Gesellschaft | Zukunft Europas

Verschaff dir Gehör!

Der Startschuss für die "Konferenz zur Zukunft Europas" ist gefallen, Herzstück der Initiative: ein partizipativer Online-Dialog. Auch SüdtirolerInnen nehmen aktiv teil.
Verschaff dir Gehör
Foto: (c) Jason Rosewell

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb bei ihrem Amtsantritt mit einem Versprechen: eine Konferenz zur Zukunft Europas, eine Debatte zu den Zielen und Strukturen der Europäischen Union. Dabei sollte unter anderem das Spitzenkandidatensystem debattiert werden, das – zum Trotz vieler Europaparlamentarier – durch die Ernennung Von der Leyens geschickt umgangen worden war.

Jetzt knappe zwei Jahre und eine Pandemie später ist es endlich soweit. Der Startschuss zum groß angelegten Bürgerbeteiligungsprojekt zur Zukunft der Europäischen Union ist gefallen. Auch in Südtirol will man sich aktiv an der Debatte beteiligen: Die Jugendgruppen der Grünen, Team K, Volt und des Partito Democratico haben die gemeinsame Plattform “Stammtisch Europa” ins Leben gerufen, um vor allem junge Menschen zur Mitsprache zu bewegen.

 

 

Keine Tabus

 

Bis Frühjahr 2022 können die Bürgerinnen und Bürger der EU ihre Chance ergreifen. Über die interaktive Online-Plattform futureu.europa.eu sind alle, die es möchten, dazu aufgefordert, ihre Vorstellungen einer neuen und zukunftsgerichteten Europäischen Union einzubringen und in länderübergreifenden Foren zu diskutieren. Dabei gilt vor allem eines: Es gibt keine Tabus.

 

Wir wollen ein Gefühl dafür bekommen, wie junge Menschen in Südtirol zu Europa stehen. – Simon Mariacher

 

Im Sinne dieser Tabu-losigkeit gesellt sich zu den neun Themenschwerpunkten – 'Klimawandel und Umwelt', 'Gesundheit, 'eine stärkere Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung', 'die EU in der Welt', 'Werte, Rechte, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit', 'Digitaler Wandel', 'Demokratie in Europa', 'Migration' und 'Bildung, Kultur, Jugend und Sport' – auch ein Forum, in dem alle 'weiteren Ideen' diskutiert werden können. Dabei geht es nicht nur um die Definition neuer Ziele, sondern vor allem auch darum, alte Strukturen einzureißen und durch neue zu ersetzen: das europäische Spitzenkandidatensystem, länderübergreifende Parteienlisten bei den Europawahlen, das Recht des Europaparlaments, eigenständige Gesetze vorzuschlagen oder die Einstimmigkeit des Rates beispielsweise. Es soll also nicht nur danach gefragt werden, was nach geltenden EU-Konventionen machbar ist, sondern vor allem auch um die Frage gehen, wie diese im Sinne der Europäischen Gemeinschaft verändert werden können.

 

Reformdruck durch Bürgerbeteiligung

 

Der erste Zwischenbericht zur Konferenz soll 2022 erscheinen. Der neunköpfige Exekutivausschuss aus Vertretern der EU-Kommission, des Parlaments und der Mitgliedsstaaten soll diesen gemeinsam mit einem Plenum aus 108 EU-Abgeordneten, 108 nationalen Abgeordneten und 108 Bürgerinnen und Bürgern der EU erstellen. Die 108 Europäerinnen und Europäer sind dafür zuständig, die Ideen aus den Bürgerkonferenzen einzubringen. Für die einen soll so der nötige Reformdruck aufgebaut werden. Andere sehen das ganze als lästige Einmischung, die zudem kaum steuerbar ist.

 

Stammtisch Europa

 

Neben den Onlinediskussionen, an denen sich schon jetzt rund 11.000 Europäerinnen und Europäer beteiligen, werden Menschen dazu ermutigt, den lokalen Diskurs zur Zukunft Europas zu befeuern. Dem nachgehend haben sich die Jugendgruppen vier Südtiroler Parteien, “Volt Südtirol Alto Adige”, “Young Greens South Tyrol”, “Team Future” und die “Jungen Demokraten/ Giovani Democratici” zusammengeschlossen. Im Rahmen des Projekts Stammtisch Europa laden sie interessierte junge Menschen dazu ein, parteiunabhängig ein Gespräch zur Zukunft Europas anzugehen. Im Sommer sollen in den größeren Gemeinden in Südtirol Veranstaltungen zum Thema organisiert werden. “Was unsere Parteien vereint ist Europa”, sagt Simon Mariacher von Volt Südtirol über die Initiative. “Junge Menschen müssen den Eindruck bekommen, dass über Europa diskutiert werden kann und dass diese Diskussion auch gefragt ist.”

 

 

Noch im Mai sollen eigene Social-Media-Kanäle für den Stammtisch Europa aufgebaut und mögliche Zusammenarbeiten mit den Jugendorganisationen vor Ort eingegangen werden. Im Sommer startet die erste Phase des Projekts, das vor allem in Form einer offenen Diskussion in Parks und anderen öffentlichen Räumen stattfinden soll. “Wir wollen ein Gefühl dafür bekommen, wie junge Menschen in Südtirol zu Europa stehen. Was ist gut? Was funktioniert? Aber auch: Was ist weniger gut? Und was muss geändert werden? So kann sich Europa den Bürgern nähern”, erklärt Simon Mariacher. Die daraus resultierenden Ideen sollen dann in einer zweiten Phase diskutiert werden und an ein breites Pubikum vermittelt werden.