Gesellschaft | Rassismus

Der Brief der 42

Nach der Entscheidung des Pfarrgemeinderats von La Ila/Stern im Gadertal lanciert eine Gruppe einen Appell für Menschlichkeit und gegen Rassismus und Fremdenhass.
 
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Foto: upi
Als Südtirolerinnen und Südtiroler fragen wir uns (rhetorisch), was die Mitglieder im Pfarrgemeinderat von Stern unter Christentum und christlicher Nächstenliebe verstehen.
 Wenn Gemeinderatsmitglieder ihre „angst-motivierte“ Ablehnung gegenüber die Aufnahme von Geflüchteten mit Aussagen unterstreichen wie „man kann nicht auf die Barmherzigkeit Gottes vertrauen“, dann ist das schon traurig genug. Wenn aber - bis auf die Vorsitzende und den Dekan - ALLE anderen Mitglieder eines Pfarrgemeinderats befinden, ihre „Ängste“ (vor„Überfremdung“ oder „Islamisierung“ …)  seien eine legitime Ausrede gegen die prinzipielle Offenheit für eine Beherbergung einer Familie auf der Flucht, dann läuft es unserem ethisch-moralischen Grundverständnis eiskalt über den Rücken.
Äußern wir uns in Südtirol offen und laut gegen Rassismus und Hass.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen, die sich in Südtirol und überall sonst gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit äußern und einsetzen. Unsere Solidarität gilt Frau Giusi Gius Fistill und Jakob Wendelin Willeit, die sich in Stern auch in Minderheitenposition mutig an einem Weltbild orientieren, das noch von Nächstenliebe getragen ist, und in dem nicht nur „Barmherzigkeit“, sondern auch menschliche Klarsicht noch einen Platz haben.
 Wir haben eine menschliche Verantwortung dazu, in Südtirol auch für neue Mitbürger*innen  Chancen auf Heimat zu eröffnen.
 Und wenn jetzt jemand einen Diskurs ankurbelt von wegen: Wir sollten ihnen doch besser „in ihrer eigenen Heimat“ ( oder „dort unten“ oder „dort drüben“) helfen… , dann können wir uns gerne einen anderen Rahmen organisieren, um über Kolonialgeschichte und neokoloniale Gegenwart, über Geopolitik und Umweltzerstörung zu sprechen. Gerne, solange Menschlichkeit und Menschenrechte den Werterahmen bilden, innerhalb dem „diskutiert“ wird.
Engagiert euch im Klassenkampf statt im christlich-abendländisch getarnten Rassismus.
Momentan geht es uns aber darum laut und deutlich zu sagen:
Gadertaler*innen! Ihr seid [hoffentlich] nicht alle so verpolt wie diese Mehrheit dieses Pfarrgemeinderates! Macht euch laut und deutlich GEGEN Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Kultur-Paranoia; sprecht euch ab, sucht und findet Menschen, die noch in Ansätzen klar denken und fühlen können und schließt euch zusammen. Denn auch in eurer Gemeinde wird es heute und morgen Mitmenschen geben, die vom rassistisch_sexistischen „Normalo“ als minderwertig oder nur “geduldet” gelesen werden.
Besonders auch diese Mitmenschen brauchen Solidarität und Chancen, um in Würde Heimat bauen zu können. Ihr wisst wie schnell es gehen kann, und wir werden auch als “Verräter” abgestempelt und ausgesondert. Deshalb brauchen wir solidarische Netzwerke und Gemeinschaften, in denen Respekt vor Vielfalt wirklich gelebt wird. Damit die “Normalos” von heute bald verschwinden!
An die Nein-Sager*innen im Pfarrgemeinderat. Vielleicht seid ihr ja “eigentlich” auch nicht so negativ eingestellt, wie es hier scheint. Wenn nicht, dann freuen wir uns!
An die Nein-Sager*innen im Pfarrgemeinderat. Vielleicht seid ihr ja “eigentlich” auch nicht so negativ eingestellt, wie es hier scheint. Wenn nicht, dann freuen wir uns! Gerne können wir auch Treffen organisieren, in denen wir gemeinsam “Ängste abbauen”. Wir können uns gemeinsam anschauen, wo ihr vielleicht andere Medien beziehen könnt, die nicht so stark in die Paranoia führen… Ansonsten können wir euch auch einfach einen Tipp geben: Engagiert euch im Klassenkampf statt im christlich-abendländisch getarnten Rassismus.
An unsere Landespolitiker*innen, welche die Themen Soziales und Integration verantworten: Wann wird auch von Seiten der Landespolitik endlich aktiv und seriös darin investiert, um Rassismus und „Fremdenangst“ in Südtirol zu entgegnen?
 
