Umwelt | Klimawandel

Der Klimaretter vor der Haustür

900 Millionen Hektar mehr Wald auf der Erde könnten den Klimawandel effektiv eindämmen. Wie läuft die Aufforstung im Waldland Südtirol? Und wäre Platz für mehr Bäume?
Wald
Foto: Othmar Seehauser

Ein arabisches Sprichwort besagt: Fälle nicht den Baum, der dir Schatten spendet. Und doch klaffen in der grünen Lunge der Erde tiefe Wunden. Laut Schätzungen gehen jedes Jahr weltweit zehn Milliarden Bäume verloren. Trotz des Wissens, wie wichtig die Wälder für das Klima sind. Wie wichtig, das haben nun Wissenschaftler der ETH Zürich mit einer neuen Studie deutlich gemacht. Demnach könnten mehr Bäume auf der Erde den Klimawandel effektiver bekämpfen als bislang gedacht. Würden zusätzliche 900 Millionen Hektar Wald gepflanzt (eine Fläche so groß wie die USA) – laut Studie ist das möglich –, könnten die Bäume, sobald sie herangewachsen sind, 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern. Das sind zwei Drittel der vom Menschen verursachten klimaschädlichen CO2-Emissionen, die sich seit der Industrialisierung in der Atmosphäre befinden, so die Forscher. Mit Satellitenbildern zeigen sie, wo auf der Erde Platz für neue Bäume wäre.

 

Aufforstung wäre der effektivste Klimaschutz, so das Fazit der Studie, die im Fachmagazin “Science” publiziert wurde und erstmals zeigt, dass das vom Weltklimarat (IPCC) vorgegebene Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erreichbar sein könnte. Anlass genug, um sich einen Überblick über die Situation der Wälder in Südtirol zu verschaffen.

 

Mehr als eine Platzfrage

 

Derzeit ist die Erde nach Angaben der Forscher der ETH Zürich mit 2,8 Milliarden Hektar Wald bedeckt. 370.000 davon finden sich in Südtirol. “Rund die Hälfte der Gesamtfläche des Landes ist Waldfläche”, bestätigt Florian Blaas, Amtsdirektor im Amt für Forstverwaltung. Vor allem Nadelwälder prägen die Landschaft. Mehr als die Hälfte der Wälder, 52 Prozent, sind Fichtenwälder, 27 Prozent sind Lärchen-Zirbenwälder, 11 Prozent Weißkiefernwälder, der Rest sonstige. “Ohne jeglichen menschlichen Einfluss wäre die gesamte Landesfläche, mit Ausnahme der Gewässer, bis in eine Höhe von rund 2.400 Metern bewaldet”, erklärt Blaas.

Der Amtsdirektor weiß: “Südtirols Wald bindet rund 57,7 Millionen Tonnen Kohlenstoff.” Die Hälfte davon wird ober-, die Hälfte unterirdisch gespeichert. salto.bz fragt nach, ob auch in Südtirol Platz für mehr Wald wäre. Blaas antwortet mit einer Gegenfrage: “Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, was alles in Südtirol Platz finden soll: Wollen wir weiterhin auch Skipisten, landwirtschaftliche Flächen, Almen, Siedlungsgebiete, Handwerkerzonen, Verkehrsflächen und alle anderen Flächen, die von Natur aus Wald wären, in unserem Land haben?”

 

367.000 neue Pflanzen

 

Für die Aufforstung, wie sie von den Forschern der ETH Zürich als wirkungsvollste Maßnahme zum Klimaschutz genannt wird, ist in den Südtiroler Wäldern die Landesforstverwaltung zuständig. “Massive Neuaufforstungen von unbewaldeten Standorten werden derzeit in Südtirol nicht durchgeführt”, teilt der Amtsdirektor mit. Sondern nur dort, wo der Verjüngungszeitraum des Waldes abgekürzt werden soll, werden zusätzlich Bäume gepflanzt. “Anstatt auf die Naturverjüngung zu warten, werden bis zu 30 cm große Bäumchen gepflanzt, weil beispielsweise Gefahren durch Rutschungen, Muren, Steinschlag drohen und es sehr wichtig ist, auf solchen Flächen möglichst bald einen gestuften und stabilen Waldbestand zu haben.”

367.000 Gehölze wurden südtirolweit den vergangenen fünf Jahren gepflanzt. Florian Blaas listet auf: “Davon waren 93.600 Stück Fichte, 74.500 Lärchen, 50.300 Zirben, 26.200 Tannen – auch für Christbaumkulturen – 3.400 Kiefern und Douglasien, 79.200 Laubbäume und -sträucher, 16.300 Pflanzen für Baumfeste sowie 30.000 Pflanzen für Hecken in der Landwirtschaft.”

 

Der Natur zur Seite stehen

 

Die Pflanzen für die Aufforstungen kommen aus den fünf landeseigenen Forstgärten, Lärchen auch aus dem Forstgarten Aicha der Agentur Landesdomäne. “Alle Samen zur Produktion werden von den Forstgärten in Südtirol gesammelt”, präzisiert der Amtsdirektor. Bis auf Tannen- und Walnusssamen, die von der Klenganstalt in Peri zugekauft, “da es in Südtirol keine Walnussbestände gibt und die Sammlung von Tannenzapfen in Südtirol nur sehr selten möglich ist”. Die Pflanzen werden (nur) an Waldeigentümer mit Wäldern in Südtirol abgegeben und zwischen Frühjahr und Sommer gepflanzt.

 

Umgehend aktiv geworden sind die Forstgärten des Landesforstdienstes nach den Sturmschäden im vergangenen Oktober. Auf rund 1,5 Prozent der Südtiroler Waldfläche haben die Naturkräfte eine Spur der Verwüstung hinterlassen. 5.000 Hektar Wald sind verschwunden. Inzwischen sind die Aufräumarbeiten zur Hälfte abgeschlossen. In den nächsten ein bis sechs Jahren werden rund zwei Millionen Stück Forstpflanzen zusätzlich gebraucht. Ab heuer werden die Pflanzen je nach Bedarf und nach einem Zeitplan der Aufforstungsarbeiten verstärkt produziert.