Gesellschaft | Gesundheitsvorsorge

Erfolg für ein langes Leben

Stephan Peer ist Apotheker in Lana. Als Fachmann spricht er über die Wirkung und Nebenwirkungen von Impfungen und widerlegt Vorurteile.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Stephan Peer

Herr Peer, wie wirkt eine Impfung?

Stephan Peer: Die Wirkung von Impfungen ist, dass sie vor ansteckenden Krankheiten schützt und eine „wunderbare Nebenwirkung“ ist, dass durch hohe Durchimpfungsraten Krankheiten reduziert und im besten Fall sogar ausgerottet werden können.

Was passiert genau bei einer Impfung?

Mit dem Impfstoff werden dem ImmunsystemMarkierungsmerkmale der Krankheit präsentiert und es reagiert darauf. Die Reaktionen reichen von einer roten Einstichstelle und Jucken bis zu erhöhter Temperatur. Das sind aber, wie oft fälschlicherweise bezeichnet, keine Nebenwirkungen. Diese Reaktionen will ich haben, das zeigt mir, dass der Impfstoff funktioniert und das Immunsystem am arbeiten ist. Bei einer Impfung legt das Immunsystem Gedächtniszellen an. Sobald ein Erreger mit dieser Markierung auf das Immunsystem trifft, weiß jenes sofort, was zu tun ist und eliminiert die Krankheit, bevor sie ausbrechen kann.

Manche behaupten, dass man sich durch Impfungen mit Krankheiten anstecken kann. Stimmt das?

Nein, das ist heute nicht mehr möglich. In den 50er und 60er Jahren wurde mit abgetöteten Erregern geimpft. Wenn der Erreger nicht genügend abgeschwächt wurde, dann hat der Geimpfte an einer leichten Form der Krankheit erkranken können, wie bei der Schluckimpfung gegen Polio. Das ist Geschichte. In den modernen Impfstoffen werden nicht mehr die abgetöteten Erreger, sondern nur die Oberflächenmarker der Immunkrankheit verwendet.

Dadurch, dass wir in Europa in den letzten 30 Jahren keinen Kontakt mehr mit diesen Krankheiten hatten, wird ihnen oft das Attribut „leichte“ Krankheit zugeschrieben. Das ist aber keinesfalls zutreffend. Es gibt wenige Krankheiten, wo der Körper sagt, das ist mir zu gefährlich, die Krankheit will ich nie mehr sehen, ich mache mir den Aufwand sie mir ein Leben lang zu merken. 

Ist es überhaupt notwendig, sich gegen Kinderkrankheiten zu impfen?

Auf jeden Fall. Kinderkrankheiten sind ja keine Verniedlichung einer Krankheit, sondern heißen so, weil sie früher vor allem im Kindesalter aufgetreten sind. Dadurch, dass wir in Europa in den letzten 30 Jahren keinen Kontakt mehr mit diesen Krankheiten hatten, wird ihnen oft das Attribut „leichte“ Krankheit zugeschrieben. Das ist aber keinesfalls zutreffend. Es gibt wenige Krankheiten, wo der Körper sagt, das ist mir zu gefährlich, die Krankheit will ich nie mehr sehen, ich mache mir den Aufwand sie mir ein Leben lang zu merken. Das ist ein super System, dass ich mit der Impfung ausnutzen kann und dadurch die Überlebensrate der Kinder und Erwachsenen steigern kann.

Stellen wir uns folgendes vor: Die Menschen hören auf sich zu impfen, die Herdenimmunität sinkt. Kommen die Krankheiten zurück?

Sicher, alle Krankheiten können zurückkommen. Bei den Masern ist es ja schon soweit, in Deutschland und Südtirol ist der Herdenschutz nicht mehr gegeben. Lässt die Impfrate nach, kommt die Krankheit wieder. Man kann das sehr gut in Syrien beobachten, wo das Hygienesystem zusammengebrochen ist und die „ausgerotteten“ Krankheiten sofort wieder da waren. Wenn man aufhört zu impfen, wird der ganze Fortschritt der letzten 50 Jahre wertlos. Dass so viele Kinder überleben und Kinderkrankheiten belächelt werden, geht nur dank der Impfungen. Wenn ich in Entwicklungsländern unterwegs bin, wollen alle Eltern, dass ihre Kinder geimpft werden, sie sehen, was passiert, wenn man nicht geimpft ist. 

Das Interessante ist ja, dass bei Impfungen für Kinder alles sehr skeptisch hinterfragt wird. Wenn aber Erwachsene nach Sri Lanka, Indien oder Afrika fahren, sind Impfungen plötzlich kein Problem mehr. 

Kommen wir zu den Aussagen, mit denen gegen das Impfen argumentiert wird: „Impfen ist reine Geldmacherei der Pharmaindustrie. Impfen könnte Autismus hervorrufen.“ Was sagen Sie dazu?

