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Foto: zucco.inc
Gesellschaft | Polla der Woche

Suor Maria Laura

Die Grüne Bozner Stadträtin Maria Laura Lorenzini hat mit einer unglaublichen Aktion der reinen Bigotterie aufhorchen lassen. Von Kreisen, Strichen und Klomoral.
Maria Laura Lorenzini sieht sich selbst als progressiv. Die 63jährige Bozner Architektin zog im Mai für die Grünen in den Bozner Gemeinderat ein. Einen Monat später wurde sie zur Stadträtin für Umwelt, Mobilität und Chancengleichheit berufen.
Die Mutter von drei Mädchen sagt in der aktuelle Ausgabe der Zeitschrift des Landesbeirates für Chancengleichheit „Eres“ über ihre aktuelle, politische Arbeit:
„Quando si hanno degli ideali tanto radicati, a volte, è difficile scendere a compromessi. Bisogna fare il conto con possibili delusioni e continuare a lottare, pur sapendo che si può anche perdere.“
Wie schnell sich die grüne Stadträtin allerdings in den eigenen geistigen Wurzeln verheddert hat, zeigte sich vergangene Woche. Maria Laura Lorenzini ist die Hauptdarstellerin einer Aktion, die an Dummheit und Bigotterie kaum zu überbieten ist.
 
Die Stadtgemeinde Bozen stellt bei größeren Veranstaltungen immer wieder mobile Klohäuschen auf. So etwa beim alljährlichen Weihnachtsmarkt. Seit einiger Zeit werden diese Klos bei der Rittner Firma Niederstätter angemietet.
Firmenchefin Maria Niederstätter eine liberale, aufgeklärte Unternehmerin mit Sinn für Kultur und Kunst hat ihre Sanitäts-Container von einem Künstler gestalten lassen. Die Wahl fiel auf Christoph Hinterhuber. Der Innsbrucker Künstler, Jahrgang 1973, arbeitet in seinen Bildern vor allem mit Zeichensystemen, reduzierten graphischen Zeichen und geometrischen, plakativen Flächen. Immer wieder verwendet er dabei auch ganz bewusst die Farbe Rosa. „Auf den ersten Blick glaubt man das Gesehene zu erkennen, und dennoch ergibt sich aus dem Kontext immer wieder eine neue Bedeutung“, schreibt die Kuratorin Sabine Folie über Hinterhuber.
Christoph Hinterhuber hat dann auch die Niederstätter-Sanitätscontainer rosa angemalt und mit durchaus eigenwilligen, großen Strichen und Kreisen ausgeschmückt. Auch als Zeichen für Mann und Frau.
 
Schon mehrmals hat die Gemeinde Bozen diese Hinterhuber-Container für Veranstaltungen, etwa auf den Bozner Talferwiesen, angemietet. Ohne irgendwelche Probleme. Vor zwei Wochen wurde dann ein Container von der Kurverwaltung am Bozner Bahnhofspark aufgestellt. Dem Ansturm der Weihnachtsmarkt-Besucher sollte wenigstens für die Notdurft ein künstlerisch, anspruchsvolles Ambiente geboten werden.
Doch man hatte die Rechnung anscheinend ohne die grüne Stadträtin gemacht. In den Kompetenzbereich von Maria Laura Lorenzini fallen auch die Stadtgärtnerei und die Planung von Grünflachen. Damit sieht sich die Grüne berufen, auf dem Rasen des Bahnhofspark, Moralpolizei zu spielen. Denn Lorenzini entrüstete sich über die Zeichen auf den Containern und stilisierte das Ganze als Anschlag auf die Unversehrtheit der Kinder hoch. Weil anscheinend Menschen bei Anblick dieses vulgären Machwerks bleibende Schäden davontragen könnten, reagierte die Politikerin öffentlich. Umgehend wurde Hinterhubers Kunstwerk – von unbekannter Hand - mit Fotos vom Weihnachtsmarkt überkleben. Die grüne Stadträtin wird später behaupten: Sie habe diese Anweisung nicht gegeben.
 
 
„Hinterhubers Striche, Kreise und Klammern als Provokation zu sehen, dafür braucht es entweder viel Fantasie oder eine ordentliche Portion Verklemmtheit.“
Was wie ein schlechter Witz klingt, ist leider Bozner Realität. Jeder von uns, macht manchmal einen Blödsinn. Meistens schämt man sich dann und ist still. Nicht so Maria Laura Lorenzini. Sie scheint durchaus stolz auf ihren bigotten Ausfall zu sein.
Auf ihrem Facebook-Account kommentiert sie später voller Überzeugung:
 
„Premesso, che apprezzo arte e design e non mi indigno davanti a arte/provocazione, però in questo caso mi sorprende la scelta delle toilette nel Parco Stazione, del loro colore rosa, dei simboli disegnati per indicare toilette donne e uomini e cioè due parentesi con un inequivocabile buco e una svettante linea con due inequivocabili palle. Il tutto accanto al Parco dove i bambini esporranno credo come ogni anno i loro simboli natalizi.“
 
