Kultur | Salto Afternoon

Wunschbilder auf der Bühne

Ist Theater die einzige wahre Illusion? Heute wurde die neue Spielzeit des "Stabile" vorgestellt: L'Unica Vera Illusione.
xlhuqsrw.jpeg
Foto: Foto: Teatro Stabile

Der Hang zur Vielfalt und zum aktiven Handeln haben sich seit fast 70 Jahren in die DNA des Teatro Stabile in Bozen eingeschrieben. Beispiele dafür sind die Vielfalt der Aufgaben und Funktionen angesichts des komplexen Systems, das die älteste „italienische“ kulturelle Institution in der Region kennzeichnet, oder die Vielfalt der Formen und Visionen, die bei der Inszenierung von Stücken maßgeblich sind, die dann natürlich zur Diskussion gestellt werden, in erster Linie in der Auseinandersetzung mit dem Publikum aber auch mit anderen und ergänzenden Ausdrucksformen. Diese Auseinandersetzung kann auch zwischen Epochen und Stilen erfolgen, etwa zwischen klassischem und zeitgenössischem Theater, wobei der Einsatz zeitgenössischer Spielformen ein wichtiges Anliegen bleibt.

Theater „machen“ heißt für das Teatro Stabile, das vom Ministerium für Kultur und Denkmalschutz (MIBAC) als eines der 20 kulturell bedeutenden Theater in Italien anerkannt wurde, interessierte Bürger und Kunstschaffende in Projekte einzubeziehen, neue Texte und Bearbeitungen von „Klassikern“ in Auftrag zu geben, dem Experiment breiten Raum einzuräumen, sich Herausforderungen bei der Stücke-Produktion zu stellen, weltoffen zu sein sowie jungen Darstellerinnen und Darstellern die Möglichkeit zu geben, unter der Leitung renommierter Regisseure zu arbeiten. Diese konkreten Leitlinien sind in den Produktionen der Spielzeit 2018/19 erkennbar, die das zweite Triennium unter der künstlerischen Leitung von Walter Zambaldi einleitet.

Paolo Fresu, Anna Bonaiuto, Moni Ovadia, Marta Cuscunà, Michele Placido, Ascanio Celestini, Marco Paolini, Franco Branciaroli, Mario Perrotta, Fausto Russo Alesi, das Ensemble des Teatro dell’Elfo, Rezza-Mastrella, Danio Manfredini, Arianna Scommegna und Natalino Balasso sind nur einige der Protagonisten der Spielreihen „Piazza Verdi” und „Gries” die das Teatro Stabile in Bozen anbietet. Vervollständigt wird dieses attraktive Theaterprogramm durch zwei internationale Gastspiele: den Welterfolg Slava’s Snow Show mit dem besten Clown der Welt Slava Polunin und Turandot in der Interpretation der chinesischen Nationaloper in Peking. Der Spielplan 2018/2019 setzt sich aus zehn Aufführungen im Stadttheater am Verdiplatz, sechs Terminen im Stadttheater Gries und einigen Veranstaltungen im Rahmen der Reihe „Wordbox-Parole per il teatro” zusammen.

Tempo di CHET. La versione di Chet Baker lautet der Titel der von Leo Muscato und Laura Perini verfassten Eigenproduktion des Teatro Stabile, die aus der Verschmelzung und Überlagerung von dramaturgischem Schreiben und musikalischer Kompositionsweise heraus entstanden ist. Eine der einflussreichsten und umstrittensten Figuren der populären Musik des 20. Jahrhunderts lebt in der Musik von Paolo Fresu in einem organischen Strom aus Worten, Bildern und Musik wieder auf. Damit erwacht auch der lyrische Stil des ebenso legendären wie selbstzerstörerischen Trompeters Chet Baker auf der Bühne zu neuem Leben. Ab dem 8. November sind Paolo Fresu (Trompete) Dino Rubino (Klavier) und Marco Bardoscia (Kontrabass) die an Baker erinnernden musikalischen Stimmen in einem von Leo Muscato geführten Ensemble mit Alessandro Averone, Rufin Doh, Simone Luglio, Debora Mancini, Daniele Marmi, Mauro Parrinello, Graziano Piazza und Laura Pozone. Nach der Premiere in Bozen geht diese Produktion auf eine mehrjährige Italientournee.

Die Liebe zu Shakespeare war der auslösende Funke, der die Regisseurin Serena Sinigaglia zu großem Erfolg geführt hat, der dann im Verlauf einer intensiven Karriere weiter gefestigt wurde. Ihre neue Inszenierung von Macbeth (Premiere: 15. November) zeigt auch in diesem dunkelsten aller Shakespeare-Dramen ihre persönliche „Handschrift“. Neu übersetzt und dramaturgisch eingerichtet von Letizia Russo schließt Macbeth das Projekt Compagnia Regionale in Zusammenarbeit mit dem Centro Servizi Culturali S. Chiara in Trient und dem Coordinamento Teatrale Trentino ab. Dem sorgfältig zusammengestellten Ensemble gehören Fausto Russo Alesi und Arianna Scommegna sowie mit Giovanni Battaglia, Gianluca Bazzoli, Paolo Grossi, Sebastiano Kiniger, Sara Rosa Losilla und Maria Giulia Scarcella sechs Schauspielerinnen und Schauspieler der Compagnia Regionale an, die unter den Mitwirkenden von vier Theaterwerkstätten ausgewählt wurden. Ergänzt wird diese Besetzung durch fünf Darstellerinnen und Darsteller aus der Theaterschule des Teatro Stabile aus Turin: Alfonso Genova, Noemi Grasso, Pierpaolo Preziuso, Federica Quartana und Elvira Scorza.

