Gesellschaft | Kindergarten

„Es fehlt immer noch an Wertschätzung“

Um die Situation des Personals zu verbessern muss das Konzept Kindergarten überdacht werden, ist sich Angelika Hofer von der Gewerkschaft AGB-CGIL sicher.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

salto.bz.: Frau Hofer, was sagen sie zu den Forderungen der KAS-Gruppe?

Angelika Hofer: Die KAS-Gruppe ist eine Interessensvereinigung des pädagogischen Fachpersonals der Kindergärten, die für ihre Berufsgruppe allgemeine Forderungen stellt. Jede Besserstellung, die erreicht werden kann, ist von Vorteil. Sei es für das Personal als für die gesamte Situation des Kindergartens.

 

Die Mitglieder der Gruppe sind immer noch unzufrieden mit der aktuellen Situation und fordern eine Reduzierung der Arbeitszeiten und mehr Personal. 

 Die gewerkschaftliche Forderung nach einer Arbeitszeitreduzierung wird auch von der KAS-Gruppe unterstützt. Allerdings sollten die Forderungen der Gewerkschaften nicht mit jenen der Gruppe vermischt werden. Die mit der  Arbeitszeit und  mit allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen zusammenhängenden Forderungen sind gewerkschaftlicher Natur und werden gemeinsam mit dem Personal ausgearbeitet. Interessensvereinigungen wie die Kas-Gruppe, die es auch für andere Personalkategorien der Landesverwaltung gibt, gehen mit ihren Themen darüber hinaus. Gemeinsame Anliegen sollen und können auch gemeinsam vorangetrieben werden und gerade im Kindergarten gibt es in der aktuellen Situation sehr viele Überschneidungen, wenn auch die Rollen unterschiedlich sind. 

 

Was ist die Aufgabe der Gewerkschaft?

Hauptaufgabe der Gewerkschaft ist der Abschluss guter Verträge. Verträge können verschiedene Inhalte haben und die Allgemeinheit des Personals oder einzelne Personalkategorien betreffen. Im Bereich Kindergarten wollen wir einen eigenen Bereichsvertrag erreichen, der sowohl allgemeine als auch spezifische, den Besonderheiten des Kindergartens entsprechende Bestimmungen enthält. Diese sollen Rechtssicherheit und Klarheit in diesen komplexen Bereich bringen. Zudem kümmern sich Gewerkschaften um alle Belange der Arbeitsverhältnisse der Bediensteten und setzen sich für gerechte und faire Arbeitsbedingungen ein. 

 

Und welche Forderungen sind realisierbar, um die Situation für das Personal zu verbessern? 

Wir fordern eine weitere Arbeitszeitreduzierung, um die Belastung des Personals zu verringern. Diese muss erreicht werden, um den Beruf im Kindergarten attraktiv zu machen, denn derzeit gibt es im deutschen Bereich einen Personalnotstand, dem entgegengewirkt werden muss. Die Arbeitszeiten des Personals haben aber nichts mit den Öffnungszeiten der Kindergärten zu tun. Das ist genau das Um und Auf, denn wichtig ist, ein neues gutes und nachhaltiges Kindergartenmodell zu finden, in dem sich die Kinder wohl fühlen und das Personal seiner Aufgabe gerecht werden kann. Darüber diskutieren wir derzeit. Sicher ist aber, dass kurzfristig eine radikale Änderung schwer umzusetzen sein wird.

 

Warum?

Jedes neue Modell bringt Kosten mit sich und momentan müssen Kostenrechnungen je nach Modell angestellt werden. Außerdem würde höchstwahrscheinlich auch das notwendige pädagogische Fachpersonal nicht zur Verfügung stehen. Neben den gewerkschaftlichen Vertragsforderungen steht auch die Forderung nach einer Reduzierung der Gruppengröße seit 2008 im Raum, die nun auch von der KAS-Vereinigung aufgegriffen worden ist. Trotz der logistischen Schwierigkeiten, die diese Forderung auslöst, da die Anzahl der Gruppen nicht so einfach erhöht werden kann, wollen wir darüber diskutieren und auch mittelfristige Lösungen anstreben.

 

Die Tendenzen zeigen seit Jahren, dass immer mehr Familien und immer früher ihre Kinder in eine Betreuung geben wollen oder müssen und dies auch einfordern. Das Land steht auch in der Bringschuld eine Regelung zu finden, Geld kann da nicht die Ausrede sein. 

Da haben sie schon Recht, Geld kann keine Ausrede sein. In den vergangenen Jahrzehnten ist es leider versäumt worden, den Kindergarten zukunftsfähig  zu machen. Obwohl die Ausbildung des Fachpersonals ständig angehoben worden ist, wurde am Modell nicht in die gleiche Richtung gearbeitet, sondern am herkömmlichen festgehalten. Die Rahmenbedingungen haben sich aber eindeutig verändert und es ist höchst an der Zeit, diesen neuen Umständen Rechnung zu tragen.

 

Momentan gibt es die Übergangsregelung, aber wie wird es weitergehen?