Über die Ästhetik lässt sich durchaus streiten. Aber Kinder als Ausrede für das eigene, kleinliche, engherzige und intolerante Verhalten herzunehmen, das ist wirklich der Höhepunkt an Scheinheiligkeit.
Hinterhubers Striche, Kreise und Klammern als Provokation zu sehen, dafür braucht es entweder viel Fantasie oder eine ordentliche Portion Verklemmtheit. Dass ausgerechnet eine grüne Politikerin eine solche Frömmigkeit an den Tag legt, dürfte viel über den Wandel aussagen, den die einstmals so große und liberale „Alternative Liste für das andere Südtirol“ inzwischen durchgemacht hat.
Maria Laura Lorenzini ist auch für die Chancengleichheit in der Landeshauptstadt zuständig. Ob moralische Scheuklappen das richtige Werkzeug für diese politische Aufgabe sind, darf bezweifelt werden.

 

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Christoph Moar Sa., 10.12.2016 - 11:46

Cool. Ist das Überkleben jetzt biederer Ernst oder eine verkappte Kunstaktion? Oder waren etwa die Putzfrauen des Museions wieder zu Werke? Das hat Performance-Potential! Oder ist das gar Soziale Plastik? Vielleicht stoße ich noch einen Beitrag von #franzmagazin an, zur Bedeutung des Erweiterten Kunstbegriffs. Dann wären wir hier alle an diesem Kunstwerk beteiligt!

Ansonsten - über das Verhältnis von Kunst und Politik, Privatem und Politischem ist in den letzten 50 Jahren wohl ausführlich debattiert worden, mir fällt jetzt auch nichts Neues dazu ein.

Als - Randnotiz - ein paar weitere Werke des Künstlers, wem es interessiert. http://www.chinterhuber.com/works/
Pink ist, wie mir scheint, bei Hinterhuber gesetzt. Ich muss jetzt noch grübeln, ob die Striche pornographischer als der um die Ecke liegende Sexshop oder die Werbung von Palmers sind...

Sa., 10.12.2016 - 11:46 Permalink
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F. T. Sa., 10.12.2016 - 15:10

Unglaublich in was für ein Sündenbabel sich dieses Bozen entwickelt. Sexshops, sogenannte Unterhosen in den Auslagen ,
leichtbekleidete Mädchen am Bozner Boden, der Nuttenführer der Tageszeitung, und jetzt auch noch die mobilen Häuseln in rosa und mit Kreisen und Strichen. Wo werden wir denn noch landen ? Ein orientalischer Massagesalon im leerstehenden
Flughafen, oder ein FKK Strand auf den Talferwiesen? Vade retro Satana!

Sa., 10.12.2016 - 15:10 Permalink
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gorgias Sa., 10.12.2016 - 16:11

Jetzt habe ich fast ein schlechtes Gewissen, weil ich die fundamentalkatholische Fraktion insgeheim verdächtig habe.

Aber dass die Grünen durch die ganze Political Correctness irgendwann zu den neuen Tugendwächter würden, habe ich schon länger vermutet.

Ja die Grünen sind halt auch nicht mehr das was sie waren. Arnold Tribus würde sich im Grab umdrehen, wenn er nicht noch leben würde. :-)

Sa., 10.12.2016 - 16:11 Permalink
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alfred frei So., 11.12.2016 - 08:38

Könnte man nicht eine WC Zeichen zuzüglich an dem Klohäuschen anbringen, in dem sich Männchen und Weibchen mit den Händen ihre intime Schandstellen bedecken, und so Hinterhubers Striche, Kreise und Klammern entschärfen. Damit wäre das “grüne Gewissen” gerettet und Arnold Tribus die üblichen Umdrehungen erspart. Oder nicht ?

So., 11.12.2016 - 08:38 Permalink
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Maria Niederstätter Mi., 14.12.2016 - 11:53

Ich verfolge mit großem Interesse die öffentliche Debatte, welche sich rund um unsere WC-Container von Christoph Hinterhuber im Bahnhofspark entfacht hat. Wir haben bereits zu anderen Gelegenheiten gerade mit unserer Art-Container-Serie die Erfahrung gemacht, dass ein Kunstwerk nicht nur durch seine Ästhetik, sondern auch durch seine Inhalte wirkt. Und es ist immer wieder spannend zu beobachten, wie die Kunst im öffentlichen Raum die Gemüter anstößt, und tatsächlich in der Lage ist, einen Beitrag in Bezug auf die öffentliche Diskussion zu verschiedenen Themen unserer Gesellschaft zu leisten. Die Diskussion ist uns demnach nicht neu. Was mich aber überrascht, das ist die Tatsache, dass Menschen sich tatsächlich anmaßen, in eine künstlerische Gestaltung einzugreifen und diese zu verändern. Da in diesem Falle nun die öffentliche Beteiligung am Werk derartige Formen angenommen hat, dass die eigentliche Arbeit des Künstlers nicht mehr erkennbar ist, dann geht es für mein Empfinden zu weit.

Mi., 14.12.2016 - 11:53 Permalink