Wirtschaft | Interview

Südtirol, gutgläubig auf Private gesetzt

Die Diskussion um die Privatisierung des öffentlichen Personenverkehrs ist noch nicht entschieden. CGIL-Generalsekretärin Anita Perkmann im Interview.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Privatisierung des öffentlichen Personenverkehrs
Foto: Suedtirolfoto.com/Othmar Seehauser

Salto.bz.: Frau Perkmann, warum ist es so wichtig, dass der öffentliche Personenverkehr öffentlich bleibt?

Anita Perkmann: Das Recht auf Mobilität, d.h. der Personentransport gehört zu den Grundrechten jedes einzelnen Bürgers. Zu diesen Grundrechten zählen auch Sanität, Energie oder das Wasser. Warum soll ein Recht der Allgemeinheit in private Hände gelangen? Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen einem privaten Anbieter und einem öffentlichen Betrieb, dessen Ziel es ist, den BürgerInnen einen qualitativ hochwertigen und kostendeckenden Transportdienst anzubieten und gleichzeitig gute und sicherere Arbeitsplätzen zu bieten.

 

Der Bürger/Nutzer hat mehr Vorteile durch einen öffentlichen Dienst?

Im öffentlichen Dienst geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern es bleibt mehr Geld für den Dienst und weniger für irgendwelche und meinst unnütze Führungskräfte. Das private Unternehmen verfolgt aufgrund seiner Art ein ganz anderes Ziel: sein Interesse gilt der Gewinnmaximierung. Die Lohnkosten sind eine der ersten Kostenposten, mit denen es sich beschäftigen wird, gefolgt von den Qualitätskriterien und der Dienstleistung selbst. In letzter Zeit wird auch in Südtirol der Verfall immer offensichtlicher: schlecht funktionieren Dienste, Qualitätsverlust, Ausbeutung der Arbeiter gepaart mit prekären Arbeitsverhältnissen und schwerwiegenden Risiken für die Sicherheit der Bediensteten und der BürgerInnen. 

 

Die Situation für die Angestellten wird durch die Privatisierung immer prekärer?

Der einzige öffentliche Betrieb in Südtirol ist die SASA. Der Transportdienst in Südtirol ist bereits größtenteils in privater Hand, mit prekären Folgen. Im öffentlichen Dienst muss ein Fahrer laut geltendem Kollektivertrag 39 Wochenstunden arbeiten, verteilt auf 6 Tage sind dies täglich jeweils 6,5 Stunden. Bis vor kurzem galten entsprechende Turnusse sowohl für öffentliche als auch private Betriebe. Seit kurzem gelten für den Großteil der Transportfirmen diese Regeln nicht mehr. Ein Fahrer im Privatbereich arbeitet inzwischen vormittags, nachmittags, abends und auch nachts, bis zu 15 Stunden Arbeitspanne pro Tag, und 50 Stunden in der Woche! Anstrengende Turnusse, unmenschliche Arbeitszeiten, jeden Tag ein anderer Turnus. 15 Stunden Arbeitsspanne bedeutet von 6 Uhrmorgens bis 9 Uhr abends unterwegs zu sein, bezahlt werden davon vielleicht nur 6,5. Rechnet man die Zeit von zu Hause zum Arbeitsplatz und zurück dazu, so sind einige Arbeitnehmer 17 und auch 18 Stunden im Dienst. Der Tag hat allerdings auch im Personentransport nur 24 Stunden. Dienstturnusse dieser Art bergen ein enormes Sicherheitsrisiko für den lokalen Nahverkehr. Unweigerlich sinken Aufmerksamkeit und Konzentration, die Gefahren für die Sicherheit der Fahrgäste und der übrigen Verkehrsteilnehmer steigt. Die Qualität gerät unter diesen Umständen komplett unter die Räder. Wir fordern eine Kehrtwendung.

 

Die Petition ist eine Möglichkeit sich zu wehren. Was können die Angestellten noch tun?

Unsere Petition ist dazu da, um die Bevölkerung auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Ansonsten bleiben uns noch Streik und Protestkundgebungen. Diese sind für uns Gewerkschaften allerdings das letzte Mittel um auf gravierende Missstände wie diese aufmerksam zu machen.

 

"In Südtirol hat die Politik in der Vergangenheit den Fehler begangen, nie über einen einzigen öffentlichen Personentransportbetrieb nachgedacht zu haben. Man hat etwas gutgläubig auf Private gesetzt."

 

Sollte sich auch die Politik stärker dafür einsetzen?

In Südtirol hat die Politik in der Vergangenheit den Fehler begangen, nie über einen einzigen öffentlichen Personentransportbetrieb nachgedacht zu haben. Man hat etwas gutgläubig auf Private gesetzt. Die ab und zu vergessen, dass sie mit öffentlichen Geldern arbeiten. Damit verbundene soziale Verpflichtungen spüren diese immer weniger, wenn überhaupt. Im Trentino wurde ein ganz anderer Weg eingeschlagen, dort wurden die verschiedenen Betriebe 2002 in einen einzigen Verkehrsbetrieb Trentino Trasporti zusammengeschlossen. Wenn wir uns mit unseren Trentiner Gewerkschaftskollegen austauschen, haben wir keine Zweifel wo es den Arbeitern besser geht. Und das ist nicht in Südtirol.

 

Wenn der Trend der Privatisierung so weiter geht, wird den Job bald keiner mehr machen…

Mit Dezember 2018 verfallen die Buskonzessionen und können nicht mehr wie früher einfach verlängert werden. Laut EU-Richtlinie 1370/2007 muss der Dienst europaweit ausgeschrieben werden, nur an einen öffentlichen Betrieb kann er direkt (in house) vergeben werden. Dies geschieht um die Privatisierung im öffentlichen Sektor voranzutreiben. Sehr oft hat dies in der Vergangenheit zu verheerenden Folgen geführt, siehe die Privatisierung in England oder in Deutschland. In Südtirol hat diese Unsicherheit zu einem „schnell noch abkassieren“ geführt, was für die Arbeiter verheerend ist. Durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sehen sich viele Bediensteten nach einen anderen Job um und finden ihn auch.

 

Wie wird es weiter gehen?

Zur Zeit wird von der Landesregierung der Moblitätsplan diskutiert, der den Sektor für die nächsten Jahre regeln soll und maßgeblich die Ausschreibungen mitbestimmt. Wir als Gewerkschaft wenden uns gegen keinen Betrieb, wir prangern ein System an, dass sich in Südtirol in den letzten Jahren entwickelt hat. Wir sind dafür, dass der Transport, der zu 100 Prozent von den Bürgern bezahlt wird (27 Prozent circa in Form von Fahrkarten und der Rest über Steuergelder), auch von der öffentlichen Hand betrieben wird.