La Bancarotta handelt vom Konkurs eines Kaufmanns und ist im heutigen Italien und damit inmitten der aktuellen Probleme des Landes angesiedelt. Mit dieser Thematik befasst sich ab dem 9. Mai 2019 eine Produktion, die nicht nur ein neues Regieabenteuer für Serena Sinigaglia darstellt, sondern auch das erste Stück ist, in dem Natalino Balasso für das Bozner Teatro Stabile auftritt. Mit „La Bancarotta“ bearbeitet der im Veneto beheimatete Autor Vitaliano Trevisan ein selten gespieltes Stück von Carlo Godoni in seinem bissigen, synkopenreichen, unerbittlichen und sarkastischen Stil.

Ironie, Selbstironie sowie ein tiefrührendes und poetisches Erzählverfahren sind hervorstechende Merkmale von Dio Ride. Nish Koshe. Mit diesem neuen Stück stellt der Künstler und Intellektuelle Moni Ovadia erneut den Genossen Rabonivich, die bekannteste Figur des hebräisch- sowjetischen Humors, auf die Bühne (6. – 9. Dezember). Musikalisch begleitet vom Moni Ovadia Stage Orchestra und mit der Vitalität eines volksnahen Hofnarrs lässt Ovadia die alte osteuropäische jiddische Kultur wiederaufleben. Eine theatralische Auseinandersetzung zwischen Asien und Europa ist das Projekt Turandot (10. – 13. Januar). Mit diesem Märchen par exellence eines orientalischen Exotismus setzt sich der italienische Regisseur Marco Plini zum ersten Mal mit der Pekingoper auseinander. Diese chinesische Oper ist Theater, Tanz und Musik aber vor allem die Kunst des Schauspielers, der sein ganzes Leben der eigenen Vervollkommnung auf der Bühne widmet. Plinis Inszenierung ist ein subtiles Spiel, in dem sich zwei Welten widerspiegeln, die scheinbar weit voneinander entfernt liegen, sich aber gegenseitig anziehen und von der jeweils anderen Seite fasziniert sind.

Vom 24. bis zum 27. Januar treten Anna Bonaiuto und Michele Placido als Hauptdarsteller in der schwarzen Komödie „Kleine Eheverbrechen“ (Piccoli crimini coniugali) des europaweit erfolgreich gespielten französischen Dramatikers Èric-Emmanuel Schmitt auf. Lisa und Gilles sind ein gewöhnliches Paar und 15 Jahre lang scheinbar glücklich verheiratet. Aber schon ein kleiner häuslicher Unfall genügt, um zwischen den beiden Eheleuten einen subtilen und unerbittlichen Schlagabtausch in Gang zu setzen. Victor Hugos RomanDie Elenden“ (I Miserabili) ist eine unendliche und wunderbare menschliche Sinfonie. Vom 31. Januar bis zum 3. Februar lässt Franco Branciaroli dieses monumentale Werk der Weltliteratur als Protagonist in einer von Luca Doninelli für das Theater bearbeiteten Fassung wiederaufleben. Regie führt Franco Però.

Dialoge scharf wie Rasierklingen, Witz und Wortspiele, schlagfertige Einwürfe von eleganten und gelangweilten Figuren, die als erbarmungslose Marionetten, Opportunisten und Spießer erscheinen: Vom 28. Februar bis zum 3. März zeigt Ferdinando Brunis und Francesco Frongias Inszenierung von Oscar Wildes „Ernst sein ist alles oder Bunbury“ (L’importanza di chiamarsi Ernesto) aus dem Teatro dell’Elfo die ganze bissige Respektlosigkeit dieser „frivolen Komödie für ernste Menschen“.

Poetisch und leidenschaftlich melancholisch: Vom 7. bis zum 10. März wird Anton Tschechows unvergänglicher Klassiker „Die Möwe“ (Il Gabbiano) von Marco Sciaccaluga in einer Produktion des Teatro Stabile aus Genua neu interpretiert. Das Programm im Stadttheater am Verdiplatz erreicht mit Slava’s Snow Show – dem weltweiten Erfolg von Slava Polunin – ihren Höhepunkt. Polunin wird heute einmütig als der beste Clown der Welt gefeiert und besitzt die Fähigkeit, das Publikum in ein magisches und festliches Universum zu versetzen, das reich ist an Hoffnungen und Träumen, Wünschen und Sehnsüchten. Slava’s Snow Show – ein „Klassiker“ der Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts – wird in Bozen an sieben Abenden vom 3. bis zum 7. April gezeigt. Seit der Premiere im Jahr 1993 haben weltweit mehr als vier Millionen Menschen diese Tragikomödie gesehen.