Mit empörten und wirklich besorgten Grüßen,
sorgen wir uns nicht vor “Flüchtlingen” sondern vor erstarrten Herzen,
bleiben aber zugleich voller Hoffnung darauf, 
dass solidarische Menschen sich suchen und finden können

 
Manfred Andergassen, Astrid Schönweger, Ivo Passler, Michael Keitsch, Cornelia Brugger, Ludwig Thalheimer, Agatha Hueber, Monika Turin, Nadia Sorg, Anna Volgger, Marlene Messner, Armin Mutschlechner, Marlene Patscheider, Evelyn Fink, Julia Dalsan, Sandra Costa, Chiara Rabini, Maria Kraler, Michael Bockhorni, Brigitte Foppa, Anneliese Raffl, Kordula Hell, Helmut Bachmayer, Sascha Hülcker, Giorgio Nesler, Audrey Lobo, Helene Seppi, David Augscheller, Sadbhavana Pfaffstaller, Margit Stampfer, Marion Egger, Sara Passler, Markus Dapunt, Barbara Mayrhofer, Laura Lang, Elisabeth Mair, Urban Nothdurfter, Federica Senoner, Sonja Cimadom, Laiza Francato, Julian Kaser, Claudia Lercher
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Martin B. Mo., 10.09.2018 - 18:42

Anstatt Pfarrgemeindemitglieder, Pfarrer und Bischof zu hören, soll der Pfarrgemeinderat im fernen Tal also die moralisch-empörte Belehrung durch die atheistischen Antiklerikalen aus Bozen und Umgebung sofort zum obersten Prinzip des eigenen Handelns machen. Wird nicht funktionieren.

Mo., 10.09.2018 - 18:42 Permalink
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Paul Stubenruss Di., 11.09.2018 - 08:26

Wenn alle die unterschrieben haben und dazu einige Gönner einen kleinen Betrag spenden dann kommt ausreichend Geld zusammen um der Familie eine Wohnung plus Unterhalt zu finanzieren. Und das nicht nur in einer kleinen Ortschaft wo es für Sprachkurse, berufliche Weiterbildung und so weiter es keine Perspektiven gibt sondern in einer der Städte in Südtirol.

Di., 11.09.2018 - 08:26 Permalink
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Dominikus Ande… Di., 11.09.2018 - 14:31

Ich möchte dazu den Damen und Herrn vom Pfarrgemeinderat aber auch vielen meiner sonstigen Landsleute eine sinngemäß zitierte Aussage der deutschen Kabarettisten Nuhr und Puffpaff ins Notizbuch schreiben - aber eigentlich lieber noch ins Hirn meißeln:
Bei solch grundlegenden Dingen gibt es beim persönlichen Verhalten nur die Wahl ob man zu den Arschlöchern oder den Nicht-Arschlöchern gehören will.
Und merkt euch: Auch die KZ-Aufseher waren nicht von Beginn an Schlächter sondern ganz nette Familienväter, Brüder und Söhne, Mütter, Schwestern und Töchter

Di., 11.09.2018 - 14:31 Permalink