Erstens: die Pharmaindustrie macht nur zwischen 0,5 und 0,65% ihres Umsatzes mit Impfstoffen. Unsere Bedenken gehen in die andere Richtung: Dadurch, dass die Herstellung und Entwicklung von Impfstoff so kompliziert ist und die Sicherheitsauflagen sehr streng sind, haben wir weltweit nur mehr zwei große Anbieter. Falls es bei einem der beiden Hersteller mal zu Komplikationen kommt, haben wir Lieferprobleme. Das bedeutet, dass wir eine gute Waffe gegen schwere Krankheiten nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung haben. Die Herstellung von Impfstoffen ist ein Service der Pharmaindustrie. Seien wir ehrlich: die Pharmaindustrie würde finanziell weitaus mehr von erkrankten Patienten profitieren, als von den paar Euro, die sie für einen Impfstoff bekommt.

Gibt es eine Verbindung zwischen Impfungen und Autismus?

Das Vorurteil bezüglich der Korrelation zwischen Impfungen und Autismus ist heute eindeutig widerlegt. Die damalige Studie und Auswertung war bezahlt, der Arzt hat längst seine Zulassung verloren, dennoch geistert das Thema immer noch herum. Natürlich hat ein Medikament auch Nebenwirkungen. Die Frage ist welche? Ein Impfschaden tritt in der Rate eins in einer bzw. zwei Millionen auf. Beim Auftreten von Masern führt eine in 1000 zu Komplikationen. Die Zahlen stehen in keiner Relation.

Also alles unbegründete Ängste?

Das Interessante ist ja, dass bei Impfungen für Kinder alles sehr skeptisch hinterfragt wird. Wenn aber Erwachsene nach Sri Lanka, Indien oder Afrika fahren, sind Impfungen plötzlich kein Problem mehr. Manchmal wird sogar für einen solchen Urlaub „zu viel“ geimpft. Das wundert mich oft, warum schaue ich so auf mich selbst, wenn ich in den Urlaub fahre und meinem Kind will ich den Schutz verweigern? Aber jeder, der einmal in einem Entwicklungsland war und dort ein Kind mit Kinderlähmung herumsitzen sah, wird sich sofort impfen lassen. Ich war in Nepal unterwegs, und hab viele Kinder gesehen, die von der Krankheit betroffen sind und für ihr Leben bestraft sind.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung hierzulande? Dominieren die Impfgegner die Debatten?

Man liest zu viel Negatives. Die Impfgegner sind sehr stark in der Presse, Radio und Medien vertreten. Bei meiner täglichen Arbeit in der Apotheke merke ich, dass sich sehr viele impfen lassen und sich dessen auch bewusst sind. Aber jene, die laut aufschreien, sind die, die gehört werden. Ich finde die Impfpflicht in Italien nicht schlecht, in Frankreich wurde genau dasselbe eingeführt. Denn ein bestehender Herdenschutz schützt die Schwächsten: Frühgeborene, Kinder mit Krebs oder Organtransplantationen. Ohne Schutz leiden die Schwächsten am meisten. Wir haben vergessen, wie gefährlich die Krankheiten eigentlich sind und dass Impfungen, meiner Meinung nach eine der tollsten Erfolge für langes Leben oder Überleben der Menschen sind.

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Manfred Klotz Mo., 11.06.2018 - 16:51

Jetzt wird es gleich wieder Kritik von der No-Vax-Gemeinde hageln, dass Herr Peer mit der Pharmaindustrie unter einer Decke steckt und dass seine Apotheke in Lana eh nur eine getarnte Einrichtung der WHO ist und übrigens kann er auch auf keine randomisierte Doppelblindstudie verweisen...;)

Mo., 11.06.2018 - 16:51 Permalink
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Stereo Typ Sa., 07.07.2018 - 11:23

In dem Masern-Mumps-Röteln Impfstoff sind sehr wohl noch die abgeschwächten Viren enthalten, es ist ein Lebend-Impfstoff. Das gleiche gilt für die Varizellaimpfung (Windpocken), und sogar für die 'klassische' Influenzaimfung (Grippe). Es sind allesamt Lebendimpfstoffe. Wie lange übrigens die Impfung gegen die Windpocken vor der Krankheit schützt, ist unter Kinderärzten stark umstritten. Sicher nicht ein Leben lang; Pessimisten unter den Ärzten glauben, gar nur 7 bis 14 Jahre.
Bitte also bei den Fakten bleiben, besonders als Pharmazeut oder als Mediziner.

Sa., 07.07.2018 - 11:23 Permalink
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Stereo Typ Sa., 07.07.2018 - 17:31

Ich melde mich noch einmal zu Wort: Darf ein Sanitätsbetrieb eigentlich Informationen verbreiten, die aus medizinischer Sicht falsch sind?

Sa., 07.07.2018 - 17:31 Permalink