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Historisierung par excellence

Das Siegesdenkmal als Gegengift für radikale Kräfte: Der Historiker Hannes Obermair im Interview über die preisgekrönte Dauerausstellung im Siegesdenkmal.
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Foto: Foto: Abteilung Museen Provinz Bozen

Irgendwo zwischen Mahnmal, Erinnerungskultur und Instrumentalisierung befindet sich das Bozner Siegesdenkmal. Den Versuch, dieses Symbol des Faschismus ideologisch zu befreien, widmete sich eine 2011 eingesetzte wissenschaftliche Kommission: Andrea di Michele, Hannes Obermair, Christine Roilo, Ugo Soragni und Silvia Spada erarbeiteten im Mai 2011 die Dauerausstellung im Siegesdenkmal. Die Arbeit trug Früchte: 2016 wurde die Dokumentations-Ausstellung durch die Jury des europäischen Museumspreises mit einer „Special Commendation“, einem besonderem Lob hervorgehoben.

salto.bz: Die Jury des europäischen Museumspreises betonte, dass die Ausstellung eine mutige Auseinandersetzung mit dem Thema, welches für viele Jahre im Mittelpunkt politischer Streitfragen und regionaler Identitätssuche gestanden hat, ist. Was glauben Sie ist mit "mutig" gemeint?

Hannes Obermair: Offenbar hat die Tatsache, dass hier ein totalitäres Bauwerk "ausgehalten", also angeschaut und auf adäquate Weise beantwortet wird, diese Form der Anerkennung hervorgerufen. Normalerweise droht dem faschistischen Gebauten der Verlust durch Zerstörung, Wegnahme oder Verhüllung. Der Bozner Weg des dekonstruktiven Umgangs impliziert eine Form demokratisch-aufgeklärter Gelassenheit, die mit "Mut" annähernd beschrieben werden kann.

...die erste "öffentlich-rechtliche" Auseinandersetzung mit dem brennenden Thema der faschistischen Barbarei.

Was bedeutet es konkret, dass die projektbezogenen Besonderheiten der Dauerausstellung gelobt wurden?
Die Dokumentations-Ausstellung im Bozner Siegesdenkmal ist - man mag es kaum glauben - die erste "öffentlich-rechtliche" Auseinandersetzung mit dem brennenden Thema der faschistischen Barbarei auf italienischem Staatsgebiet. Es gibt in Italien nicht ein Museum über den Faschismus, nicht einen Ort der Täter- und Opfergeschichte des Ventennio. Dass hier Bozen in die Bresche springen musste, ist also schon bemerkenswert genug. Zugleich wird vor dem Südtiroler Hintergrund auch die Frage der nationalsozialistischen Verstrickungen aufgeworfen, was auf die europäische Dimension dieser speziellen und doppelten Diktaturerfahrung vor Ort abzielt.

Was heißt es für die Dokumentationsausstellung im Siegesdenkmal, sowie das Team, welches die Ausstellung erarbeitet hat, wenn ein solcher Preis verliehen wird?
Es ist im besten Fall die Anerkennung dafür, dass solide gearbeitet wurde. Die europäische Diktaturerfahrung, der sich die besonderen Südtiroler Befindlichkeiten gleichsam subsummieren, kann auch Wissen und Bewusstsein dafür generieren, es gesellschaftlich besser machen zu können. Da autoritäre bzw. antidemokratische und antirepublikanische Dispositionen stets wiederkehren können (und dies aktuell auch tun), ist hier ein Antidotum vorhanden - an einem authentischen historischen Ort des "Falschen" -, das immerwährend zum kritischen Nachdenken anregen mag. Diese Form des optimistischen Skeptizismus ist das, was für uns Macher der Ausstellung bleibt.

www.siegesdenkmal.com

(Salto in Zusammenarbeit mit der Fachabteilung Museen der Autonomen Provinz Bozen)

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Hartmuth Staffler Sa., 12.08.2017 - 16:50

Solange am Denkmal für den Faschismus Blumen niedergelegt werden und unverbesserliche Faschisten dort für ihr Hochzeitsfoto posieren, kann man das Museum im Untergeschoss nicht als Historisierung bezeichnen,. zumal es auch zahlreiche Fehler und vor allem Unterlassungen beherbergt, mit denen die Wahrheit verdreht wird.

Sa., 12.08.2017 - 16:50 Permalink