Umwelt | Wolf

(K)ein Tier wie alle anderen

Der Wolf erhitzt die Gemüter. Eine neue Station im Naturmuseum bietet nun die Möglichkeit, sich mit dem Canis lupus auseinanderzusetzen und selbst eine Meinung zu bilden.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Zoom 10 - Wolf Interaktion
Foto: Stefan Borkert / salto.bz

Lange Zeit galt der Wolf in Südtirol als ausgestorben. Seit 2012 ist er zurück. In den heimischen Wäldern genauso wie auf den Titelseiten der Medien. Äußerst kontrovers wird seither über den Umgang mit dem Wildtier diskutiert. Im zweiten Stock des Naturmuseums Südtirol in Bozen widmet sich ab 9. Oktober eine eigenen „Wolfstation“ der Tierart Canis lupus und beleuchtet dabei verschiedene Blickwinkel. Johanna Platzgummer, Mitarbeiterin im Museum, hat den neuen Ausstellungsbereich inhaltlich mitbetreut. „Wölfe sind Teil der Südtiroler Natur geworden: Das Naturmuseum informiert daher über diese Tierart – sachlich und mit vielen Fakten. Die Evolution formte Wölfe genauso wie Rothirsche, beide Arten hängen voneinander ab, ihre Körper und ihr Verhalten spiegeln ihre gemeinsame Entwicklung wider. Daher zeigen wir Wölfe im Kontext,“ sagt Platzgummer, „wir gehen auch der Kulturgeschichte nach, denn der Mensch hat von Wölfen in den unterschiedlichen Kulturen und Zeiten unterschiedliche Bilder. Die Besucher und Besucherinnen sollen sich in der Wolfstation Informationen nach ihrem Vorwissen und Interesse suchen und sich eine eigene Vorstellung bilden.“

 

Im Mittelpunkt des neuen Bereichs in der Dauerausstellung steht die Wölfin WBZF01 vom Deutschnonsberg. Fast zwei Jahre lang trug sie ein Sendehalsband, über das ihr Bewegungsradius analysiert wurde. Als Skulptur aus Kunstpelz und -harz wird sie im Museum zum Greifen nah. „Gezeigt wird sie in der für Wölfe typischen Haltung“, sagt Platzgummer, „rennend, die Nase nach vorne gestreckt, um das Terrain im Blick zu haben. So zeigen viele Aufnahmen aus Fotofallen Wölfe.“ Über Sendehalsbänder und die jahrelange Beobachtung von Wölfen – wie etwa die Auswertung von Kot, Urin, Speichel an gerissenen Tieren und Fotofallen – hat man vieles über ihre Lebensweisen in Erfahrung bringen können, darüber will die „Wolfstation“ informieren. Denn alle Länder der EU sind verpflichtet, geschützte Tierarten wie den Wolf durch regelmäßiges Monitoring zu begleiten und über Populationsgröße und Verbreitung zu berichten.

 

 

In den Rudeln, den Wolfsfamilien, leben bis zu 10 Tiere zusammen. In der Regel besteht eine Wolfsfamilie aus den Eltern und ihren Nachkommen des letzten und manchmal des vorletzten Jahres. Ein Wolfspaar bleibt fast immer ein Leben lang zusammen. Sind die jungen Wölfe im paarungsreifen Alter, verlassen sie ihre Gruppe, suchen einen Partner und gründen selbst eine Wolfsfamilie. „Wölfe sind wie Menschen sehr sozial“, so Platzgummer, „sie haben daher eine detailreiche Kommunikation. Ähnlich den Menschen geben auch Wölfe Kulturleistungen wie etwa Jagdtechniken an die nächste Generation weiter.“

Der Wolf ist außerdem ein wichtiger Player im Ökosystem und hat eine regulierende Einwirkung auf den Wildbestand. Im Gegensatz zum menschlichen Jäger, der ein erlegtes Tier immer aus dem Wald nimmt und keiner sonst davon profitieren kann, frisst der Wolf meist nicht die gesamte Beute auf einmal. Die verstreuten Kadaverteile sind eine Nahrungsquelle für erstaunlich viele mittlere und kleine Tiere. „In den Alpen und Apenninen ernähren sich Wölfe zu 90% von großen Wildtieren (Hirsch, Reh, je nach Region Gämse oder Wildschwein)“, so Platzgummer, „trotz der vielen Rissmeldungen wurden in Südtirol 2019 0,24 % der registrierten Schafe von Wölfen getötet.“ Das kontroverse und vieldiskutierte Thema Wolf und Weidetiere wird in der Ausstellung anhand von Erfahrungen und der Praxis von Hirten in Südtirol, Nordtirol und der Schweiz gezeigt.

Mit Schlagzeilen und Fotos von gerissenen Schafen hat es der Wolf in den vergangenen Jahren oft auf die Titelseiten der heimischen Medien geschafft „Seit dem 11. Jahrhundert,“ sagt Platzgummer „wird der Wolf als Gefahr für den Menschen gesehen. Seither gibt es einen aktiven ‚Kulturkampf‘ gegen den Canis lupus. Das Thema Wolf lässt sich in Süd-, West- und Mitteleuropa nur verstehen, wenn wir bis ins 11. Jahrhundert zurückgehen und diesen Kulturkampf rekonstruieren.“ Deshalb wagt die Ausstellung auch einen Blick zurück in die Geschichte.

 

Die gemeinsame Geschichte von Mensch und Wolf beginnt vor rund 12.000 Jahren. Damals war das Wolfsbild noch durchwegs positiv geprägt. Der Wolf wurde als Totemtier, als Identifikation und als Bruder der Menschen betrachtet. Noch in der römischen Antike war der Wolf positiv konnotiert – man denke nur an die Wölfin, die der Erzählung nach Romulus und Remus, die Gründer der Stadt Rom großzog. Mit Beginn der Viehhaltung traten Mensch und Wolf in Konkurrenz zueinander. Mit dem Ausbau des Siedlungswesens wurden ab dem 11. Jahrhundert immer mehr Wälder gerodet, um Platz für Siedlungen und Weiden zu schaffen. Das natürliche Habitat des Wolfes wurde kleiner. Gleichzeitig wurde der Wolf zur Gefahr für die Schafe, deren Wolle ein wichtiger Textillieferant und damit wichtig für den gesamten wirtschaftlichen Motor war. Der Wolf wurde zunehmend auch kulturell zu einem Feindbild, ein Symbol für das Gefährliche und Böse.

„Die Wolfsdebatte löst keines der gesellschaftlichen Anliegen, es artikuliert sie nur,“ sagt Platzgummer, „Daher sind viele gut recherchierte Informationen wichtig, damit sich Interessierte selbst eine Meinung bilden können.“