Umwelt | Baumwelt

Kastanien auf Kur

Coldiretti rechnet dieses Jahr mit einer desaströsen Kastanienernte. In Südtirol ist Schlimmeres verhindert worden, auch dank chirurgischer Eingriffe an den Bäumen.
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Foto: Südtirolfoto/Anneliese Kompatscher

Wer am Wochenende in der Bozner Innenstadt unterwegs war, konnte es riechen. Der typische nussige Geruch und weithin sichtbare Rauchwolken wehten über dem Obstmarkt und signalisierten: Es ist wieder soweit, die Kastanzienzeit ist da. Im ganzen Land rüsten sich die Gast- und Schankbetriebe für den Ansturm der Törggele-Liebhaber von nah und fern. Im Eisacktal, wo das Törggelen seinen Ursprung hat, werden just diese Woche die Eisacktaler Kastanienwochen eröffnet – ein kulinarisches Highlight, bei dem heuer zum sechsten Mal die “Goldene Kastanie” verliehen wird. Mit diesem symbolischen Preis zeichnet der HGV-Bezirk Eisacktal eine Person aus, die sich in besonderer Weise für die Aufwertung der Kastanien einsetzt.


Opfer der Gallwespe

Doch es hängen düstere Wolken über dem Kastanienhimmel. Es ist der italienische Bauernverband Coldiretti, der Alarm schlägt. “Sarà un autunno senza castagne”, melden die italienischen Medien am vergangenen Wochenende. Laut Coldiretti sei insbesondere im Süden Italiens dieses Jahr mit großen Einbußen bei der Kastanienernte zu rechnen. Besonders betroffen, die Region Kampanien, wo Coldiretti einen Ernterückgang von bis zu 90 Prozent voraussagt. Schuld an den Ausfällen ist in erster Linie die Kastaniengallwespe, ein Parasit, der die Kastanienbäume zum Austrocknen bringt und weltweit als bedeutendster Kastanien-Schädling gilt. Der besonders trockene Sommer in Süditalien habe die Ausbreitung der Gallwespe begünstigt, heißt es von Coldiretti. Insgesamt rechnet der nationale Bauernverband 2016 italienweit mit einer Gesamternte von weniger als 20 Millionen Kilo Kastanien. Zum Vergleich führt Coldiretti die Kastanienernte von 1911 an: 829 Millionen Kilogramm wurden damals in Italien geerntet.

Doch wie sieht es in Südtirol aus? Werden auch bei uns heuer weniger heimische Kastanien auf den Tisch kommen? Aus dem Landesforstinspektorat kommt Entwarnung. Zum einen sei das Auftreten der Kastaniengallwespe in Südtirol – wie in ganz Norditalien – stark zurückgegangen. Zu verdanken sei dies “der guten Entwicklung seines natürlichen Gegenspielers, Torymus sinensis”, heißt es aus dem Forstinspektorat. Und andererseits kümmert man sich dort seit mittlerweile 20 Jahren darum, dass erkrankte Bäume “kuriert” werden. 1.600 an der Zahl waren es heuer.


Chirurgie am Baum

“In Südtirol ist die Edelkastanie besonders durch den Kastanienrindenkrebs gefährdet”, sagen die Experten. Dabei handelt es sich um eine Pilzkrankheit, die den Baum dicht unter der Rinde befällt und so Pflanzenteile und ganze Pflanzen zum Absterben bringt. Um die an Kastanienrindenkrebs erkrankten Bäume zu sanieren, setzt eigens ausgebildetes Personal mit entsprechender Schutzausrüstung gezielte chirurgische Schnittmaßnahmen ein: “Die erkrankten Baumteile werden entfernt und die entstandenen Wunden mit einem Wundschverschlussmittel mit Fungizidzusatz verschlossen, um eine Ansteckung zu verhindern.” Auf diese Art wird dafür gesorgt, dass die Bäume wieder an Vitalität gewinnen. Die Schnittarbeiten werden im Spätherbst und Winter durchgeführt, da zu diesen Jahreszeiten weniger Sporenflug herrscht und die Ansteckungsgefahr für andere Bäume somit gering gehalten werden kann.


Schnittmaßnahmen an einer Edelkastanie im Frühjahr. Foto: LPA/Amt für Forstverwaltung


Kosten mit Nutznießern teilen

Knapp 92.000 Euro hat die Landesverwaltung dieses Jahr für die Sanierungsarbeiten ausgegeben, die im Frühjahr an 1.600 Kastanienbäumen durchgeführt wurden. Weitere 32.000 Euro wurden von den Kastanienbauern aufgebracht. Eine ähnliche Summe ist auch für das Arbeitsprogramm im bevorstehenden Winter notwendig, wurde auf einem Treffen zwischen Forstverwaltung, Landesforstdirektor Paul Profanter und Amtsdirektor Peter Klotz vergangene Woche festgehalten. Im Rahmen dieses Treffens appellierte Profanter an die Eigentümer der Edelkastanienbäume, die von der Arbeit der Baumsanierer profitieren: “Grundsätzlich gibt die Landesverwaltung durch ihre Hilfe den Anstoß, bestimmte Maßnahmen durchzuführen. Vor allem muss aber das Interesse des Eigentümers der Edelkastanienbäume, dem Nutznießer dieser Sanierungsarbeiten, vorhanden sein – die Landesverwaltung kann dies auch in Zukunft nicht mehr ausschließlich mit Eigenmitteln bewältigen.”

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martin hilpold Do., 13.10.2016 - 12:34

Absterbende alte Kastanienbäume haben auch was Gutes: Häufig findet man Nisthöhlen von Spechten. Diese Nisthöhlen kommen oft auch anderen Vögeln zugute, wie etwa Eulen.
Absterbende alte Bäume sind rar in den Laubwäldern der niederen Lagen, da sie durch Niederwaldwirtschaft genutzt werden. Grauspecht, Buntspecht und Co machen dickstämmige tote Bäume nichts aus, sie sind auf solche Bäume angewiesen.

Do., 13.10.2016 - 12:34 Permalink