Kultur | Salto Return

#111217

In Salto Return geht es nicht um den europäischen Filmpreis für „The Square“. Aber irgendwie doch um Plätze und Plätzchen.
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Foto: Foto: Salto.bz

Square I
„Wo kommen die vielen Menschen und Autos her? Was suchen sie im Hier und Jetzt? Was treibt sie an?“ Mit diesen philosophischen Fragen verließ ich heute gegen 10 Uhr meine Hütte und begab mich mit eleganten Schneespuren auf den zentralen Square meiner Stadt, gegenwärtig eines der mächtigsten Symbole menschlicher Dummheit im Land.
Ich trottelte auf Schneespur 1, vorbei an den weihnachtlichen Ständen, dicht hinter einer Dame mit Pelz, täuschte kurz ein Überholmanöver an, ging weiter hinter ihr her und besprühte unbemerkt ihren Mantel mit einem feinen Anti-Pelz-Motiv. YEAH!
Dann überholte ich das Arschloch, blieb auf Schneespur 2 und freute mich über mein schnelles Vorankommen. Plötzlich traf mich „ein Schlag mit einer Kelle am Hinterkopf“, wie mir verzweifelte Christkindlmarkt-Besucher Minuten später schildern werden, die den brutalen Vorfall am Walther-Square hautnah mitbekamen.
Ein Herr mit rotem Haar und roter Handkelle hatte mich beim eiligen Durchwinken erwischt. Wohl unabsichtlich. Ich fiel zu Boden und in einen magischen Tiefschlaf.

Square II
Nun war mal wieder mein Geist zu Gast im eigenen Angsttraum. Ich war auf der Flucht vor unzähligen Touristen, bog um die Ecken der Häuser, rannte von der einen in die nächste Gasse. Doch überall lauerten sie mir auf, die Tagesbesucher und Kaufleute, lachten verhohlen zu kitschiger Musik.
Ich rannte weiter bis ich mich plötzlich auf einer schneebedeckten Wiese befand und mich in Sicherheit wähnte. Der kurze freie Moment währte allerdings nicht lange, denn ich erspähte eine Gruppe von Säugetieren, Wölfe in blauem Schafspelz, freiheitliche Schafe, ungebildete Halunken, rassige Burschenschafter, rotnasige Hinterwäldler, lästige Geschichtsverfälscher. Sie blökten demagogisch und feierten 25 Jahre Gehirn-Amputation. Wohin würde mich mein wirres Unterbewusstsein noch hinführen?
Ich zeigte den blauen Schafen meine beiden Stinkefinger, täuschte rechts an und bog links ab, weiter in den tiefen Wald, wo ich vor lauter Weihnachtsbäumen das eigentliche Fest nicht mehr sehen konnte. Ich eilte weiter, bis ich am Ende des dunklen Waldtunnels ein leuchtendes Nichts erkannte. Und was trennte mich und dieses Nichts? Ein Blechhaufen, na bravo!

Square III
Ein unglaublich lauter Knall, einer Explosion ähnlich, ließ mich wieder erwachen. Ich öffnete behutsam meine Augen und erkannte das Gesicht des Herrn mit der Handkelle, der mich immer wieder fragte: „Ma lei mi conosce?“ Ich antwortete mit schwacher Stimme: „Sì che la conosco. Come no. Lei è Carlo Costa, l'ingegnere famosissimo. Ha costruito la Raststätte Plessi als Brennero. Un edificio meraviglioso. Mai visto una opera così stupida… ehm stupenda, excusez moi...”.
Ich entschuldigte mich auch dafür, dass ich schnurstracks in seine Handkelle gerannt war und dass ich sehr gut verstehen könne, weshalb es hier am Walther-Square eine dritte Spur bräuchte, aber auch, dass ich den ständigen Blechsalat auf der A22 als Ab-und-Zu-Vegetarier natürlich goutieren würde.
Costa blieb gefasst, emotionslos, winkte mich mit seiner Handkelle weiter, in den Sparkassen-Square am Walther-Square, wo ich mich im ersten Stock vom letzten Schock erholen konnte.