Theater machen bedeutet auch Theaterräume mit neuem Leben zu erfüllen. Vom 4. Dezember 2018 bis zum 2. April 2019 stellen Ascanio Celestini, Mario Perrotta, das 2018 mit dem „Goldene Löwen” der Theater-Biennale in Venedig ausgezeichnete Duo Antonio Rezza und Flavia Mastrella, Marco Paolini, Marta Cuscunà sowie Danio Manfredini ihre Produktionen im Stadttheater Gries vor.

Die poetischen, verrückten, surrealen und tiefgreifenden Reflexionen dieser Künstler sind das Ergebnis einer langen Phase der Recherche und des kreativen Schaffens, die das Teatro Stabile mit exklusiven Residency-Projekten unterstützt. Theater machen bedeutet schließlich auch, Projekten von italienweiter Ausstrahlungskraft Raum zu geben und dem Publikum künstlerische und kreative Prozesse mit Rahmenprogrammen wie Wordbox. Parole per il teatro zugänglich zu machen. Zur dritten Ausgabe dieser Reihe, die vom 22. November 2018 bis zum 19. Januar 2019 angeboten wird, gehören die Begegnungen der „Offenen Baustelle im Namen des Vaters“ (Cantiere Aperto in Nome del Padre, 22. November – 1. Dezember). Der Schauspieler und Dramatiker Mario Perrotta erläutert auf dieser „Baustelle“ die Entstehung seines neuen Monologs zur Rolle der Vaterschaft in der Gegenwart. Der gemeinsam mit dem Psychoanalysten Massimo Recalcati verfasste Text ln nome del padre ist eine Koproduktion des Teatro Stabile in Bozen mit dem Piccolo Teatro in Mailand. Dort wird das Stück am 19. Dezember uraufgeführt. Im März 2019 ist ln nome del padre dann auch in Bozen zu sehen. Vom 6. bis zum 16. Dezember gestalten Antonio Viganò und das Ensemble Otello Circus die Reihe Incontro all’Otello mit offenen Proben einer neuen Musiktheaterproduktion zu Werken von Verdi und Shakespeare, die am 11. Januar im Rahmen des vom Teatro Stabile kuratierten Formats „Stagione Inscena” im Cristallo-Theater Premiere hat. Am 16. und 17. Januar präsentiert Marco Paolini unter der Regie von Gabriele Vacis eine Vorschau des Stücks Nel tempo degli dei. Il calzolaio di Ulisse („In der Zeit der Götter. Der Schuster des Odysseus“), das sich mit der Odyssee befasst und in der Saison 2019/20 am Teatro Stabile gezeigt wird. Das Programm in Bozen ergänzen Aufführungsreihen in Meran, Brixen, Bruneck und Sterzing.

Die Aufmerksamkeit für nachwachsende Generationen wird mit dem Projekt OFFICINA TEATRO – in Zusammenarbeit mit der Abteilung italienische Kultur, dem italienischen Schulamt und dem italienischen Jugendamt des Landes sowie mit Unterstützung der Gemeinde Bozen – nicht nur flächendeckend weitergeführt, sondern auch ausgebaut. OFFICINA TEATRO umfasst das Theater- und Werkstattprogramm für Schulen W IL TEATRO!, die Kurse Giovani in scena und Giovani in scena Young und die Werkstätten Sottosopra il teatro, zu denen auch Führungen gehören, die einen Blick hinter die Theaterkulissen werfen. OFFICINA TEATRO hat seinen Aktionsradius ausgeweitet und richtet sich nicht nur an alle Schulstufen, sondern auch an interessierte Erwachsene, die mehr über das Theater erfahren möchten. Im Schuljahr 2018/19 wird W IL TEATRO! mit mehr als 200 Aufführungen der besten italienischen Ensembles im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters in Bozen, Meran, Bruneck, Brixen, Sterzing, Neumarkt und Leifers 40.000 Schülerinnen und Schüler erreichen. OFFICINA TEATRO will den aktiven Dialog mit dem regionalen Umfeld und maßgeblichen Institutionen wie dem Jugendzentrum Vintola 18 und dem Kulturverein Theatraki weiter vertiefen.

Die Abo-Preise für die Aufführungen im Stadttheater am Verdiplatz bleiben unverändert. Abonnements für die Spielzeit 2018/19 sind dienstags bis freitags von 11 bis 14 Uhr und von 17 bis 19 Uhr sowie samstags von 11 bis 14 Uhr an den Kassen des Stadttheaters (Verdiplatz 40, Tel. 0471 053800) erhältlich. Bestehende Abonnements können bis zum 9. Oktober erneuert werden. Bis zum 11. November ist es möglich, Dreijahresabos (für drei Spielzeiten) abzuholen oder neue Dreijahresabos und Saisonabos zu erwerben. Ab dem 6. November können Abos für die Spielzeit 2018/19 am Verdiplatz über die Theater-Homepage www.teatro-bolzano.it online erworben werden