Kultur | Hinter Gittern

"Es geht um den Widerspruch"

Fünf Jahre verbrachte Agnes Schwienbacher im Gefängnis. Mit ihrem Buch "Unrecht" will sie Hoffnung machen. Am Donnerstag Abend stellt sie es in ihrer Heimat Ulten vor.
Agnes Schwienbacher: Von Gefängnisinsassin zu Autorin
Foto: Agnes Schnwienbacher

Mit zirka 40 Jahren kam Agnes zum ersten Mal mit Heroin in Kontakt. Schnell wurde daraus eine Sucht. Um diese zu finanzieren, handelte sie auch mit dem gefährlichen Stoff. Die Konsequenzen musste sie am eigenen Leib erfahren.

Es war in einer kalten Novembernacht 2007, als Agnes Schwienbacher um vier Uhr morgens von drei Polizisten festgenommen wurde.
Diese Szene erinnert an einen Kafka-Roman, doch für Agnes war sie Realität. Die Mutter von vier Kindern wird verhaftet und ins Frauengefängnis „Dozza“ in Bologna gebracht. Dort erfährt sie erstmals den Grund für ihre Inhaftnahme: Drogenhandel.

Mein Buch soll jenen Menschen Mut geben, die sich in schweren Situationen befinden.

Anfangs begreift Agnes die Ausmaße der Festnahme nicht. Mit einigen Monaten Haft rechnet sie, sechs vielleicht, nicht mehr. Erwarten wird sie das Zehnfache: fünf Jahre im überfüllten Frauengefängnis. Fünf Jahre Freiheitsentzug, das sind fünf Jahre leben in einem Käfig, fünf Jahre Gitterstäbe sehen, wenn man aus dem Fenster schaut. Auf engstem Raum mit anderen Frauen leben, die in den Mühlen der italienischen Justiz gefangen sind.

Im Gefängnis fängt sie an, ein Buch zu schreiben. „Ich wollte einfach erzählen, was in den Jahren meiner Gefangenschaft passiert ist“, berichtet Agnes. „Es geht um den Widerspruch: Rehabilitation und Strafen.“ In ihrem Tagebuch schreibt sie alles auf, was schief gegangen ist.

Und es ist viel schief gegangen. In dem Buch „Unrecht. In den Mühlen der italienischen Justiz“, erschienen im Verlag Rætia, kritisiert Agnes unter anderem das Gefängnis- und Justizsystem, dem sie sich hilflos ausgeliefert fühlt. Auch die Zustände im Gefängnis zehren an ihr. „Die Welt wäre doch so groß und sie sperren uns so eng zusammen“, schreibt sie. „Das soll Rehabilitation sein?“


So offen über Gefühle und Erlebnisse zu erzählen, erfordert viel Mut. Die Öffentlichkeit zeigt sich allerdings empathisch. Mit viel Interesse und Verständnis gehen viele Menschen auf die Autorin zu. „Sie haben Respekt davor, dass ich an der ganzen Geschichte nicht zerbrochen bin.“
Am Donnerstag, 13. Februar stellt Agnes ihr Buch ab 20:00 Uhr im Vereinssaal St. Nikolaus in Ulten vor. Diesem Event geht sie mit großer Vorfreude entgegen. Die positiven Reaktionen ihrer Leser haben der Ultnerin viel Hoffnung gegeben. Einen Teil dieser Hoffnung will Agnes zurückgeben. „Mein Buch soll jenen Menschen Mut geben, die sich in schweren Situationen befinden.“ Denn irgendwann wird alles besser. Das hat auch Agnes gelernt.

Die mittlerweile 56-Jährige ist seit einigen Jahren selbstständig und kümmert sich im Sommer um einen rund 3.000 Quadratmeter großen Acker. Dort baut sie Obst und Gemüse an und betreibt eine kleine Imkerei. Im Winter beschäftigt sie sich mit Textilverarbeitung. Ihre große Leidenschaft ist das Orgelspielen. Und jetzt wohl auch das Schreiben. Ihre Geschichte ist ergreifend, spannend, zum Nachdenken anregend. Agnes Schwienbacher war auf dem Boden, doch sie hat sich aufgerafft und steht nun mit beiden Beinen fest im Leben. Genießt ihre Freiheit, ihren Freiraum und einen Fensterausblick ganz ohne Gitterstäbe.