Politik | Türkei

Im Kampf um Kobane favorisiert Erdogan ISIS

Die Regierungspartei AKP hindert kampfbereite Kurden daran, ISIS zu bekämpfen. Dabei sind die Kurden die einzigen "Bodentruppen", die den Terror stoppen könnten.

Aufgebrachte Kurden und wütende Anhänger der türkischen Opposition lieferten sich auch am Freitag Strassenschlachten mit der Polizei. Mindestens 34 Todesopfer sind zu beklagen, seitdem die Demonstranten in allen größeren Städten des Landes die ISIS-freundliche und kurdenfeindliche Politik von Staatspräsident Erdogan anprangern.  Der Türkei droht ein  anhaltender blutiger Bürgerkrieg,  sollte Kobane endgültig fallen. Das prognostizieren regierungskritische Medien in Ankara und in Istanbul.  

Den 35 Millionen türkischen Kurden, die es weltweit gibt, ist der Kragen geplatzt.  Sie halten den Kopf hin, um sich und den Westen vor den ISIS-Milizen zu schützen - und was tut die Regierung in Ankara? Sie hindert die ohnehin nur kümmerlich mit Waffen ausgerüsteten todesmutigen Kurden daran, sich zu verteidigen.

Dabei war es der langjährige Regierungschef Erdogan höchstpersönlich gewesen, der einen Friedensprozess mit den Kurden eingeleitet hatte.  Er suchte nach einem Kompromiss mit dem Staatsfeind Nr. 1, mit der verbotenen kommunistischen Arbeiterpartei PKK des lebenslänglich inhaftierten Kurdenführers Öcalan , um die Türkei innenpolitisch zu befrieden. Diese Bemühungen sind jetzt zunichte gemacht. 

So fadenscheinig und plump sind die Ausreden des zum  Staatspräsidenten aufgerückten  Erdogan, um sich vor einem Eingreifen gegen den islamischen Terrorstaat  zu drücken,  dass sogar die  USA genug haben von ihrem NATO-Partner.  Die amerikanischen Streitkräfte helfen zwar, ISIS aufzuhalten. Doch ihre Luftangriffe haben nur teilweise Wirkung gezeigt.Um ISIS zu bekämpfen braucht es Bodentruppen, die exzellent ausgerüstet sein müssten.

Die Kurden, die in ihrer Enklave Kobane seit die Wochen um ihr Überleben kämpfen , besitzen höchstens alte Kalaschnikows, während der ISIS über hochmoderne Waffen und Nachtsichtgeräte verfügt. Weil viele ISIS-Milizen ehemalige Soldaten von Saddam Hussein sind, die nach dessen Sturz von den USA " übernommen" wurden, kannten  die mordenden Kalifenanhänger alle wichtigen amerikanisch- irakischen Waffenlager.  Diese Lager wurden, ebenso wie die wichtigsten Erdölraffinerien, systematisch geplündert und erbeutet. Die ISIS- Milizen haben auf diese Weise technologisch hochwertige Waffen  und Panzer erobert, die sie auch bedienen können.  Deshalb sind sie den Peschmerga von der Ausrüstung her weit überlegen.  Dass die kurdischen Kämpfer ihr Kobane so lange verteidigen konnten, ist so gesehen fast schon ein Wunder.     

"Unsere besten Freunde: die Kurden von Kobani kämpfen gegen den islamischen Staat um ihr Leben - und niemand steht ihnen bei ", hieß es in der vorigen Ausgabe der Wochenzeitung Die ZEIT. Dabei würde es schon reichen, wenn die Türkei Waffenlieferungen an die Kurden und deren Grenzübertritt Richtung Kobane erlauben würde. Das Gegenteil ist der Fall.  Nicht die Kurden, sondern ISIS-Milizen erhielten von der Türkei logistische und medizinische Unterstützung .  

Bild
Profil für Benutzer Oliver Renzler
Oliver Renzler Mo., 13.10.2014 - 17:47

Sehr geehrte Frau Brugger, da mir Ihre Berichte von vor Ort viel wert sind, bitte ich Sie, zurückhaltender zu schreiben. Offen ja, aber weniger wertend. So wie Erdogan derzeit agiert, müssen Sie ansonsten vielleicht schon bald das Land verlassen... :) Wäre schade. Zudem sind sowieso alle Infos aus solch komplexen Kriegsherden anzuzweifeln. Kann es denn sein, dass die Kurden mit "Kalaschnikows" alleine der ISIS mit ihren Panzern, ihrer Überzahl, ihren MPs usw. wirklich standhalten könnten? Wie sollen die Luftangriffe IN der Stadt die ISIS stoppen? Könnten nicht doch Waffen über die Türkei in die Stadt geliefert werden/worden sein, im Wissen aber ohne dass die Türkei dies zugeben würde? Bei soviel Lügen in der internationalen Politik wäre so eine Lüge mehr kein Wunder.

Mo., 13.10.2014 - 17:47 Permalink