Kultur | Salto Afternoon

Graugänse im November

Die Künstlerin Sylvia Barbolini lässt in den Künstlerstadt Klausen Gänse steigen. Eine Provokation in der Stadt der Enten?
Klausen Gänse
Foto: Kunst_Boden_Nah

In Rahmen von kunst boden_nah wird die Künstlerin Sylvia Barbolini ab dem 12. November ein Dutzend Graugänse in der Fußgängerzone von Klausen installieren die als Schwarm von Zugvögeln in den Gassen hängen und „scheinbar hindurchziehen“. Da sie in ihren Arbeiten gern das Spiel aufgreift, hat sie die Gänse als sogenannte Schwingvögel ausgeführt, also mit beweglichen Flügeln. Zwar können die Passanten aus Sicherheitsgründen nicht am Korpus der gegossenen Tiere ziehen, diese bewegen sich lediglich im Wind. „Die vorwärtsdrängenden Zugvögel, stehen für den Verkehr auf der nahen Brennerautobahn, die über das beschauliche Städtchen hinwegführt“ sagt die Künstlerin, deren Vögel sich scheinbar verirrt haben und in ihrer beständigen Flucht nach vorn, in den falschen Kanal geraten sind. Der Schwarm findet nach Aussagen der Künstlerin „zwischen den Häuserfronten Klausens keinen Platz, sich zu entfalten.Aus der Nähe werden deshalb nur einzelne Teile sichtbar sein. „Es sind zerbrechliche Individuen, deren Fortkommen bedroht erscheint.

„Wenn man auf einem Hof aufwächst, da ist man als Kind isoliert und nicht so sehr eingebunden im alltäglichen Leben im Dorf. Dann beschäftigt man sich natürlich mit der Natur, den Tieren. Ich glaub das hat mich sehr geprägt und die Phantasie sehr gefördert“.
Sylvia Barbolini

Sylvia Barbolini hat ihre Kindheit auf einem alten Hof im Eggental verbracht. An ihren verspielten Bildern und Skulpturen arbeitet die Künstlerin, die heute in Rottweil (Baden-Württemberg/Deutschland) lebt, auch wenn sie ab und zu ihr Heimathaus besucht. Ihre Arbeiten fertigt sie dann zu Hause, oder in ihrem Atelier im Tal, am Dorfplatz von Eggen. Sie will mit ihrer Kunst, Mensch und Natur auf einer künstlerischen Ebene zusammenführen. Demnach kommt die Natur immer wieder in ihren Bildern vor. „Tiere verwende ich um Charakter von Menschen darzustellen, eigentlich die Instinkte des Menschen, ohne Kopf und ohne Moral.“ Ihre Bildsprache bedient sich eines feinen Humors, denkt man etwa die Goldfische im Wasserglas, die Glühbirnen mit Insekten.

Sylvia Barbolini wurde 1986 in Bozen/Südtirol geboren und studierte Malerei an der "Accademia di Belle Art" in Venedig sowie an der "Facultad de Bellas Artes Alonso Cano" in Granada. Ihr Spektrum reicht von malerischen Ausdrucksformen über Collage, Monotypie und Siebdruck. Sie fertigt zudem keramische Skulpturen, feine Metallgüsse und kleine Schnitzereien. Häufig kreiert sie stimmige Verbindungen, indem sie Altes mit Neuem aber auch mehrere Techniken miteinander vermischt. Mit ihrer Arbeit Lebenslüge war sie im vergangenen Jahr, eine der Preisträgerinnen des 34. Österreichischen Grafikwettbewerbs. „Das Spiel ist für mich immer ein Mittel zum Verfremden“ sagt sie. Barbolini interessiert sich für die Psyche der Menschen, das Zwischenmenschliche und gesellschaftlichen Entwicklungen. Spielerisch gelingt es ihr, die aufgegriffenen Themen künstlerisch aufzulösen und neu darzustellen.

Das ambivalente Bild, welches sie mit ihrer Vogel-Installation in Klausen entstehen lässt, steht „im prekären Gegensatz zum verträumten Erscheinungsbild der mittelalterlichen Stadt, die ihre innere Ruhe längst gefunden hat.“  Die Reise der Zugvögel manifestiert nicht nur den Aufbruch, vor allem aber die Wiederkehr, die nur scheinbar chaotische Züge trägt. In Alexander Koesters „Entenhausen“ in Klausen ziehen nun also für ein paar Wochen neue Gäste ein und durch. Es sind zur Gänze Kunstgänse.