Politik | Consip-Affäre

Auch das noch

Die Ermittlungen gegen seinen Vater wegen Verwicklung in einem Korruptionfall treffen Renzi schwer. Und mit ihm die PD.
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Matteo Renzi & Luca Lotti
Foto: upi

Als ob die krachende Niederlage beim Verfassungsreferendum, der Rücktritt als Regierungs- und Parteichef und die Spaltung der PD nicht gereicht hätten, trifft Renzi jetzt ein weiterer schwerer Schlag: Gegen seinen Vater, Tiziano Renzi, wird wegen des Verdachts auf illegale Vermittlung in einem Korruptionsfall ermittelt.

Es handelt sich – mal wieder – um eine verworrene Geschichte von Bestechungsgeldern, Handel mit öffentlichen Aufträgen und dubiosen politischen Seilschaften. Anfang März wurde der Unternehmer Alfredo Romeo verhaftet, weil ihm vorgeworfen wird, wiederholt einen leitenden Vertreter der „Consip AG“ geschmiert zu haben, um sich lukrative öffentliche Aufträge zu sichern. Die „Consip“ ist eine Aktiengesellschaft, die im Auftrag des Wirtschafts- und Finanzministeriums für Einrichtungen der staatlichen Verwaltung sowohl beratend als auch organisatorisch tätig ist, u. a. bei der Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträgen an externe Unternehmen.

Ermittlungen gegen Renzis Vater

Im Laufe der Untersuchungen ergaben sich aus Abhörprotokollen und Zeugenaussagen Hinweise dafür, dass Renzis Vater Tiziano in den Fall verwickelt ist. Romeo soll dem Unternehmer Russo, der mit der Familie Renzi befreundet ist, Geld versprochen haben, um in Kontakt mit Renzi Senior zu kommen. Mit dem Ziel, mit Hilfe seiner „Fürsprache“ bei der Auftragsvergabe von Consip bevorzugt zu werden. Consip-Chef Marroni, der als Zeuge gehört wurde, sagte aus, Tiziano Renzi habe sich mehrmals an ihn gewandt, um zugunsten von Romeo „Druck zu machen“. Ob der inzwischen inhaftierte Romeo ihm ebenfalls Geld für diese „Vermittlerdienste“ gab, ist nicht erwiesen. Ein Indiz dafür sehen die Ermittler in einigen Papierfetzen aus einem „Zahlbuch“ von Romeo, die von der Polizei in einem Abfallkorb gefunden wurden. Dort sind Eintragungen über monatliche Zahlungen von 30.000 Euro notiert - mit einem „T. R.“ als Adressaten.

Renzis Vater bestreitet alle Vorwürfe und erklärt, Romeo überhaupt nicht zu kennen. Den Consip-Chef Marroni habe er aufgesucht, als dieser noch in der Region Toscana Gesundheitsdezernent war, weil er ihn nur bitten wollte, vor einem Kinderkrankenhaus in Florenz eine Statue der Madonna von Medjugorje aufstellen zu lassen, „die ich sehr verehre“. Ob diese fromme Erklärung die Staatsanwälte überzeugt, darf man bezweifeln.

Auch Renzis Vertrauter Lotti verwickelt

Noch schwieriger wird die Sache für Matteo Renzi, weil auch gegen seinen engsten Vertrauten Luca Lotti wegen „Preisgabe geheimer Informationen“ ermittelt wird. Lotti, der jetzt Sportminister in der Regierung Gentiloni ist, soll den Consip-Chef über die laufenden polizeilichen Untersuchungen und mögliche Abhöraktionen unterrichtet haben. Daraufhin habe Marroni die Räume der Consip – mit Erfolg – nach Wanzen durchsuchen und diese entfernen lassen. Lotti bestreitet, Marroni gewarnt zu haben.

