Gesellschaft | Sabes

Krönender Fauxpas

Der Sanitätsbetrieb will sein 10-jähriges Bestehen groß feiern. Und sorgt mit einer Last-Minute-Aktion für Verärgerung unter den Hausärzten: “Es fehlt an Wertschätzung.”
Ducken
Foto: Pixabay

“Viele von uns sind sehr erbost!” Nicht nur Ärger, auch Enttäuschung schwingt in der Stimme der Hausärztin mit. Ihr Name tut nichts zur Sache, denn es geht nicht um einzelne Personen, sondern um Gesten. Und die, die der Sanitätsbetrieb gesetzt hat, spricht für viele Hausärzte Bände: “Es zeigt sich wieder einmal, wie gering die Wertschätzung für uns ist.”

Es soll “der krönende Abschluss” eines Jubiläums werden, der heute Abend pompös auf Schloss Sigmundskron gefeiert wird. Vor zehn Jahren, 2007, wurde der Südtiroler Sanitätsbetrieb gegründet. Zum runden Bestehen organisierte der Betrieb in den vergangenen Wochen in jedem der sieben Krankenhäuser des Landes ein Event für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihr Einsatz soll anlässlich des Jubiläums besonders hervorgehoben werden. Entsprechend ist auch die Einladung zur Abschlussfeierlichkeiten auf Schloss Sigmundskron gestaltet: “Diese Abend gehört Ihnen! Wir danken Ihnen für den täglichen Einsatz im Beruf.”
Um 16 Uhr geht es los. Schlossherr Reinhold Messner zeigt sich großzügig, lädt zu einer kostenlosen Besichtigung seines Mountain Museums und stellt die Festung bis in die Abendstunden zur Verfügung. Nach Musik und Buffett gibt es ein “kleines Geschenk zum Abschied” für die Geladenen.

 

Besser spät als gar nicht?

Doch statt Feierstimmung herrscht bei vielen, die sich ebenso wie die Sabes-Mitarbeiter tagtäglich engagieren, um die Gesundheitsversorgung im Land zu garantieren, Katerstimmung. Die Allgemeinmediziner und Kinderärzte freier Wahl sind nämlich erst im letzten Moment nach Sigmundskron geladen worden, als “wichtige Partner unseres Sanitätsbetriebs”.
Am Dienstag, einen Tag vor dem “großen Finale”, trudelte das Einladungsschreiben ein. Per Mail, unterzeichnet vom Generaldirektor Thomas Schael und dem Direktor der Kommunikationsabteilung Lukas Raffl. Doch für viele kommt es zu spät. “Es kann schon einmal vorkommen, dass eine Einladung im letzten Drücker versandt wird”, meint eine Hausärztin. Dennoch findet sie die Last-Minute-Einladung “peinlich”.

Denn es darf davon ausgegangen werden, dass die Gästeliste für eine derart lang und groß geplante Feier nicht erst einen Tag vorher feststeht – und man sich genau überlegt, wen man warum einlädt. Etwa wichtige Medienvertreter des Landes, die “als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die für unseren Südtiroler Sanitätsbetrieb eine wichtige Unterstützerrolle spielt” zur Abschlussveranstaltung nach Sigmundskron eingeladen wurden. Und zwar Mitte September – einen Monat vorher, mit einem persönlich adressierten Brief, unterschrieben von der gesamten Sabes-Führungsriege mit Generaldirektor Schael, Pflegedirektorin Marianne Siller und den beiden geschäftsführenden Sanitäts- und Verwaltungsdirektoren Thomas Lanthaler und Umberto Tait.

 

“Wo ist die Wertschätzung?”

Es ist ein vermeidbares Eigentor, das sich der Sanitätsbetrieb hier geleistet hat. War dessen politische “Chefin”, Landesrätin Martha Stocker, doch stets bemüht, bei den zähen Vertragsverhandlungen der letzten Jahre ein Klima des guten und gemeinsamen Willens nach außen zu transportieren. Doch es hapert immer noch, wie hinter vorgehaltener Hand zu erfahren ist. So hätten die Allgemeinmediziner aus den Medien von der im September gestarteten Aktion “Bewegung auf Rezept” erfahren, bei der Hausärzte auf neu entwickelten Formularen körperliche Aktivität verschreiben können. “Wir wurden nicht gefragt und erst nachdem wir in der Presse von der Aktion gelesen hatten, wurden wir über die Fortbildung, die dafür notwendig ist, in Kenntnis gesetzt”, erinnert sich eine Hausarzt. Keine Rücksprache, Information im Nachhinein – und diese im letzten Moment verschickte Einladung: “Das Gesamtpaket ist nicht stimmig, es fehlt an Wertschätzung für unsere Arbeit”, steht für viele Hausärzte fest.

“Ja, ich bin ziemlich verärgert, gesteht eine Medizinerin. Sie überlegt sich, diesem Ärger in einem Antwortschreiben an den Sanitätsbetrieb Luft zu machen. Hingehen zur Feier nach Schloss Sigmundskron wird sie jedenfalls nicht. Zur gleichen Zeit findet nämlich eine Fortbildung der SüGAM, der Südtiroler Gesellschaft der Allgemeinmedizin statt. “Aber ich wäre auch sonst nicht hin”, meint die Ärztin. Und spricht damit wohl vielen ihrer Kollegen aus der Seele.

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Stereo Typ Mi., 11.10.2017 - 18:19

Was ist los? Warum passieren solche Dinge? Ein Gesundheitssystem, in dem kein Platz für wertschätzendes Verhalten ist, ist in seinem Potenzial begrenzt. Moderne Unternehmens- und Betriebsführung, und das gilt auch für die öffentliche Verwaltung und Betriebe, hat flache Hierarchien und lebt von Eigeninitiative und Professionalität. Ein hierarchisches Gebilde wird nie die Produktivität und den Nutzen haben wie ein partizipativ-kooperativ geführtes. Die Mitarbeiter wenden sich schlichtweg ab und leisten bestenfalls nur noch Dienst nach Vorschrift.

Mi., 11.10.2017 - 18:19 Permalink