Die Übergangsregelung soll auch eine solche bleiben. Unser großes Ziel ist ein eigener Bereichsvertrag für das pädagogische Fachpersonal mit einer merklichen Reduzierung der Arbeitszeit. Auch dem Personalnotstand wollen wir entgegenwirken. Der derzeitige 5-jährige Uniabschluß ermöglicht den Einstieg sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule. In der Grundschule hat das Personal momentan bessere Zukunftsperspektiven als im Kindergarten, wo es leider immer noch Personal gibt, das nach 15-25 Dienstjahren befristet angestellt ist. 

 

Warum gibt es so wenig unbefristete Verträge und Stammrollen in den Kindergärten?

Im Kindergarten sind die im Stellenplan vorgesehenen Stellen fast vollzählig mit unbefristetem Personal besetzt, weshalb aufgrund der geltenden Bestimmungen keine oder nur sehr wenige unbefristete Verträge vergeben werden können. Diese komplexe Situation ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es sich nach wie vor hauptsächlich um einen Frauenberuf handelt und die Mutterschutzbestimmungen einen häufigen Personalwechsel bewirken. Das oft jahrelang aufgenommene Ersatzpersonal hat zwar in der Zwischenzeit die Eignung erlangt, um so in den Genuss aller vertraglichen Bestimmungen zu gelangen, kann aber trotzdem nicht einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten, weil die Stellen nicht frei sind. Die Schwierigkeit liegt genau darin, kurzfristig Lösungen für diese untragbare Situation zu finden. Neben den Vertragsverhandlungen ist dies eines der wichtigsten Ziele.

 

Wie könnte also eine Lösung gefunden werden, in Bezug auf die schwierige Situation und die Forderungen der Kindergärtnerinnen?

 Das wichtigste ist, endlich konkret mit der Lösungsfindung zu beginnen. Wir sind davon überzeugt, dass die Arbeitszeitreduzierung auch diesbezüglich etwas bewirken kann. Gleichzeitig aber müssen Überlegungen zu einem neuen und zeitgemäßen Kindergartenkonzept gestartet werden. Der Kindergarten ist die erste gesetzlich anerkannte Bildungsinstitution und muss als solche endlich anerkannt werden.

 

Das heißt, die Landesregierung muss auch den Hahn aufdrehen…

Ja, das wird sie müssen. Ich kann mir keine tiefgreifende nachhaltige Veränderung ohne entsprechende Finanzierung vorstellen. In den nächsten Jahren sind alle gefordert, an diesem Prozess konstruktiv teilzunehmen, denn der Stein ist ins Rollen gekommen und kann nicht mehr aufgehalten werden. Es liegt an uns allen, ein gutes Ergebnis zu erzielen.

 

Und das an einem Tisch?

Wenn möglich schon, aber es reicht natürlich nicht, sich nur an einen Tisch zu setzen. Es gilt, ein Gesamtkonzept zu erstellen und sich dann jede einzelne Situation anzusehen. Die Schwierigkeit liegt genau darin, einen gemeinsamen Nenner für die so verschiedenartige Realität zu finden. Es gibt nämlich gewaltige Unterschiede zwischen Kindergärten auf dem Land und in den Städten. Es ist eine Gratwanderung, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Patentrezepte gibt es keine. Ein erster konkreter Schritt ist der Beginn der Vertragsverhandlungen.

 

Das ist ja die Aufgabe der Gewerkschaften…

Ja und diese Aufgabe ist mir auch wichtig. Aus unserem Forderungskatalog in der Plattform ist mittlerweile ein umfassender Vertragsentwurf geworden. Dieser wurde in diversen Gewerkschaftsversammlungen vom Personal mit großer Mehrheit befürwortet. Es ist also ein gemeinsames Produkt, das die konkrete Grundlage für die Vertragsverhandlungen darstellt.

 

Es gibt also einen Plan?

Allen voran der Abschluss eines Bereichsvertrages für das Fachpersonal. Gleichzeitig müssen die Kriterien für die befristete Aufnahme und die Versetzungen überarbeitet werden. Kein kleines Unterfangen, da diese Kriterien einen großen Einfluss auf die Situation des Personals haben. Im vergangenen Jahr haben wir zwar viel geredet, auch einiges gelöst, aber mit den Verhandlungen allerdings noch immer nicht begonnen. Ich hoffe nun, dass im Herbst nach der Sommerpause endlich damit gestartet wird. Wir haben oft das Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft. In der Zwischenzeit leistet das Fachpersonal in den Kindergärten jeden Tag weiterhin ausgezeichnete Arbeit.

 

Es ist eben eine sehr verantwortungsvolle Arbeit. Und die Wertschätzung dafür muss immer noch erkämpft werden. Schaut man sich zum Beispiel die öffentlichen Beiträge zum Thema an...

Ja genau, das Fachpersonal ist stets bestrebt, alles in jeder Situation hinzukriegen. Leider fehlt immer noch die angemessene Wertschätzung für diese äußerst verantwortungsvolle Arbeit. Uns geht es in allen Diskussionen und Vorschlägen vordergründig auch darum.