Nun fordern die 5-Sternebewegung, die Lega und die kleine Gruppierung „Sinistra Italiana“ Lottis Rücktritt. Besonders die Grillini können ihr Glück nicht fassen, dass durch den Consip-Fall die öffentliche Aufmerksamkeit von ihrer eigenen römischen Bürgermeisterin Raggi abgelenkt wird. Gegen Raggi, die sich als krasse Fehlbesetzung erwiesen hat, wird ebenfalls ermittelt: wegen Falschaussage und Amtsmissbrauch. Auch nicht gerade Kavaliersdelikte. Doch anders als bei Lotti stören sich daran die Grillini natürlich überhaupt nicht. Zurücktreten sollen nur die von der anderen Seite.

Was und wie viel an den Anschuldigungen, u. a. gegen Renzis Vater, wirklich dran ist, müssen die Gerichte klären. Doch unabhängig davon, ob Tiziano Renzi tatsächlich justitiable Vergehen begangen hat, wirft der Fall auf moralischer wie politischer Ebene Fragen auf. Es ist befremdlich, dass der Vater von Renzi in dessen Amtszeit als Regierungschef offensichtlich mit Beamten in hohen Positionen und mit – sagen wir - „forschen“ Unternehmern engen Kontakt hielt und über dies und das verhandelte, sei es meinetwegen die Statue der Madonna von Medjugorje, die vor irgendeinem Krankenhaus aufgestellt werden sollte. In seiner Position wäre strikte Zurückhaltung nicht nur ratsam, sondern geboten gewesen. Wie stand und steht Matteo Renzi dazu? Es reicht nicht aus, dass er jetzt erklärt, „Ich vertraue den Richtern“ (wäre ja noch schöner, wenn nicht). Und: „Sollte mein Vater schuldig sein“ (was er also nicht ganz ausschließt), „müsste er doppelt bestraft werden“.

„Die strafrechtliche Relevanz fällt nicht immer mit der politischen Dimension zusammen“ schreibt zu recht Claudio Tito in der „Repubblica“. „Man kann nicht so tun, als ob nichts wäre, wenn ein Staatsminister und der Vater des wichtigsten politischen Leaders des Landes im Ermittlungsregister der Staatsanwaltschaft landen... Der ehemalige Ministerpräsident und Generalsekretär der PD kann sich angesichts einer offiziellen Ermittlungsakte, die erhebliche Schatten auf das Verhalten von Vertrauten und engen Verwandten wirft, nicht einfach damit aus der Affäre ziehen, dass er beteuert, er vertraue den Richtern... Er ist den Bürgern und seinen Wählern eine Erklärung schuldig“.

Renzi schwächelt und mit ihm die gesamte PD

Die Consip-Korruptionsaffäre macht eine weitere „Krankheit“ des sogenannten Renzismus deutlich. Renzi stützte seine politische Macht und persönliche Autorität vor allem auf einen kleinen Zirkel von „Getreuen“, die ihm als Resonanzboden dienten. Statt auf ein Team von kompetenten und unabhängigen Mitstreitern, die in der Lage gewesen wären, ihn kritisch zu beraten und damit möglicherweise auch vor Fehlern zu bewahren. Das rächt sich nun.

Doch auch wenn Renzi jetzt noch zu dieser Erkenntnis käme (wofür es übrigens keine Anzeichen gibt), wäre es für eine Korrektur zu spät. Die von ihm – schlecht – geführte Partei hat sich gespalten und steckt in einer dramatischen Krise, Teile seiner ehemaligen Kohorten sind verunsichert oder orientieren sich neu, zum Beispiel Richtung Orlando, den jetzigen Justizminister, der bei den Vorwahlen für das Amt des Parteichefs (und künftigen Spitzenkandidaten) gegen Renzi antritt.

Noch liegt Renzi bei den Umfragen über die Vorwahlen klar vor Orlando und Emiliano. Aber seine Zustimmungswerte (und die der PD) sinken. Er ist im Laufe der letzten Monate – beginnend mit dem gescheiterten Referendum Anfang Dezember - politisch enorm geschwächt. Noch fataler ist, dass seine Fehler und Niederlagen auch die PD, das ganze zersplitterte Mittelinkslager und nicht zuletzt die amtierende Regierung Gentiloni schwächen. Es scheint, dass sich die Ära des Renzismus ihrem Ende zuneigt. Eine starke demokratische Alternative ist nicht in Sicht.