landesgericht verhandelt wird, sorgt auch über österreichische Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit. Exakt 359.905 Euro soll ein Stubaitaler Bauer den Hinterbliebenen einer im Sommer 2014 verstorbenen Deutschen zahlen, die damals von einer seiner Kühe attackiert und getötet wurde. Die Kläger wählten eine zivilrechtliche Klage, nachdem die  Staatsanwaltschaft bereits 2014 die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Eigentümer der Kuh eingestellt hatte. Da der Bauer im Nahbereich der Tiere mehrsprachige Schilder angebracht hatte, dass es sich auf der Weide um Mutterkühe handeln würde und somit Abstand zu halten wäre, wurde kein Verschulden des Landwirtes festgestellt. Anders sieht das der Anwalt der Kläger. Er brachte am ersten Verhandlungstag vor, dass es sich bei dem Weg nicht um einen Wanderweg, sondern um einen öffentlichen Gemeindeweg handle, der abgezäunt hätte werden müssen. Stattdessen habe der Landwirt die Mutterkühe faktisch sich selbst überlassen, obwohl jedem Bauern das erhöhte Aggressionspotenzial von Mutterkühen bekannt sein müsste.

Selbst wenn das Gericht den deutschen Klägern am Ende Recht geben sollt: Graue Haare lässt man sich deswegen in der Bozner Bauernbundzentrale nicht wachsen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, ist bei einem vernünftigen Verhalten der Wanderer schon sehr gering“, meint Direktor Siegfried Rinner.  Noch dazu in Südtirol, wo die Mutterkuhhaltung weit weniger verbreitet sei als in Tirol. Denn bei Mutterkühen mit ihren Kälbern ist der Beschützerinstinkt laut Rinner tatsächlich sehr groß. „Da passiert es dann schon eher, dass sich die Herde zusammentut und in Verteidigungsposition begibt.“

Unabhängig davon kann Südtirols Bauernbund-Direktor aber die mit dem Fall verbundenen Forderungen für Zäune zum Schutz der Wanderer vor den Tieren keineswegs nachvollziehen. „Diese Diskussion geht in die falsche Richtung“, meint Rinner. „Bevor wir Zäune aufstellen, sperren wir die Wege – denn das ist gutes Recht des Grundeigentümers.“  Unter dem Strich führt der Tiroler Fall laut dem Bauernbund-Direktor aber einmal mehr vor Augen, wie wichtig es auch für jeden landwirtschaftlichen Betrieb sei, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die solche Schadensfälle zumindest vermögensrechtlich abdeckt. „Alles andere ist schlichtweg fahrlässig“, so Rinner.