Politik | Interview

"Das will niemand"

Die Tiroler Vize-Landeshauptfrau Ingrid Felipe stellt klar: Die Pläne für ein Grenzmanagement à la Spielfeld für den Brenner werden vorerst nicht umgesetzt.

Es wird immer schwerer, den Durchblick zu behalten. Am Freitag Morgen berichtet die Tiroler Tageszeitung: “Grenzzaun am Brenner wird gebaut”. Die Pläne des Innenministeriums seien fix, “unabhängig von einer Verlagerung der Flüchtlingsströme Richtung Brenner wird in den nächsten Wochen die Grenzsicherung eingerichtet”. Im Laufe des Vormittags dann eine inoffizielle Information, der zufolge der Tiroler Landtag das Grenzmanagement am Brenner gut geheißen habe. salto.bz hat bei Ingrid Felipe angefragt. Die Grüne Tiroler Landtagsabgeordnete ist Stellvertreterin von Landeshauptmann Günther Platter. Und dementiert einen Beschluss des Landtags. Ebenso wie den Bau von Zäunen und Containern. Die Pläne lägen zwar auf dem Tisch, doch sei über deren Umsetzung noch nicht befunden worden.

Frau Felipe, ist es wahr, dass der Tiroler Landtag am Freitag Vormittag sein Einverständnis zur Errichtung von Absperrungen und anderweitigen Grenzschutzmaßnahmen am Brenner gegeben hat?
Ingrid Felipe: Nein, das stimmt nicht. Aus zweierlei Gründen. Erstens hat es heute (Freitag, 12. Februar, Anm. d. Red.) gar keine Sitzung des Landtags gegeben. Also wäre es rein formal gar nicht möglich gewesen. Und zweitens traue ich mich zu sagen, dass niemand, aber auch gar niemand in Tirol diese Maßnahmen will. Nicht einmal die Freiheitlichen.

Die Tiroler Tageszeitung berichtet in ihrer Freitag-Ausgabe, dass ein Konzept für den Brenner ausgearbeitet worden sei, laut dem nun die Errichtung von Grenzzäunen und Registrierungspunkten am Brenner tatsächlich angegangen werden soll.
Es gibt den Druck der Regierung, am Brenner dieselben Maßnahmen zu treffen wie in Spielfeld und in Kärnten. Doch ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird, die Situation anderweitig zu lösen. Durch Kooperation.

Das Maßnahmenpaket, von dem die Tiroler Tageszeitung berichtet, spricht aber eine andere Sprache: eine Kontrollstraße, Container, Absperrungen und Zäune – “in den nächsten Wochen”.
Konkret wurde das Innenministerium, das für die Grenzsicherung zuständig ist, beauftragt, Überlegungen zur Frage ‘Was wäre wenn?’ anzustellen. Derzeit sind angesichts der Jahreszeit relativ wenige Menschen unterwegs. Und momentan funktioniert auch die Abwicklung und Unterbringung sehr gut. Täglich kommen zirka 2.000 Menschen nach Österreich. Zugleich reisen 3.000 Menschen jeden Tag nach Deutschland, Schweden oder andere Länder weiter. Das heißt, alles ist ganz gut geregelt. Die wahre Herausforderung wäre, wenn Deutschland die Grenzen ganz schließen würde. Was ich persönlich aber für sehr unrealistisch halte. Ein weiteres Szenario ist: Die Balkanländer wie Mazedonien machen ihre Grenzen weiter dicht und die Menschen gelangen dann nicht mehr über Slowenien und Kroatien sondern über Italien und den Brenner nach Österreich. Davor scheinen sich viele Menschen hierzulande zu fürchten. Mit diesen möglichen Szenarien und Herausforderungen hat man sich im Innenministerium beschäftigt. Und die Pläne sind jetzt fertig.

Das heißt, es gibt keine fixen Maßnahmen – Zäune oder Container –, die in Kürze am Brenner oder sonstigen Grenzübergängen zwischen Österreich und Italien ganz konkret getroffen werden?
Nein, es gibt keine festen Maßnahmen. Wie gesagt, die verschiedenen möglichen Szenarien wurden durchdacht und es liegen Pläne vor, was in dem einen oder anderen Fall veranlasst werden könnte. Aber wir alle hoffen, dass es nicht soweit kommen wird, zumindest nicht am Brenner. Denn der Ort ist denkbar schlecht geignet für die Versorgung und Unterbringung von Menschen auf der Flucht.

Laut dem Bericht in der Tiroler Tageszeitung sollen die Maßnahmen aber unabhängig von einer eventuellen Zunahme des Flüchtlingsstroms über den Brenner getroffen werden.
Das kann ich nicht bestätigen. Und ich weiß nicht, woher die Informationen stammen. Denn ich versichere Ihnen, es ist niemandes Intention, dass es so weit kommt. Auch Landeshauptmann Platter hat es immer wieder wiederholt, dass er das nicht will und es als letzte aller Maßnahmen ansieht, an den Grenzen gewisse Maßnahmen zu setzen. Ich bin zuversichtlich. Und es gibt einen guten Austausch zwischen Bayern, Tirol, Südtirol und dem Trentino.

Für kommende Woche ist die Entscheidung des Innenministeriums zu erwarten, was an der Südgrenze passieren soll. Sollte die Anordnung aus Wien kommen, tatsächlich Absperrungen und eine “Kontrollstraße” mit Containern am Brenner zu errichten, hat die Tiroler Landespolitik irgendeine Möglichkeit, Einspruch zu erheben?
Im Prinzip nicht, denn es handelt sich um eine Staatsaufgabe, die das Innenministerium in der Zusammenarbeit mit der Polizei übernimmt. Sollte es allerdings so weit kommen, hat das Land Tirol Mitspracherecht bei Mitteln oder Flächen, die eventuell zur Verfügung gestellt werden müssten. Aber wie gesagt: Keiner möchte, dass es so weit kommt. Denn das würde gegen alles gehen, worum wir uns bisher bemüht haben: Grenzen abbauen, möglichst nahe zusammenrücken, einen gemeinsamen Kulturraum schaffen. Und ich bin überzeugt, dass wir das ‘derschaukeln’ ohne gleich narret zu werden.

Ebenfalls für kommende Woche ist der Termin für den angekündigten Euregio-Gifpel festgelegt worden. Am Montag, 15. Februar, treffen sich die Landeshauptleute von Tirol, Südtirol und dem Trentino in Bozen, um die Regierungen in Rom und Wien zu entsprechenden Maßnahmen auffordern. Denn Günther Platter, Arno Kompatscher und Ugo Rossi sind überzeugt: “Die Flüchtlingskrise darf die europäischen Errungenschaften im Gebiet der Europaregion nicht gefährden.”

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Benno Kusstatscher Sa., 13.02.2016 - 12:10

Salto-Leser sind wohl besser mit der Peitsche als mit dem Zuckerbrot. Innerhalb weniger Tage liefern uns Susanne Pitro und Lisa Maria Gasser bereits das zweite Interview von nördlich dem Brenner. Wo bekommt man das sonst? Ich weiß das nicht nur zu schätzen, sondern bin mir auch des zusätzlichen Kraftaufwandes bewusst. Wohltuend. Deshalb mein Dank und meine Komplimente: weiter so!

Sa., 13.02.2016 - 12:10 Permalink