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„Warten auch Tiere?“

Die Online-Ausstellung "Gäste, Ospiti, Guests" findet statt! Ein Interview mit Klaus Hackl - Design-Professor an der unibz - über das Projekt "The Big Wait".
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Klaus Hackl
Foto: Klaus Hackl

Am Freitag, 11. Juni laden die Studierenden und Professor*innen der Fakultät für Design und Kunst der Freien Universität Bozen zur Online-Vernissage von „Gäste Ospiti Guests“ von 18 bis 20 Uhr ein. In einem virtuellen Rundgang werden die 14 Design- und Kunstkurse aus dem Sommersemester 2021 präsentiert. Am Samstag (12.Juni) können die Besucher über die GOG-Website in die virtuellen Ateliers und Ausstellungsräume einsteigen. Die Besucher erwarten Führungen, Videos und Performances – sowie viele weitere interessante Projekte, unter anderem mit dem Titel „Care“, „Tun ist alles“ und „Propaganda“. Auf eines der Projekte, nämlich „The Big Wait, das Große Warten, la Grande Attesa“, wird in diesem Beitrag im Rahmen eines Interviews mit dem Vertragsprofessor Klaus Hackl näher eingegangen.

Prof. a. c. Klaus Hackl ist praktizierender Produktdesigner mit Büro in München. Ein Mal in der Woche pendelt er nach Bozen und nimmt dort seine Arbeit als externer Professor wahr. Als Vertragsprofessor arbeitet er mit den Studierenden an deren Designentwürfen. Gemeinsam mit zwei weiteren Projektlehrenden, die sich in ihren Modulen mit Konsumtheorie sowie Materialwissenschaft und Technologien beschäftigen, wird den Studierenden ein Projektthema problemorientiert und aus unterschiedlichen Perspektiven nähergebracht. In diesem Semester hat sich Klaus Hackl gemeinsam mit 19 Studierenden mit dem Thema Warten auseinandergesetzt. Das Projekt fand in Zusammenarbeit mit Dr. Waltraud Kofler von der Plattform Kulturerbe/Kulturproduktion statt. In Kleingruppen von bis zu drei Personen wurden größere Themenkomplexe bearbeitet, darunter auch die Verbesserung der Aufenthaltsqualität am Siegesplatz in Bozen. In diesem Interview erklärt Klaus Hackl das Projekt „The Big Wait, das Große Warten, la Grande Attesa“.

Herr Hackl, an welchem Projekt haben Sie dieses Semester gemeinsam mit den Studierenden gearbeitet?

Klaus Hackl: Das Projekt des Semesters wird mit dem Titel „The Big Wait, das Große Warten, la Grande Attesa“ vorgestellt. Das Warten ist schon lange Teil unseres Lebens, nicht erst seit der Pandemie. Wir warten ständig: in Hotlines, auf dem Amt, im Stau, in Warteschlangen, auf Ideen, auf Befunde beim Arzt. Warten ist eine anthropologische Konstante, mit der man sich als Designer befassen muss. Aus kultur- und regionalhistorischem Interesse befassen wir uns einerseits mit den Orten und dem Phänomen des Wartens. Andererseits ist das Warten auch ein tiefenpsychologisch interessantes Phänomen, mit dem sich kreative Menschen immer wieder auseinandersetzen müssen. Sie warten auf Ideen, auf Einfälle und auf Inspirationen.

Kreative Menschen warten auf Ideen, auf Einfälle und auf Inspirationen. 

Wie sind die Studierenden an das Thema herangetreten?

Wir wollten beide Phänomene – also das psychologische und jenes, das sich auf unsere reale Kultur auswirkt - erarbeiten. Begonnen haben wir mit einer breiten, tiefgründigen Recherche inklusive Feldstudien. Die Studierenden sind also losgezogen, um Leute an realen Orten wie zum Beispiel Warteschlangen zu analysieren und fotografisch bzw. mittels Videos festzuhalten. Anschließend haben wir einige spannende Themenbereiche konkretisiert und benannt. Die thematische Erschließung führt zu Schlussfolgerungen, welche von den Studierenden in Form von Entwürfen bearbeitet wurden.

 

 

Welche Projektvorschläge werden beim virtuellen Rundgang präsentiert?

Einige Studierende haben sich mit dem Ziel der Verbesserung des Wartens zum Beispiel mit kleinarchitektonischen Formen wie Wartehäuschen beschäftigt. Oder damit, wie das Warten in der Schlange mittels mikro-architektonischer Eingriffe wie Sonnenschutz aufgewertet werden könnte. Eine andere Gruppe hat sich mit den elektrischen Ladestationen von Alperia befasst, die mittlerweile in jeder Stadt zu finden sind, aber anders als Tankstellen noch keine eigenständige architektonische Sprache entwickelt haben. Hier wurde nach einer Möglichkeit gesucht, den Menschen Wetterschutz zu bieten und damit ein Mindestmaß an Aufenthaltsqualität zu sichern. Eine weiteres Entwurfsteam hat sich mit der Frage: „warten auch Tiere?“ auseinandergesetzt. So kam die Idee auf, sich mit dem Thema Tierwohl zu befassen und eine Art Klettergarten für Ziegen zu entwickeln.

Wir bilden Berufspraktiker aus, nicht nur akademisch Forschende –  wir entwickeln Projekte ganz konkret bis zu Prototypen im Maßstab 1:1.

 

 

Wie konkret ist die Ausarbeitung dieser Projektvorschläge?

Wir bilden Berufspraktiker aus, nicht nur akademisch Forschende – das bedeutet, wir entwickeln Projekte ganz konkret bis zu Prototypen im Maßstab 1:1. Eine Projektgruppe hat beispielsweise an der Gestaltung der Grünfläche am Siegesplatz in Bozen gearbeitet. Sie haben sich Gedanken über die "Benutzeroberfläche" des Parks gemacht, haben Sitzbänke, Leuchten und zum Beispiel eine Kleinarchitektur für Standkonzerte entworfen. An dieser Stelle hoffen wir, dass wir unsere Erfahrungen und Ideen in die derzeitige Planung einbringen können. Es wäre schön, wenn unsere Vorschläge gesehen werden und als Diskussionsgrundlage dienen würden.

Public Design wurde über viele Jahre vernachlässigt.

 

 

Abschließend: Hat sich nach diesem Projekt eure Auffassung vom Warten verändert?

Im Zuge des Arbeitsprozesses haben wir verstanden, dass Warten durchaus Qualitäten haben kann, die eben auch gestaltet werden müssen. Als junge*r Designer*in kann bewusstes Warten bedeuten, dass man nicht immer gleich dem modischen Lauf der Dinge nachgibt. Sondern sich vielmehr die Zeit nimmt aufmerksam zu Beobachten und die Dinge in Ruhe weiterzuentwickeln. Im öffentlichen Raum herrscht viel Nachholbedarf hinsichtlich der Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Public Design, die sorgfältige Gestaltung öffentlicher Räume, Sitz- und Wartemöglichkeiten, wurde über viele Jahre vernachlässigt.