Gesellschaft | Jugend

Wem gehört der Jugendtreff?

Jugendtreffs werden immer öfters dazu angehalten, die Kleinkinderbetreuung im Sommer zu übernehmen. Aber fällt das wirklich in ihren Aufgabenbereich?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: netz

Wenn man sagt, Kinder wurden in der Corona-Zeit vergessen, dann muss man sich wohl eingestehen: Jugendliche noch mehr. Der Begriff „jugendlich“ ist seit jeher mit Vorurteilen behaftet. Bereits Sokrates hatte angeblich viel an den jungen Menschen seiner Zeit auszusetzen. Dass sie keinen Respekt vor älteren Menschen haben, wurde in der Corona-Zeit eindeutig wiederlegt.

 

Was ist Offene Jugendarbeit?

Nun aber mehr zur Thematik Kinderbetreuung und Offene Jugendarbeit. Offene Jugendarbeit ist ein Teilbereich der Sozialen Arbeit und hat einen sozialpolitischen, pädagogischen und soziokulturellen Auftrag. Offene Jugendarbeit ist keine Dienstleistung oder Konsumangebot, sondern gemeinnützig orientiert.  Der Hauptfokus liegt bei den Jugendlichen genauer gesagt bei den jungen Menschen, die älter sind als 11 Jahre, und das Handeln basiert auf Statuten, Basispapieren und Gesetzen. Genau damit ist die Sommerbetreuung von Kindern schwer vereinbar.

 

Rebellion und Freiräume

Die Geschichte der Offenen Jugendarbeit in Südtirol geht zurück auf die Besetzung des Monopolgebäudes 1979. Dort haben sich junge Menschen proaktiv und rebellisch Freiräume erkämpft und sich für ein gutes gesellschaftliches Miteinander eingesetzt. Seitdem haben sich in allen Teilen des Landes Jugendtreffs etabliert, die bewusst Räume und Gestaltungsmöglichkeiten für Jugendliche bieten. „Und jetzt sollen Jugendliche diese Räume wieder für Kinder hergeben? Wenn Kinder öfters im Treff sind, dann sagen die Jugendlichen auch: Gut, dann komme ich nicht mehr!“, sagt Maria Karnutsch, Mitarbeiterin von netz. Sie betont, dass der Dachverband der Offenen Jugendarbeit den Bedarf der qualitativen Kinderbetreuung erkennt und nichts gegen einzelne Projekte mit Kindern und Familien hat, aber Kinderbetreuung per se nicht primär in den Aufgabenbereich der offenen Jugendarbeit fällt.

 

Sommerkindergarten als Ergänzung

Die Offene Jugendarbeit ist so vielfältig wie Südtirols Ortschaften zwischen Stadt, Berg und Land. In einem kleineren Ort, in dem es keine anderen Strukturen gibt, kann es auch Sinn machen, Sommerbetreuung anzubieten. In St. Martin in Passeier wurde bereits voriges Jahr der Sommerkindergarten, für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren, von der Gemeinde übernommen. Zudem gibt es den „Aktiv-Kreativ-Sommer“, dessen Angebot sich vorrangig an 6- bis 12-Jährige richtet. Für die Jugendlichen selbst gibt es Projekte, die Corona mäßig ins Freie verlagert und in enger Kooperation mit anderen Vereinen gestaltet werden. Dominik Alber ist Geschäftsführer des Jugendtreffs St. Martin in Passeier und sieht in der Sommerbetreuung eine Ergänzung zu den üblichen Tätigkeiten. Zudem sei es ein erster Schritt, mit den Jugendlichen von morgen und deren Eltern in Kontakt zu kommen, denn einige Jahre später sind sie es, die das Jugendzentrum besuchen. Eine Bereicherung sozusagen. Trotzdem darf laut Dominik Alber die klassische Offene Jugendarbeit keineswegs vernachlässigt werden, auch weil sie zurzeit sehr gefragt und wichtig ist.

 

Begleitung statt Betreuung

Im Jugendzentrum Loop in Sand in Taufers steht man der Kinderbetreuung skeptischer gegenüber. Auch das Wort Betreuung hört man nicht gern. Vielmehr ist von „Begleitung“ die Rede: Jugendliche werden in dieser bestimmten Lebenszeit begleitet. Projekte im Sommer sollten Jugendliche begeistern, sie sollten etwas daraus mitnehmen und nicht eine reine Betreuungserleichterung für Eltern sein. Dabei wird auf die Qualität des Angebots viel Wert gelegt. Jedes Projekt wird von zwei Personen betreut: Eine Person bringt den Jugendlichen etwas bei (zum Beispiel ein Bergführer) und jemand anders ist für die pädagogische Betreuung zuständig. Martina Pareiner ist als Geschäftsführerin von Loop bereits öfters zu Ohren gekommen, sie solle auch Kinder bei Projekten mitnehmen, da es eh ungefähr dasselbe ist. „Da bin ich aber dagegen. Wir, als Jugendarbeiter*Innen, sind für Jugendliche da und nicht für Kinder“, erklärt sie.

 

Chance für nachhaltige Lösungen

Die Jugendarbeiter*Innen selbst stehen dem neuen Aufgabenbereich im Sommer unterschiedlich gegenüber. Während die einen darin eine positive Herausforderung sehen, lehnen andere die Kinderbetreuung ab. „Unsere Jugendarbeiter*Innen haben einen pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Hintergrund. Ich bin mir sicher, dass, wenn sie Kinderbetreuung machen, sie mit vollem Eifer dabei sind und es sehr gut machen. Trotzdem, zu ihren Kernaufgaben gehört die Kinderbetreuung nicht“, unterstreicht Maria Karnutsch. Sie sieht es als Aufgabe von netz, dem Dachverband für Offene Jugendarbeit, den Jugendarbeitern den Rücken zu stärken und sie zu ermutigen, selbstbewusst zu ihrer beruflichen Identität zu stehen und klare Grenzen zu ziehen. Sicher geht es immer um Menschen, aber der Zugang, die Arbeitsweisen und Methoden zwischen Kindern und Jugendlichen sind verschieden.

Dieses Jahr ist ein Ausnahmejahr, aber genau deshalb sollte jetzt gemeinsam nach nachhaltigen Lösungen gesucht werden, darin sind sich alle einig. Auch weil die Jugend selbst keine Lobby und keine Stimme hat – und gerade auch deshalb oft vergessen wird.