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Cold War

Der neue Film des polnischen Regisseurs Pawel Pawlikowski erzählt in poetischen Bildern die Geschichte einer tragischen Liebe.
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Foto: Neue Visionen Filmverleih

„Ida“, ein kleiner polnischer Film über eine Nonne gewann im Jahr 2015 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Es war eine kleine Überraschung, und ein Film, der in seiner reduzierten Geschichte und Präsentation Großes erzählte. Der Name des Regisseurs war Pawel Pawlikowski, und eben jener legt mit „Cold War“ sein Nachfolgewerk vor. Und abermals stehen alle Zeichen auf Erfolg. In Cannes gewann der Filmemacher den Regie-Preis und befindet sich abermals in der Vorauswahl für den Auslandsoscar. Doch Preise sind einerlei, was zählt ist das, was wir auf der Leinwand sehen.

Im Geheimen wollen sie nur den jeweils anderen, und sie beginnen daran zu zerbrechen. 

Wie schon in „Ida“ erzählt Pawlikowski auch in seinem neuen Film eine intime Geschichte. Nichts Weltbewegendes, sondern die Geschichte einer Beziehung, die zum Scheitern verurteilt ist. Das Jahr ist 1949, es geht um Zula und Wiktor, sie eine angehende Sängerin im Folk-Ensemble „Mazurek“, er Leiter und Komponist des Ensembles. Er ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Zula ihre Anstellung erhält. Dass in dieser Frage nicht nur ihr sicherlich vorhandenes gesangliches Talent eine Rolle spielt, wird schnell klar. Wiktor hält mit seinem persönlichen Interesse für seine Schülerin nicht lange hinter dem Berg, und zu seinem Glück wird seine Liebe erwidert. Doch es ist eine geheime Beziehung, die die beiden eingehen, das Wissen um die Konstellation aus Lehrer-Schülerin soll nicht unnötigerweise viele Menschen erreichen. Das Ensemble wird unter seinen ehrgeizigen Managern indes erfolgreicher, größer, und beginnt durch ganz Europa zu touren. Irgendwann wird Wiktor seinen Posten als Leiter des Chors aufgeben und nach Paris ziehen. Was folgt, sind sporadische Wiedersehen der beiden über einen Zeitraum von rund 20 Jahren. Wann immer sich Wiktor und Zula sehen, ist die alte Leidenschaft sofort wieder da. Sie halten sich wie Liebende, die die Zuneigung zueinander eben erst entdeckt haben. Sie nimmt nicht ab, zumindest für eine lange Zeit. Doch auch die hinterlässt Spuren an den beiden, sie leiden unter dem steten Druck ihrer Arbeit, und ihrer inzwischen mit anderen Partnern geschlossenen Ehen. Im Geheimen wollen sie nur den jeweils anderen, und sie beginnen daran zu zerbrechen. 

Cold War – Der Breitengrad der Liebe - Trailer (OmU) / Polyfilm

Mehr sei an dieser Stelle auch nicht verraten, denn die Handlung von „Cold War“ wartet mit der ein oder anderen Überraschung auf, ohne diese jedoch über-zu-inszenieren oder auszuschlachten. Hier kommt der eigenwillige und angenehm entschleunigte Regie-Stil von Pawlikowski zum Tragen. Er zeigt das Geschehen, seine Protagonisten und die Orte, durch die sie sich bewegen, mit ekstatischer Ruhe. Die kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bilder bestechen mit klaren Konturen und poetisch anmutenden Kompositionen.

Herz-Schmerz kann wunderschön und traurig zugleich sein.

Jedes Standbild könnte in einem Museum hängen, so überzeugt und selbstbewusst zeigt Pawlikowski seine immer depressiver werdende Welt. Er ist einer der wenigen aktuellen Filmemacher, die es verstehen, sich von Trends und dem Druck einer sich stets weiterentwickelnden Filmindustrie zu lösen, und sich stilistisch an der Vergangenheit orientieren. Nicht selten werden Assoziationen zu Tarkowski wach, jedoch ohne dass Pawlikowski zum Nachahmer verkommt. Er hat seine ganz eigene Art, dem Zuschauer das Wesentliche zu vermitteln, und eben nur das, er füttert das Publikum nicht mit unnötigen Informationen, sondern überlässt ihm das Denken. Besonders deutlich wird das beim denkwürdigen Ende des Film, welches schlicht und still inszeniert wird, dadurch aber um so mehr Wucht erhält. Dem zuträglich sind die hervorragenden Leistungen der beiden Hauptdarsteller, die ihre Gefühle mit leichten Regungen ihrer Mimik, und nur wenigen Worten transportieren und ganz in ihren Rollen versinken. Oft schweigt man, und oft spricht die Musik, jene Konstante, die Wiktor und Zula erst zusammengebracht hat, und wie ein Bindeglied zwischen den beiden funktioniert. Die Mischung aus Folklore, Jazz und Klassik erzeugt einen dichten Klangteppich, der, wann immer Zula dazu singt, einen unangenehm schmerzerfüllten Charakter erhält. Selten war Lieben schwerer, selten war das Bedürfnis nach einem Happy End größer. Man will es, man will es für die beiden verlorenen Seelen, die durch das Europa der Nachkriegszeit stolpern und selbst nicht genau wissen, welchen Weg sie nehmen sollen. „Cold War“ ist großes Kino, ein Kino der ehrlichen Gefühle. Etwas, was man heute nur noch selten findet. Wie schon „Ida“ ist auch Pawlikowskis neuer Film ein Geheimtipp, der trotz all seiner Tristes Lust auf mehr aus dem Œuvre des polnischen Kino-Magiers macht. Herz-Schmerz kann wunderschön und traurig zugleich sein. Ganz ohne Kitsch.